WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Kultur
  3. Bühne und Konzert
  4. Mozart-Zyklus: War Charlie Chaplin gar Albaner?

Bühne und Konzert Mozart-Zyklus

War Charlie Chaplin gar Albaner?

Freier Feuilletonmitarbeiter
Schiefe Spielebene, aber nicht wirklich schräg inszeniert: Das Dresdner „Così fan tutte“-Quartett Christopher Tiesi (Ferrando), Rachel Willis-Sørensen (Fiordiligi), Christoph Pohl (Guglielmo) und Rachel Frenkel (Dorabella) Schiefe Spielebene, aber nicht wirklich schräg inszeniert: Das Dresdner „Così fan tutte“-Quartett Christopher Tiesi (Ferrando), Rachel Willis-Sørensen (Fiordiligi), Christoph Pohl (Guglielmo) und Rachel Frenkel (Dorabella)
Schiefe Spielebene, aber nicht wirklich schräg inszeniert: Das Dresdner „Così fan tutte“-Quartett Christopher Tiesi (Ferrando), Rachel Willis-Sørensen (Fiordiligi), Christoph Pohl ...(Guglielmo) und Rachel Frenkel (Dorabella)
Quelle: Matthias Creutziger/ Semperoper Dresden
Mit Andreas Kriegenburgs banaler „Così fan tutte“ wird nach dem Rauswurf des Intendanten Serge Dornys der Dresdner Opernalltag deutlich. Immerhin müht sich der Dirigent mit einem eigenen Mozart-Ton.

Weilt der Thielemann nicht zu Hause, und das tut er in der Semperoper ja höchst selten, da er hier nur als Chefdirigent der Staatskapelle fungiert, dann herrscht Alltag. Sächsischer Staatsoper-Schmalhans, selbst bei Premieren. Wie jetzt wieder bei Mozarts „Così fan tutte“, immerhin Auftakt für einen neuen Zyklus mit den drei da-Ponte-Opern, für gewöhnlich eine sorgsam polierte Visitenkarte für jedes Theater.

Nicht dass es wirklich schlecht gewesen wäre, was sich da in Mozarts und Lorenzo da Pontes Namen als amourös überkreuzte Quartett-Verwicklung samt kommentierendem Intrigantenpaar abspult. Aber es ist insgesamt dann doch wenig aufregend.

Am ehesten sind das noch die Töne, die aus dem hochgefahrenen Graben dringen. Die nach eineinhalb Spielzeiten jäh aus ihrem Intendantinnen-Dasein gerissene Ulrike Hessler hatte noch den von Daniel Barenboim geförderten jungen Israeli Omer Meir Wellber – mit dessen Billigung – als eine Art Gegenfigur zum raren Christian Thielemann engagiert. Mit Teilen des hier hochgehaltenen Strauss-Repertoires wie auch dem Mozart-Zyklus sollte das vielversprechende Talent über mehrere Spielzeiten für Kontinuität im Orchester sorgen. Bei dessen Konzerten darf er immerhin nächste Saison auch einmal ans Pult.

Die Formenstrenge wird lockerer

Und Meir Wellber müht sich nach Kräften, den in den letzten Jahren hier nicht sonderlich gepflegten Mozart-Klang aufzupolieren (für den sich Thielemann, anders als in Berlin, auch gar nicht zu interessieren scheint). Er macht natürlich zu viel, hält die willigen Musiker in der Ouvertüre sehr an der Kandare. Doch die Formenstrenge wird lockerer, es entspinnt sich ein gelöstes Buffa-Miteinander, das funkelt, aber auch mit melancholischen Einsprengseln aufwartet; von Meir Wellber vom Hammerklavier aus zusammengehalten. Sehr, sehr langsam entwickelt sich Fiordiligis pompöse „Per pietà“-Arie, für die das mächtige Mädchen Rachel Willis-Sørensen freilich die nötigen Sieglinden-Töne hat.

Bis auf den meckrigen Tenor gefallen auch die restlichen Sänger, Rachel Frenkels burschikose Dorabella, Christoph Pohls geläufiger Guglielmo, Ute Selbig als Despina und Georg Zeppenfelds Alfonso mit Lagerfeld-Zopf, die von der Regie so sträflich auf der vor sich hin dümpelnden Drehscheibe stehen gelassen worden sind. Ursprünglich sollte Andreas Kriegenburg, immerhin einer der höchstgehandelten Schauspielinszenatoren, in München auch zu „Ring“-Ehren gekommen, die ganze Trias betreuen; davon war man aber zum Glück abgekommen. Denn Kriegenburg steckt offenbar in einer schon länger andauernden Formkrise. Was er an banaler Nicht-Deutung abliefert, von Harald Thor und Andrea Schraad hässlich-nichtssagend in einen leere Rotunde und Zirkuskostüme gesteckt, würde man keinem Regieassistenten durchgehen lassen. Sein einziger Einfall: Die verkleideten „Albaner“, die sich jeweils an die andere Frau ranmachen, sehen aus wie Charlie Chaplin.

Zwischen Gala und Alltag liegen Welten

Da steht also ein wunderschönes, repräsentatives Musiktheater. In einer vergleichsweise kleinen Stadt, mit geringem Einzugsgebiet, in Deutschlands Osten, man sollte das nicht vergessen. Es hat ein tolles Orchester, einen weltberühmten Dirigenten, viel gefragt zwischen Bayreuth, Wien, Salzburg, Berlin. „Angekommen“, so wurde er noch vor einem Jahr stolz per Plakat angekündigt.

Aber zwischen der Galaaufführung, wenn der Chef mal in einer Opernpremiere am Pult steht, und der elbischen Normalität liegen Niveauwelten, wie sonst wohl an kaum einem anderen Opernhaus. Das haben die Querelen um den Rauswurf des designierten Intendanten Serge Dorny jetzt wieder sehr deutlich gemacht. Und man schaut deshalb genau hin, wie die Dresdner Missstände hinter einer glänzenden Verpackung verborgen werden.

Man ärgert sich hier zwar immer noch, dass man die Semperoper als Werbefassade herhalten lässt für eine Brauerei, die mit den Bildern, umweht von „Tannhäuser“-Trara, ihr Gersten-Image prächtig aufpoliert hat. Doch mit dem Orchester und seinem Chef ist es kaum anders. Auch hier ist vieles nur verdächtig raschelndes Glanzpapier. In der nächsten Spielzeit dirigiert Christian Thielemann weiterhin vorwiegend Spätromantisches mit der Kapelle, Strauss und Wagner, Bruckner und Tschaikowsky. Punktum. Zum Schostakowitsch-Zyklus steuert er in seinen elf Sinfoniekonzerten mit vier Programmen gerade einmal das 1. Violinkonzert bei. Dazu kommt im TV-Silvesterkonzert Kálmáns süffige „Csardasfürstin“.

Thielemann schaut nur selten vorbei

In der Oper ist Thielemann an ganzen zehn Abenden zu erleben. Zweimal die aus Salzburg von den Osterfestspielen besetzungsidentisch übernommene „Arabella“, dreimal „Rosenkavalier“, zweimal „Capriccio“ (für ihn immerhin eine Stück-Premiere) bündeln sich zu den mit seiner Lieblingsdiva Renée Fleming und Thomas Hampson veredelten Strauss-Tagen im November und Dezember. Dann folgt noch der von ihm nur dreimal dirigierte „Freischütz“ als Premiere, den dann der wacker-uneitle Peter Schneider übernimmt. Und während bei der „Arabella“ der Salzburger-Vokalluxus selbst bis in die kleinsten Rollen mit berühmten und nicht billigen Sängern wie Jane Henschel als Kartenaufschlägerin durchgezogen wird, muss das Haus den Rest des Opernjahres sehen, wie es so über die Runden kommt.

Anzeige

Und das tut es nicht sonderlich aufregend. Ja, der Opernschmalhans wird an der Elbe noch einige Jahre ein Dauergast sein.

Termine: 26., 30. März, 3., 5., 6., 8. April, 6., 11., 16. Mai., 2., 12. Juni

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema