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Musikfestspiele
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Salzburger Pfingstfestspiele
25.05.2012 - 28.05.2012

Giulio Cesare in Egitto

Oper in drei Akten (HWV 17)
Libretto von Nicola Francesco Haym nach dem Libretto von Giacomo Francesco Bussani zur Oper Giulio Cesare in Egitto von Antonio Sartorio
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5 h (zwei Pausen)

Premiere im Haus für Mozart am 25. Mai 2012
(rezensierte Aufführung am 27.05.2012)

 

 

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Zwischen Komik und Kriegswirren

Von Thomas Molke / Fotos von Hans Jörg Michel

Wenn die Salzburger Pfingstfestspiele unter dem Motto Cleopatra - Im Labyrinth von Eros und Macht stehen, verwundert es nicht, dass das zentrale Werk der diesjährigen Festspiele Georg Friedrich Händels wohl bekannteste Oper, Giulio Cesare in Egitto, darstellt. Als Besonderheit spielt man das Stück zum einen fast ohne Kürzungen, was schon beinahe wagnerianische Ausmaße annimmt. Zum anderen übertrifft man mit insgesamt vier Countertenören sogar noch die männliche Besetzung der Uraufführung. Während heutzutage vielerorts die Titelfigur und sein Gegenspieler Tolomeo mit Countertenören besetzt werden, um der Aufführungspraxis der Barockzeit mit Kastraten näher zu kommen, stellt es schon ein Novum dar, den Sesto, der selbst in der Uraufführung als Hosenrolle mit einem Sopran besetzt war, ebenfalls von einem Countertenor singen zu lassen. Dass der vierte im Bunde, Cleopatras Kammerdiener Nireno, der bei der Uraufführung von einem Altkastraten gesungen wurde, dabei in die Kammerdienerin Nirena umgewandelt wird, stellt wohl einen besonderen Regie-Gag des Inszenierungs-Teams um Moshe Leiser und Patrice Caurier dar, die mit dem umgedrehten Spiel der Geschlechter bei allem Ernst der Handlung unter anderem auch versuchen, komische Momente aus der Vorlage herausarbeiten.

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Cornelia (Anne Sofie von Otter) will sich aus Verzweiflung das Leben nehmen.

Die Oper handelt von der berühmten Liebesgeschichte zwischen Gaius Julius Caesar (Giulio Cesare) und der ägyptischen Königin Kleopatra (Cleopatra) am Ende des römischen Bürgerkriegs. Cesare hat seinen Gegner Pompeo besiegt und ist diesem nach Ägypten gefolgt. Tolomeo, der dort mit seiner Schwester Cleopatra um die Königskrone streitet, sucht in Cesare einen Verbündeten, indem er ihm das abgeschlagene Haupt Pompeos als Geschenk überreicht. Doch dieses Geschenk zeigt nicht die erhoffte Wirkung. Des Weiteren ist Cesare den Reizen Cleopatras zugetan, so dass Tolomeo einen Anschlag auf den römischen Feldherrn verübt, dem dieser mit einem Sprung ins Meer entgeht, und anschließend seine Schwester einsperren lässt. Doch Cesare entkommt den Fluten des Meeres und fügt Tolomeos Truppen eine entscheidende Niederlage zu. Tolomeo selbst wird von Pompeos Sohn Sesto aus Rache für den Vatermord getötet. Cornelia, Pompeos Witwe, und Cleopatra werden aus der Gefangenschaft befreit. Cleopatra und Cesare schwören sich ewige Liebe. Dafür darf sie als tributpflichtige Königin von Roms Gnaden den ägyptischen Thron besteigen.

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Cleopatra (Cecilia Bartoli) entschwebt in einer spektakulären Theateraufführung vor Cesares (Andreas Scholl) Augen als Göttin der Tugend in den Bühnenhimmel (im Hintergrund: Mitglieder von Il Giardino Armonico).

Während die Solistenriege und das Orchester vom Festspielpublikum einhellig bejubelt werden, erntet das Regieteam nicht nur Zustimmung, was daran liegen mag, dass die Inszenierung in ihrer Deutung bisweilen ein wenig unschlüssig ist. So werden direkt bei der Ouvertüre die Kriegswirren ins Lächerliche verkehrt, wenn die schwer bewaffneten Soldaten, nachdem sie Angst einflößend über die Bühne geschlichen sind, plötzlich in harmlose Menuettschritte verfallen. Auch dass Cornelia ihren Kopf in das Maul eines riesigen Krokodils legt, wenn sie sich nach Pompeos Ermordung den eigenen Tod herbeisehnt, lässt ihre Selbstmordabsicht nicht gerade ernst nehmen. Ob man Cleopatra in der von ihr inszenierten Theateraufführung für Cesare als Göttin der Tugend auf einer Rakete in den Schnürboden fliegen lässt, ist Geschmacksache. Zwar amüsiert es das Publikum - wie auch die 3-D-Brille, die Cesare vor der Vorführung von Nirena für dieses kleine Spektakel bekommt - verharmlost jedoch die Gewalt, die von diesen Raketen ausgeht, die im dritten Akt in der letzten Entscheidungsschlacht wie in aktuellen Kriegswirren auf die Bühne niederprasseln.

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Sesto (Philippe Jaroussky) schwört an der Leiche Achillas (Ruben Drole), für den Mord an seinem Vater Pompeo Rache zu nehmen.

Dabei bleiben Leiser und Caurier im Vergleich zu anderem Regietheater verhältnismäßig nah am Libretto und zeigen auch stimmige Ansätze. Cesare im EU-blauen Anzug mit einer Limousine mit einer großen Statue des römischen Herrschers auf dem Dachgepäckträger auf die Bühne fahren zu lassen, zeigt eine durchaus aktuelle Sicht auf den Machtmenschen Caesar. Dass Tolomeo in seiner Arie "L'empio, sleale, indegno" diese Statue in seine Einzelteile zerlegt, ihr sogar die Eingeweide herausreißt, führt zwar bei Teilen des Festspielpublikums zu empörten Unmutsbekundungen, ist aber keineswegs gegen das Libretto inszeniert, das Tolomeo als grausamen Tyrannen zeigt, der in dieser Arie seinen ganzen Zorn über den römischen Eindringling ausschüttet. Auch die zu spitzen Pyramiden geformten Ölfördertürme machen deutlich, wobei es der westlichen Welt bei der Befriedung außereuropäischer Völker im eigentlichen Sinn geht, wobei das Öl für Ägypten natürlich nur eine metaphorische Bedeutung hat.

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Noch wähnt sich Tolomeo (Christophe Dumaux) als Sieger über Cleopatra (Cecilia Bartoli).

Die Bühne von Christian Fenouillat ist recht abstrakt gehalten und ermöglicht schnellen Szenenwechsel innerhalb der einzelnen Akte. Dabei genügen ein einfacher brauner Ledersessel oder ein aus dem Bühnenboden hochgefahrenes Bett, um die jeweilige Szene in Cesares Feldherrenzelt oder in Cleopatras Schlafzimmer anzudeuten. Die Theaterszene im zweiten Akt lässt mit Prospekten, die einen hellblauen Himmel mit weißen Kumuluswolken  zeigen, einen Eindruck von Arkadien entstehen. Gelungen ist auch die Projektion der stürmischen See auf die Rückwand, der Cesare gewissermaßen im dritten Akt entsteigt. Die Kostüme von Agostino Cavalca sind recht modern gestaltet, ohne dabei auf die obligatorische Kleopatra-Perücke zu verzichten, die die Heroine bisweilen trägt. Dass sich Cleopatra verschleiert und mit Besen auftritt, wenn sie Cesare als mutmaßliche Dienerin Lydia entgegentritt, mag zwar mit dem Frauenbild im Nahen Osten spielen, passt allerdings nicht ganz zum gesungenen Text, in dem Cesare die Schönheit Lydias besingt. Schließlich kann er so viel ja gar nicht von ihr sehen.

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Das Blatt hat sich gewendet: Cleopatra (Cecilia Bartoli) und Cesare (Andreas Scholl) feiern mit Curio (Peter Kálmán) und Nirena (Jochen Kowalski) den Sieg.

Stimmlich wird ein Aufgebot an Stars präsentiert, das kaum zu übertreffen ist und durch Szenenapplaus nach nahezu jeder Arie, von der es aufgrund der fast ungekürzten Fassung viele gibt, sicherlich auch dazu führt, dass die Aufführung noch länger gerät als ursprünglich geplant. Andreas Scholl gibt stimmlich und darstellerisch eine überzeugende Titelfigur. Sein Countertenor besitzt in den Höhen enorme Durchschlagskraft und vermag auch in den tieferen Passagen mit großem Volumen zu überzeugen. Höhepunkt seiner Interpretation ist seine Arie "Aure, deh, per pietà" im dritten Akt, wenn er den Fluten des Meeres entkommen ist und seine Gedanken nur um die Geliebte Cleopatra und deren Schicksal kreisen. Christophe Dumaux stellt als Tolomeo einen kongenialen Gegenpart dar. Sein Countertenor ist etwas härter im Ansatz als Scholls und macht stimmlich die Unberechenbarkeit dieses grausamen Tyrannen mehr als deutlich. Auch darstellerisch beweist Dumaux große Ausdruckskraft und Beweglichkeit. Anne Sofie von Otter hebt sich als Cornelia mit weichem Mezzo von den übrigen Charakteren ab. Jochen Kowalski setzt als Kammerdienerin Nirena vor allem komödiantische Akzente und präsentiert die selten gespielte Arie "Chi perde un momento", in der Nirena Cesare auf die bevorstehende Theateraufführung vorbereitet und die in den meisten Inszenierungen den Strichen zum Opfer fällt, mit warmem Alt. Auch Peter Kálmán als Curio und Ruben Drole als Achilla begeistern jeweils mit kräftigem Bariton.

Wenn man in dieser hochkarätigen Sängerriege überhaupt noch von Stars des Abends sprechen kann, sind an dieser Stelle Philippe Jaroussky und Cecilia Bartoli zu nennen. Jarousskys Interpretation der Figur des Sesto gewinnt dieser Figur ganz neue Züge ab, indem er ihn aus der zarten, fast harmlosen Hosenrolle herauslöst. Voller Pathos lässt er diese Figur an seinem verzweifelten Wunsch nach Rache für den Mord an seinem Vater beinahe zerbrechen, bis er endlich im letzten Akt zum Vergeltungsschlag ausholen kann. Da verwundert es auch nicht, dass er noch traumatisiert auf dem Boden sitzen bleibt, während die anderen Figuren sich alle schon in Feierlaune befinden. Bei seinen zahlreichen Arien von einem Höhepunkt zu sprechen, ist müßig, da Jarousskys Stimme jede Arie zu einem Höhepunkt werden lässt, egal, ob er die Rache heraufbeschwört oder gemeinsam mit seiner Mutter sein Schicksal beklagt. Cecilia Bartoli, die neue künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele, beweist stimmlich und darstellerisch, dass ihr die Rolle der Cleopatra regelrecht auf den Leib geschrieben ist. So verwundert es nicht, dass sie dieses Werk an den Anfang ihrer Leitung der Pfingstfestspiele stellt. Zu Recht kann sie nach dieser Interpretation ganz im Sinne Cesares sagen: "Veni, vidi, vici". Das betrifft sowohl ihre Arie "V'adoro, pupille" zu Beginn des zweiten Akt, in der sie bei der Theatervorführung ihre Reize spielen lässt und Cesare verzaubert, als auch ihre Klage-Arie "Se pietà di me non senti" am Ende des zweiten Aktes, in der sie glaubt, dass Cesare in den Fluten ertrunken ist. Nicht enden wollenden Szenenapplaus gibt es auch im dritten Akt nach "Piangerò la sorte mia", in der sie gefesselt mit einem Beutel über dem Kopf ihr unerbittliches Schicksal beweint. Diese großartige Stimme ist gepaart mit einer unglaublichen Bühnenpräsenz, ohne sich dabei vor den anderen Solisten in den Mittelpunkt zu spielen.

Giovanni Antonini zeigt sich mit Il Giardino Armonico erneut als Meister des barocken Repertoires und rundet den Abend zu einem regelrechten Barockfeuerwerk ab, das die Pfingstfestspiele schon beinahe zu weiteren Händel-Festspielen werden lässt.

FAZIT

Musikalisch eine hervorragende Händel-Interpretation, die die Produktion schon deshalb empfehlenswert macht, weil sie das Werk nahezu ungekürzt und mit einer hervorragenden Sängerriege präsentiert. über kleine Unstimmigkeiten in der Regiearbeit lässt sich dabei leicht hinwegsehen. Diese Produktion wird bei den Festspielen im Sommer erneut zu erleben sein.

Weitere Rezensionen zu den Salzburger Pfingstfestspielen 2012

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giovanni Antonini

Inszenierung
Moshe Leiser / Patrice Caurier

Bühnenbild
Christian Fenouillat

Kostüme
Agostino Cavalca

Licht
Christophe Forey

Choreographie
Beate Vollack

Dramaturgie
Konrad Kuhn


 

Il Giardino Armonico

 

Solisten

Giulio Cesare
Andreas Scholl

Cleopatra
Cecilia Bartoli

Cornelia, Pompeos Witwe
Anne Sofie von Otter

Sesto, Pompeos und Cornelias Sohn
Philippe Jaroussky

Tolomeo, Cleopatras Bruder
Christophe Dumaux

Achilla, General und Tolomeos Berater
Ruben Drole

Nirena, Kammerdienerin
Jochen Kowalski

Curio, römischer Tribun
Peter Kálmán

Tänzer
Oliver Exner
Paul Hüttinger
David Laera
Michael Lef
Damien Liger
Raphael Spiegel
Mevlana van Vark
Ruben J. Wiethüchter

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Salzburger Pfingstfestspiele
(Homepage)



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