Ein Hauch von Mörbisch: Serafins Paris-Premiere

(c) Opera National de Paris/Julien Benhamou
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„Lustige Witwe“. Der neue Danilo heißt Bo Skovhus, sein Vorgänger gibt nun den Mirko Zeta im Palais Garnier. Das vollzählig erschienene Operettenpublikum von Paris hält sichtlich an die französischsprachigen Übertitel.

Ein rasanter Cancan wird zum Finale getanzt. Das hat mit Franz Lehár nur insofern zu tun, als seine erfolgreichste Operette weder in Ungarn noch in Wien spielt, sondern in Paris. Irgendwie führt uns die „Lustige Witwe“ ja tatsächlich an die Wurzeln des Genres, denn die trippelnden Auftritte von Pariser Grisetten und die ironisch-distanzierten Anspielungen auf die Lebensart der Belle Époque reflektieren die ursprünglichen Bestandteile der Offenbachiaden in den Bouffes Parisiens. Nur, dass es im Theater an der Wien anno 1905 weniger frech zuging als ein halbes Jahrhundert zuvor im zweiten französischen Kaiserreich.

Auf die Schaufel genommen werden nicht mehr Napoleon III. samt Entourage, sondern die südosteuropäischen Expansionsbestrebungen der Donaumonarchie.

Das ist für die Franzosen nicht so interessant. Trotzdem spielen sie die „Lustige Witwe“ – seit 1909 auf Französisch und seit einiger Zeit sogar im Original, in den heiligen Hallen ihrer großen Oper.

Denn die Liebesgeschichte zwischen Hanna Glawari und Danilo Danilowitsch versteht man überall – und in jedem Ambiente, auch in Antonio Lagartos Art-déco-Dekors der Inszenierung von Jorge Lavelli. Es bedarf nicht mehr als einer tauglichen Besetzung. Mit Bo Skovhus hatte man – schon zur Premiere der deutschsprachigen Erstaufführung, 1997 – den längst auch in Wien erfolgreichen Maxim-Besucher par excellence parat. Am ersten Abend der Wiederaufnahme gab nun an Skovhus' Seite der lang gediente Parade-Danilo der Wiener Volksoper, Harald Serafin, den leicht vertrottelten „Landesvater per Prokura“, Mirko Zeta: Er bringt einen Hauch von Mörbisch ein, den Franz Mazura als ungemein distinguierter Njegus mit hinreißender Nonchalance wieder fortbläst – in Pointen, die im Palais Garnier wohl nur die österreichischen Zaungäste, darunter Botschafterin Ursula Plassnik, wirklich verstehen.

Das vollzählig erschienene Operettenpublikum von Paris hält sich während der Dialoge sichtlich an die französischsprachigen Übertitel – und vor allem an Lehárs Musik. Sie klingt unter Asher Fish herrlich farbenprächtig, wenn auch oft unwienerisch schleppend, was den Sängern nicht immer angenehm ist, weder der für die erkrankte Susan Graham eingesprungenen Christine Dietzsch-Carvin noch dem an sich wohltönenden Sekundantenpaar Anna Maria Labin und Daniel Behle, der gleichwohl edle Tenortöne hören lässt.

Zuletzt siegt – nach stattgehabter Versöhnung der streitbaren Liebenden – dann doch höchst pariserisch das Ballett.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2012)

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