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Wassernixe Rusalka (Krassimira Stoyanova): eine unglückliche Wanderin zwischen den Welten, die sich vergeblich nach Menschlichkeit sehnt.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Hinter vereisten Scheiben sind sie umrisshaft zu erkennen: In strammer Haltung nehmen die drei jungen Elfen, der Wassermann und Jez ibaba ihr Mahl zu sich, schlürfen ihr Süppchen als jene Familie, zu der sie Regisseur Sven-Eric Bechtolf am Esstisch geformt hat. Es ist allerdings ein problembeladenes Grüpplein, das einen Verlust zu beklagen hat. Tochter Rusalka ist nicht mehr Teil dieser Runde; sie hat sich (zwecks Abnabelung) in die Arme des Prinzen begeben.

Hexe (und bei Bechtolf auch Rusalkas Mutter) Jezibaba ließ sie zwar ziehen, allerdings nicht, ohne ihr die Stimme zu rauben, was Rusalka in den Augen des Prinzen noch unnahbarer wirken lässt. Als dann ihre Nebenbuhlerin erscheint, ist die Entfremdung vom Angebeteten, der Rusalka als "Stern", "Reh" und "Märchen" umgarnt hat, denn auch komplett.

Aus der Hochzeit wird nichts: Während der Prinz mit seiner neuen Verehrten turtelt, wird Rusalka von grotesken Albträumen geplagt und imaginiert ein puppenhaft sich aneinander abarbeitendes Pärchen (Choreografie: Lukas Gaudernak).

Auch hier schimmert die Familienthematik, der Mutter-Tochter-Konflikt, durch. Schließlich sieht die Nebenbuhlerin (mit zweckdienlicher dramatischer Durchschlagskraft Monika Bohinec) wie die mit schwarzen Federn geschmückte Jezibaba (Kostüme: Marianne Glittenberg) aus - allerdings in Rot.

Distanz und Differenz

Das Elegant-Ambivalente dieser Inszenierung: Bechtolf hat seine Familiengründung diskret mit optischen Mitteln betrieben, den Fabelwesen sonst aber ihre Distanz und Differenz zur Menschenwelt, in die es Wassernixe Rusalka zieht, erhalten.

Als sich der Heger (profund Gabriel Bermudez) und der Küchenjunge (witzig Stephanie Houtzeel) in die Nähe von Hexe Jezibaba begeben, kippt das Groteske ins Blutige: Dem Küchenjungen wird von Jezibaba (sehr eindringlich Janina Baechle) die Kehle durchgeschnitten, worauf die drei Elfen (Valentina Nafornita, Lena Belkina, Ilseyar Khayrullova) zur Stelle sind, um den Leichnam vampirartig zu genießen. Es bleibt das einzige drastische Rufzeichen einer Inszenierung, in welcher der Wassermann (glänzend Günther Groissböck) an den blonden Elben Legolas (aus Herr der Ringe) gemahnt. Ansonsten ist Bechtolf ein gewohnt präziser Figurenformer, der zwischen hohen Wänden und in bunkerartigen Räumen (Bühnenbild: Rolf Glittenberg) die vieldeutig-rätselhafte Geschichte laufen lässt und zum Schluss für Rusalka und den Prinzen eine poetische Lösung findet:

Die verschmähte Braut (Krassimira Stoyanova trägt den Abend mit glühender Vokalpracht) bindet den nun Bereuenden (Michael Schade versieht seine kostbaren Höhen mit Intensität, den Tiefen fehlt jedoch nötige Präsenz) an einen Baum und legt sich nach verabreichtem Todeskuss schlaftrunken nieder.

Zwischen Süße und Dramatik

In Summe eine nie radikal deutende, indes auch nie platte oder starre Regiearbeit, die ihren Weg ins Repertoire finden wird und musikalisch überzeugt.

Dirigent Jirí Belohlávek erreicht mit dem Staatsopernorchester im Laufe des Abends eine imposante Balance zwischen romantischer Süße und Dramatik. Dass im ersten Akt an manchen poetischen Stellen mehr Dringlichkeit und an den dramatischen weniger Dezibelfreude gutgetan hätte, ist jedoch auch eine Erwähnung wert. In Summe viel Applaus, aber doch auch einige Buhs für Regisseur Bechtolf. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 28.1.2014)