Bei Christian Thielemann wird Richard Strauss zum Ereignis, seine Frau ohne Schatten war zuletzt die Salzburger Festspieloffenbarung. Überraschend war das nicht. In Baden-Baden, wo die Salzburg verlassenden Berliner Philharmoniker ab 2013 Osterfestspiele bestreiten, während wiederum Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle in Salzburg die " Osterlücke" füllt, gab es unter Thielemann den Rosenkavalier (2009) und eine unerhörte Elektra mit den Münchner Philharmonikern.

Jetzt, nicht ironiefrei: Für Ariadne auf Naxos kam Thielemann nach Baden-Baden just mit seinem künftigen Orchester, der Sächsischen Staatskapelle, mit der er also ab 2013 in Salzburg mit Wagners Parsifal gegen Baden-Baden antreten wird. Wie auch immer: Das Prunkstück der "Winterfestspiele" in Baden-Baden war auch vokal reizvoll - vor allem wegen einer klug planenden und mit ihren Ressourcen haushaltende Sängerin wie Renée Fleming (sie hat am 25.4. im Wiener Musikverein einen Liederabend), die Thielemann auf hochdramatische Pfade lockte. Er trägt diese Stimme auf Händen, verführt sie zum technisch perfekten Verströmen und Erblühen und lässt dabei das Orchester dosiert immer in die gleiche Richtung strömen.

Die Feinheiten der Partitur

Thielemann steigt eben nicht nur in die Feinheiten der Partitur ein, er vermag seinen großen Bogen gleichsam auch schützend über die Stimmen zu spannen. Selbst der etwas wagnerversehrte Robert Dean Smith wurde zu einem Bacchus auf Augenhöhe: mit tadelloser Strahlkraft, deutlich und eingebettet in die geradezu perfekte kammermusikalische Strauss-Balance zwischen Graben und Bühne.

Auch Sophie Koch als schnell auf den Boden der Tatsachen landender Jungkomponist, der mit Unverwüstlichkeit gesegnete Eike Wilm Schulte als Musiklehrer und Jane Archibald als koloraturleichte Zerbinetta sorgen mit für das Eventniveau, um das es in Baden-Baden ganz unverhohlen geht. Dazu passt dann auch der mit reichlich Selbstbewusstsein haushofmeisternde René Kollo.

Konnte man in Baden-Baden beim Rosenkavalier und der Elektra auch bei den Inszenierungen noch mit den aufpolierten Herbert-Wernicke-Schmuckstücken aus Salzburg und München glänzen, lieferte jetzt Philippe Arlaud ein zwar neues, aber eher laues Arrangement. Schmerzfrei, bühnenfüllend und schön symmetrisch. Mit stilisierten Vorhangversatzstücken, großer Revuetreppe, stimmungsvoller Toteninsellandschaft im Hintergrund und dem unverbindlichen Kostümchic von Andrea Uhmann. Dass die Stühle gen Schnürboden entschweben, wenn sich Ariadne und Bacchus in höchsten Strauss-Sphären näherkommen, war ganz hübsch. Und funktionierte besser, als die bunten Luftballons, die Zerbinettas Truppe steigen ließ.

Aber wegen der Inszenierung war wohl eh kaum jemand angereist. Eher schon in der Hoffnung auf eine ordentliche Dosis Strauss-Glück. Und die gab es ja tatsächlich.  (Joachim Lange aus Baden Baden / DER STANDARD, Printausgabe, 1.3.2012)