Dorthin, zu den Salzburger Festspielen, wo also ihre internationale Karriere einst mit Mozarts "Don Giovanni" begann, kehrt Sopranistin Anna Netrebko wohl nicht ungern zurück. Hier wurde von Intendanten freudig der Teppich ausgerollt, sie haben die Erfahrung gemacht: Ob nun mit Verdis "Traviata" oder Mozarts "Figaro" - es sorgte die Dame für Glamour gleichermaßen wie für vokalen Prunk. Auf ihren Glanz und ihre Seriosität war gleichermaßen Verlass.

Nach Giacomo Puccinis genialem romantischen Schmachtfetzen "La Bohème" darf nun festgehalten werden: Netrebko ist weiterhin in guter Form, sie stattet die Mimi mit jenen edel-samtigen Tönen aus, die in diesem Opus der großen Gefühle ihr Recht fordern. Und: darstellerisch ist sie durchaus auch von glaubwürdiger Flexibilität zwischen Überschwang und Todesahnung.

Piotr Beczala, der Rodolfo an ihrer Seite, gibt einen fast ebenbürtigen Partner. Mit hoher Intensität geht er die Liebessache an und hält in puncto Wohlklang metallisch, wenngleich nicht immer ganz sauber mit Netrebko mit.

Die Regie von Damiano Michieletto führt das Pärchen mit konventioneller Hand zusammen. Und dies In einem Paris, dessen Dimensionen etwas unbeholfen zwischen x-large und Minimundus-Putzigkeit changieren.

Dirigent Daniele Gatti und die Wiener Philharmoniker setzen zum einem auf forsche Akzente. Sie lassen aber doch auch Raum für vokale Opulenz. Gattis Bemühen, der Partitur durch Entschlackung und Dramatik Respekt zu verschaffen, wirkt jedoch ein bisschen überambitioniert. Und die Koordination mit der Bühne darf noch besser werden.

Der Applaus ereilte alle, auch Nino Machaidze (als Musetta), deren Stimme bis auf ein paar Spitzentöne recht verbraucht klang. Hoffentlich nur ein schlechter Abend an einem insegesamt durchaus passablen bunten Abend. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 2.8.2012)