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Bühne und Konzert Dvořák in Wien

Bei „Rusalka“ gibt es Fesselspiele im Plattenbau

Sie verzehrt sich nach menschlicher Liebe: Krassimira Stoyanova als Nixe Rusalka Sie verzehrt sich nach menschlicher Liebe: Krassimira Stoyanova als Nixe Rusalka
Sie verzehrt sich nach menschlicher Liebe: Krassimira Stoyanova als Nixe Rusalka
Quelle: Michael Pöhn
Böhmische Märchenstunde: Krassimira Stoyanova begeistert an der Wiener Staatsoper in einer kühl schlichten Neuinszenierung von Dvořáks „Rusalka“, die sie derzeit besser singt als jede andere.

Witzig, dass an der Wiener Staatsoper, kurz bevor Antonín Dvořáks „Rusalka“ neu inszeniert an den Start ging, die Met in New York die alte Otto-Schenk-Produktion aus dem Fundus fischte. In genau dieser Verpackung erlebte Dvořáks Nixen-Oper 1987 auch ihre späte Erstaufführung am Wiener Opernhaus.

Dass der „Rusalka“-Export von damals selbst im nicht gerade als progressiv geltenden Opern-New York alt wirkt, beweist der Kommentar in der „New York Times“. Hier liest man von „Mr. Schenk’s empty-headed, Magic Kingdom realism“, der sich welk und anspruchslos zeigt, wohingegen Martin Kusejs Münchner Sicht und Stefan Herheims Arbeit für Brüssel als brillante, heutige Interpretationen angeführt werden. Jossi Wielers und Sergio Morabitos Salzburger Regie von 2008 oder Robert Carsens Freud-verspielte Pariser Produktion mit Happy End ließen sich als weitgehend gelungene Beispiele, der in den letzten Jahren so gerne gespielten Oper, noch ergänzen.

Wien setzt auf Sven-Eric Bechtolf. Wieder einmal. Es ist bereits sein neunter Staatsopern-Streich seit 2006. Warum er sich in Wien, wie einst Otto Schenk, quasi zum Haus-Regisseur gemausert hat, wird auch diesmal nicht sinnfällig.

Keine große Nachhaltigkeit

Freilich, ganz so arg daneben inszeniert wie etwa zuletzt bei seiner „Così fan tutte“ im sommerlichen Salzburg, hat er diesmal nicht. Große Nachhaltigkeit atmet der Wurf dennoch nicht. Bechtolf möchte weder tief in die traumdeuterische Freud-Kiste greifen noch anderweitig aktualisieren oder groß interpretieren. Kein Inzestfall Fritzl wie in München, kein Fischmädchen im Puff wie damals in Salzburg.

In heutigen Märchenbildern soll bei Bechtolf die Geschichte der sich nach sexueller Erfüllung sehnenden Nixe vor den Zuschauern vorüberziehen. Immerhin beweist Bechtolf seine Fähigkeit zu sehr solider Personenführung. Die passiert in der Ausstattung des Duos Rolf und Marianne Glittenberg. Er hat wieder ein paar öde Mäuerchen aufgestellt, sie sich für die Kostüme an Boutiquen-Chic inspiriert. Das verdirbt dem Märchen dann doch die Stimmung.

Familie Wassermann haust im kalten Hinterhof eines Plattenbaus, wo ein paar eisbedeckte Stämme in die Höhe ragen. Hier tummeln sich die drei Nixen-Schwestern, halb in ein barbusiges Hauttrikot, halb in ein Abendkleid gesteckt. Die sich nach dem Prinzen verzehrende Rusalka quält sich wie ein armes Polio-Opfer, unfähig, ihre Beine ordentlich zu bewegen, auf die verschneite Bühne. Krassimira Stoyanova muss hier Körpereinsatz zeigen. Das hindert sie zum Glück nicht daran, diesem Abend das große Glanzlicht aufzusetzen.

Dem Prinzen ein todbringender Kuss

Mit ihrem melancholisch leuchtenden Sopran gelingt ihr die zutiefst berührende Durchdringung dieser Partie, eine stimmlich fein abschattierte und aktuell wohl konkurrenzlose Opernnixe. Erst die Hexe (mezzobrav: Janina Baechle) befreit sie von ihrer Gehbehinderung, damit sie stumm, aber menschlich geworden ihrem Prinzen entgegentreten kann. Einen Hauch inzestuöses Geplänkel lässt sich Bechtolf dann doch nicht entgehen, wenn Vater Wassermann, den Günther Groissböck mit geschmeidig feinem Bass gibt, seiner Tochter zum Abschied die Lippen auf den Mund presst.

Als ihr Prinz wildert der lyrische Michael Schade diesmal im fachfremden Revier. Eher eine luxuriöse Fehlbesetzung, pariert er die Partie mit seinem hellen Tenormaterial dennoch gut, vor allem auch in den heiklen Hochtönen zum Schluss. Hier findet Bechtolf ein letztes zweifelhaftes Bild. Nach ihrem todbringenden Kuss kreist Rusalka mit langer Weißhaarperücke um den Prinzen und wickelt ihn mit schwarzem Tuch an einen der vereisten Stämme.

Überzeugend strahlt es dagegen aus dem Graben. Jiří Bělohlávek sorgt für herzhaft satten, farbenprächtigen Orchesterklang, greift dramatisch in die Vollen, lässt aber auch die zarten Momente subtil zu ihrem Recht kommen. Dank der durchgängig ausgezeichnet besetzen übrigen Partien findet somit die böhmische Märchenstunde zumindest musikalisch erstklassig statt.

Termine: 3., 6., 9. Februar

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