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Bühne und Konzert Wagner in Wien

Was macht der Schwan im Musikantenstadl?

Ein Schwan wird kommen: Klaus Florian Vogt als Lohengrin in Andreas Homokis Inszenierung Ein Schwan wird kommen: Klaus Florian Vogt als Lohengrin in Andreas Homokis Inszenierung
Ein Schwan wird kommen: Klaus Florian Vogt als Lohengrin in Andreas Homokis Inszenierung
Quelle: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
„Lohengrin“ in Lodengrün: Andreas Homoki versetzt Wagners Oper an der Wiener Staatsoper von der Schelde in die Alpen. Der Erfolg ist überschaubar. Im Graben triumphiert der junge Finne Mikko Franck.

Zwei flammende Herzen schmiegen sich aneinander, im Stil naiver Bauernmalerei auf den Zwischenvorhang gepinselt. Elsas Worte „Es gibt ein Glück“ stehen darunter. Freilich, es gibt so etwas wie Glück, besonders wenn man auf die Genese dieser neuen „Lohengrin“-Produktion der Wiener Staatsoper blickt.

Zu Beginn wurde der amtierende Wagner-Weltmeister Christian Thielemann als Dirigent ausgerufen. Der Abgang der Berliner Philharmoniker aus Salzburg machte jedoch einen bitteren Strich durch die schöne Rechnung. Denn Thielemann füllt nun mit seiner Staatskapelle von der Elbe die Lücke an der Salzach, konnte daher den just am Tag seiner Salzburger „Arabella“ angesetzten Premierentermin nicht wahrnehmen.

Der verwaiste Platz an der Schelde, dem „Lohengrin“-Schauplatz, wurde mit Bertrand de Billy nachgefüllt. Diesmal jedoch warf der in Wien bestens bekannte Dirigent wenige Tage vor der Premiere die Nerven weg und den Batton hin.

Zweieinhalb Minuten und ein Skandal

Er wollte „Lohengrin“ strichlos dirigieren, was ihm angeblich zugesagt worden war. Regisseur Andreas Homoki und Lohengrin-Sänger Claus Florian Vogt bestanden aber auf Kürzungen im dritten Akt, die man auch in Bayreuth erlaubt.

De Billy grollte, Staatsoperndirektor Dominique Mayer erklärte, es gehe um zweieinhalb Minuten Musik in einer Oper, die viereinhalb Stunden dauert – und engagierte nach dem Abgang De Billys den jungen, 1979 geborenen Finnen Mikko Franck.

Das erwies sich als schöner Glücksfall. Franck hat sich schon im letzten Oktober als Retter bewährt und Donald Runnicles bei der Uraufführung von Iain Bells „A Harlot’s Progress“ mit Diana Damrau im Theater an der Wien erfolgreich ersetzt.

Ein Finne an der Schelde

Dass in den zwei Wochen, die Franck zur ersten „Lohengrin“-Vorstellung blieben, die Möglichkeiten begrenzt sind, dem Abend einen persönlichen Stempel aufzudrücken, liegt auf der Hand. Aber mit welch souverän unverkrampfter Lust sich der Finne in das Wagner-Abenteuer begibt, ist eine Freude. Ganz unaufgeregt lässt er sogleich das Vorspiel blühen, sitzt auf seinem Sessel vor den, wie immer bei Wagner, herrlich einsatzfreudig Klangpracht spendenden Musikern des Staatsopernorchesters.

Er wacht von dort wie ein kleiner, fröhlicher Gralshüter über das musikalische Geschick des Abends, gibt mit vitaler Umsicht präzise die Einsätze und sorgt für einen perfekten Ablauf. Selbst die heiklen Choreinsätze gelingen ohne Fehl.

Er springt nur auf, wenn auch die Musik dramatische Höhepunkte gebiert, feuert die Streicher, Blech und Pauke an. Greift dann herrlich in die Vollen, fährt den Orchesterapparat üppig hoch, manchmal vielleicht ein wenig zu laut.

Lohengrin setzt sich durch

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Für den Titelhelden Claus Florian Vogt ist selbst das kein Problem. Mit seinem reinen, hell und weich ausfließenden Tenor setzt er sich mühelos als idealtypischer Lohengrin gegen jede Orchesterwand durch.

Wolfgang Koch bietet ihm gefährlich kraftvoll und mächtig Bariton-bewehrt als Telramund Paroli – mit dem Hirschfänger. Denn Homoki hat, um dem frühen Mittelalter zu entkommen, seinen „Lohengrin“ kurzerhand in ein Bergdorf verlegt.

Sein Kalkül, dass die große Welt im Mikrokosmos der Alpen zwischen Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, eine für ein heutiges Publikum verständlichere Entsprechung findet, geht nur sehr bedingt auf.

Wer hat den größten Gamsbart?

So warten die Dörfler in lodengrünen Dirndl und Krachlederner in der grobholzig vertäfelten Stube (Ausstattung: Wolfgang Gussmann) diesmal nicht auf die Geierwally, sondern eben auf den Schwanenritter. Das spießt sich immer wieder mit Wagners Vorgaben und hätte mehr interpretatorischer Vision bedurft, als die solide Organisation der handelnden Personen, die Homoki zuwege bringt.

Dank des größten Gamsbarts auf dem Hut erkennt man zumindest König Heinrich, den Günther Groissböck schön kultiviert, aber ein wenig leichtgewichtig singt. Begrenzt ist auch die dämonische Stimmkraft, die Michaela Martens für die Ortrud aufzubringen weiß, während Camilla Nylund der Elsa feine herb-lyrische Momente schenkt.

In Wien reicht solches bereits für empörte Aufgeregtheit, die sich am Premierenabend in einem Buhkonzert fürs Leitungsteam niederschlug, aber in der ersten Reprise schon wieder verflogen war. Man wird mit diesem „Lohengrin“, koproduziert mit Zürich, nun wohl eine Zeit lang leben müssen.

Termine: 25., 28. April

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