Anna Netrebko stirbt wieder triumphal in Salzburg

Anna Netrebko stirbt wieder
Anna Netrebko stirbt wieder(c) Dapd (Kerstin Joensson)
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Gesanglich ist „La Boheme“ im großen Festspielhaus exzellent: Die Diva an der Seite von Piotr Beczala, das tönt herrlich expressiv. Die Optik der neuen Inszenierung ist von erbarmungswürdiger Scheußlichkeit.

Eine Müllhalde, ein Stadtplan von Paris – aber welcher kleine Franzose würde sich so anziehen lassen wie der Kinderchor im Salzburger Festspielhaus? Regisseur Damiano Michieletto und den Ausstattern Carla Teti und Paolo Fantini ist die totale Entzauberung einer Puccini-Oper geglückt. Von der Poesie, die der Text vorgibt, und die in guten Aufführungen dieser Oper den atemberaubenden Kontrast zur Brutalität der Handlung schafft, ist nichts zu bemerken.

Leider auch orchestral nicht. Erstaunlich, wie wenig die Philharmoniker von ihrem Opern-Wissen zu den Festspielen mitbringen, beziehungsweise, wie viel sie sich von einem Dirigenten wie Daniele Gatti abhandeln lassen. So messerscharf, ohne Charme und vor allem ohne Gespür für Puccinis Melismatik habe ich dieses Orchester noch nie spielen gehört.

Wo sonst auch in der kleinsten Repertoire-Aufführung auf Sänger eingegangen wird, herrscht im Salzburger Festspielhaus Insensibilität und Grellheit. Piotr Beczala, der hinreißend ausdrucksvoll singt, gelingt in der Arie ein prachtvolles hohes C, vor dem die Hörner eine akustische Blechwand errichten. Warum?

Die Netrebko gibt eine charakterstarke Mimi, weich und warm getönt, eine junge Frau, die spürbar weiß, was sie will. Und die auch ihren „Abstieg“ wach und bei vollem Bewusstsein erleidet – und gestaltet: die große Arie wie auch die Todesszene bewältigt sie im Alleingang. Was die Inszenierung insgesamt vermissen ließ, wurde in diesen Momenten durch die Kraft einer umwerfenden Bühnen-Persönlichkeit ersetzt – die war und ist umwerfend.

Ein ordentliches Ensemble um die Primadonna, eine quecksilbrige Musette (Nino Machaidse) und vor allem ein einfühlsamer Tenor-Partner. Nur die akustische wie optische „Hülle“ dieser „Boheme“ ist alles andere als festspielreif.

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