Dienstag, 07. Mai 2024

Archiv

"Così fan tutte" in Dresden
Partnertausch im Slapstick-Format

Mozarts Oper "Così fan tutte" ist die Beziehungskomödie - oder das Drama - des Musiktheaters. Nach der Uraufführung viele Jahrzehnte als "frivol" von der Bühne verbannt, gilt Così mittlerweile aber als ideales Stück für das psychologisierende Regietheater. Jetzt wurde es in Dresden neuinszeniert von Andreas Kriegenburg.

Von Julia Spinola | 23.03.2014
    Georg Zeppenfeld als Don Alfonso, Christopher Tiesi als Ferrando, Rachel Willis-Sorensen als Fiordiligi, Ute Selbig als Despina, Rachel Frenkel als Dorabella und Christoph Pohl als Guglielmo (v.l.n.r.)
    Das Ensemble der Sächsischen Staatsoper feierte mit Mozarts "Così van tutte" nun Premiere (picture alliance / dpa / Matthias Hiekel)
    Wie zwei bonbonfarbene Püppchen, die man aus einer alten Spielzeugkiste gekramt hat, sitzen die beiden Schwestern in Andreas Kriegenburgs "Così fan tutte"-Inszenierung auf der Bühne. Die schüchterne Fiordiligi ist eine leicht mollige rosa Prinzessin mit Seidenbändern im blonden Haar. Der lebenslustigeren Dorabella im quietschgelben Hängerchen stehen die brünetten Haare exzentrisch zu Berge.
    Auf der im leeren Raum schwebenden weißen Drehscheibe, die Harald Thor als Einheitsbühnenbild für die Semperoper entworfen hat, wirken sie wie eine Kuchenverzierung. Kleinmädchenhaft baumeln sie mit den Beinen, kichern und glucksen und himmeln die Fotos ihrer Geliebten an. Diese wirken als Stummfilmfiguren, die an Charlie Chaplin und Buster Keaton erinnern, auch nicht viel realer.
    Kriegenburgs Bemühen um Leichtigkeit
    Während andere zeitgenössische Regisseure in Mozarts "Dramma giocoso" üblicherweise den blutigen Ernst eines Experiments am offenen Herzen betonen, möchte Kriegenburg ihm etwas von der Leichtigkeit des Rokoko zurückbescheren. Nichts soll ernst sein in dieser bewusst antipsychologischen Inszenierung. Sie möchte keine Wirklichkeit abbilden, sondern die von Don Alfonso angezettelte Wette um die Standfestigkeit der Frauen als ein unverbindliches Spiel vorführen. So üben sich beide Männer in leider halbherzig inszenierten Slapstick-Einlagen, während die Frauen ihre Gefühle in expressionistischen Stummfilm-Posen zur Schau stellen.
    Rachel Frenkel ist eine temperamentvolle Dorabella mit einem apart dunkel timbrierten Mezzo, der in den Ensembles wunderbar mit dem fülligeren Sopran der Fiordiligi von Rachel Willis-Sorensen und dem ausdrucksstarken, strahlkräftigen Timbre von Ute Selbig als Despina harmoniert. Auch die Interpretation des hochbegabten jungen israelischen Dirigenten Omer Meir Wellber, der an diesem Abend seine erste Mozart-Oper dirigiert, orientiert sich an der auf der Bühne angestrebten Leichtigkeit.
    Ohne Taktstock, dafür mit ausladenden tänzerischen Bewegungen, animiert er im hochgefahrenen Orchestergraben die klein besetzte Staatskapelle zu einem fein akzentuierten, transparenten Spiel in raschen Tempi. Die Rezitative begleitet er selbst auf dem Hammerklavier und nimmt sich überdies die Freiheit, hier und da ein paar Continuo-Verzierungen hinzuzufügen. So feurig, anarchisch und überdreht prescht dieser Mozart bisweilen voran, dass die Sänger schon einmal Mühe haben, das Tempo punktgenau zu halten.
    Inszenierung wirkt zum Teil hilflos
    Christoph Pohl schenkt dem Guglielmo geschmeidige Baritonfülle, während die über ansprechenden Belcanto-Schmelz verfügende Tenorstimme Christopher Tiesi für die Partie des Ferrando noch ein wenig zu klein wirkt. Die Partie des Don Alfonso singt Georg Zeppenfeld mit melodiös geführtem Bass.
    Spätestens im zweiten Akt, wenn das Slapstick-Spiel des Frauentausches in die Herzen der Beteiligten erste Wunden schlägt, geht Kriegenburgs Inszenierung nicht mehr auf. Denn dann scheint sich der Regisseur zwischen Heiterkeit und Ernst nicht entscheiden zu können. Die Frauen schlüpfen nun aus ihren Verkleidungen, als kämen ihre authentischen Persönlichkeiten zum Vorschein.
    Die Männer aber bleiben die gleichen Stummfilm-Trottel wie zuvor. Beides passt nicht zusammen, zumal das Desaster des mehrfachen Treuebruchs ja nun zutage tritt. Das Happy End einer glücklichen Wiedervereinigung der ursprünglichen Paare, das Kriegenburg sich nicht nehmen lassen wollte, wirkt daher etwas hilflos.