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Anschwellende DunkelheitVon Roberto Becker / Fotos von Javier del Real
Wenn sich Schauspiel- oder auch Filmregisseure auf die Oper einlassen, dann haben sie oft einen Kammerspielbonus und den Kamerablick auf ihrer Seite. Problematischer ist ihr Umgang mit den Zeitmaßen, den Verzögerungen und Gleichzeitigkeiten, die von der Musik vorgegeben werden. Und die Rezeptionsgeschichte. Opernseiteneinsteiger sind zwar fasziniert von der Musik, unterschätzen aber notorisch den Stand der Rezeptionsgeschichte. Filmfrau Doris Dörrie etwa ist schon öfter ins Stolpern gekommen, als sie ihre späte Opernleidenschaft, einem Publikum zu vermitteln versuchte, das nach der Begeisterung auch schon die Infragestellung alter Opernkonventionen mitgemacht hat. Zustimmend oder Ablehnend. Je nachdem. Der Zyniker und seine Opfer: Dorabella, Don Alfonso und Firodiligi
Der österreichische Filmpreissammler und aktuelle Oscar-Preisträger Michael Haneke (70) hatte sich vor der Premiere seiner Inszenierung von Mozarts Così fan tutte am Teatro Real in Madrid nach Los Angeles verbschiedet. Wie sich zeigte, hat er recht getan, denn er bekam für seinen jüngsten Film Amour (Liebe), nach den vielen Preisen in Europa, tatsächlich auch noch einen Oscar. Diese Auszeichnung (und natürlich die dahinter stehende Qualität seiner Filmarbeit) wirkten offenbar auch auf das ausgesprochen beifällige Kritiker-Echo für seine Operninszenierung zurück. Wobei das Publikum vor Ort zwar freundlich und zustimmend reagierte, aber nicht in Begeisterung ausbrach. Auch mit dem Szenenapplaus hielten sich die Premierengäste zurück. Così fan tutte ist Hanekes zweite Opernregie. Zur ersten, dem Don Giovanni hatte ihn 2006 auch schon der jetzige Intendant des Teatro Real Gerard Mortier überredet, als er noch Intendant der Nationaloper in Paris war. Für seine zweite Da Ponte-Oper hat er einen Grundeinfall, mit der er seine Vergegenwärtigung umrahmt. Er macht Don Alfonso und Despina zu einem Gastgeber(Ehe-)paar und die Wette Alfonsos mit Gugilelmo und Ferrando um die Treue ihrer beiden Bräute zu einer Art Gesellschaftsspiel für eine amüsierlustige Abendgesellschaft. Da will ein Zyniker, der sich selbst wohl in einer Art Dauerbeziehungskrieg befindet, beweisen, dass es so kommen muss. Überzeugend wenn sie leiden: Anett Fritsch als Fiordiligi und Juan Francisco Gatell als Ferrando
Haneke überträgt dabei vor allem sein unterkühltes Sezieren und Balancieren am Abgrund atmosphärisch auf Mozarts und Da Pontes Laborexperiment in Sachen Liebe. Und zwar so konsequent, dass die Balance zwischen spielerischer Leichtigkeit und ernstem, fragenden Hintersinn auf der Strecke bleibt. Und jeder Spielwitz obendrein. Sicher ist die Sache mit der Maskerade, in der die gerade angeblich in den Krieg gezogenen Männer als verkleidete Ausländer wieder kehren, immer ein Fake. Eigentlich müssten die Frauen ihre Männer erkennen. Hier tauchen die Männer als angeblich Fremde nur das erste Mal mit einem Schnauzer auf und dann wieder unmaskiert. Doch wenn in der erzählten Geschichte der Partygag im Ernst durchgespielt wird, dann bleibt die Variante, gänzlich auf eine Maskierung zu verzichten und in eine bewusste Entscheidung in Sachen Partnerwechsel umzumünzen, wie in Madrid, doch nur eine Behauptung. Funny Games: die Männer liegen scheinbar erledigt am Boden, dabei werden gerade die Frauen zur Strecke gebracht
Sicher, es gibt diese genau ausgeleuchteten Szenen. Vor allem wenn die erstklassige und attraktive Fiordiligi (Anette Fritsch) oder spielfreudige Ferrando (Juan Francisco Gatell) aus unterschiedlichen Gründen verzweifeln. Oder wenn sich Guglielmo (Andreas Wolf) selbst zum Kotzen findet, weil er sich auf das Verführungsspiel eingelassen hat und auch noch erfolgreich war. Dagegen stehen aber auch Konventionen beim meist etwas steifen Auftritt Don Alfonsos (William Shimell) oder den glatt verschenkten Auftritten Despinas als Arzt oder Notar. Hinzu kommt, dass Kerstin Avemo auch stimmlich die Schwachstelle in dem ansonsten unverbraucht jungendlichen Ensemble ist. Zu den starken Seiten der Inszenierung gehören die Bühne und der faszinierender atmosphärische Lichtwechsel in die metaphorisch heraufziehende Nacht hinein. Christoph Kanter hat eine opulente Luxusvilla mit Terrasse hinter der Glasfront gebaut. Es gibt drinnen einen Kamin und eine in die Spielfront integrierte Hausbar. Die wird häufig frequentiert. Und sie wirft obendrein ein eisiges Licht auf die Szenerie. Am Ende dann, wenn vor allem die Frauen ziemlich konventionell vorgeführt werden, ist das selbst den Partygästen zu viel. Sie haben sich zwar über das Spiel, in das sie zum Teil wohl eingeweiht waren, amüsiert, aber die Konsequenzen gehen vielen von ihnen zu weit. Am Ende ohrfeigen sich die Gastgeber. Doch der Versuch, die alte Konstellation wieder herzustellen scheitert gründlich. Mit dieser (Nicht-)Auflösung bleibt Haneke im Rahmen des heute üblichen Umgangs mit dem lieto fine. Ein "lieto fine", ein glückliches Ende also, sieht anders aus - hier streben alle auseinander
Die Szene ist also im Laufe des Abends immer düsterer gestimmt. Was man in Madrid aber nicht nur sieht, sondern von Sylvain Cambreling am Pult des Teatro Real Orchesters bewusst verlangsamt und durchlöchert, auch so hört. Damit wird die Probe auf die Treue der Frauen auch eine auf die Geduld. Zumindest für die Zuschauer, die Haneke nicht per se für der szenischen Weisheiten letzten Schluss halten. Wenn am Ende der immerwährende Beziehungsclinch zwischen den Geschlechtern eröffnet wird, überrascht dann kein bisschen.
In seiner zweiten Operninszenierung findet Mozarts viel beschworene Operation am offenen Herzen bei abnehmendem Licht statt und endet im Dunkeln. Er treibt Mozarts und Da Pontes Così fan tutte das Komödiantische ebenso aus, wie Cambreling der Musik Tempo und Esprit. Für die eine war das genial für die anderen eher lähmend. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Solisten
Fiordiligi
Dorabella
Guglielmo
Ferrando
Despina
Don Alfonso
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