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Opulente, imposante Spiegelbilder (von links): Bejun Mehta als Telemaco, Anett Fritsch als Merione, Alexandrina Pendatchanska als Circe und Valentina Farcas als Asteria.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Es gelingen ihm mithilfe der Ausstattung indes markante Bilder.

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Wien - Das imposante Bühnenbild wirkt, als wollte Theater-an-der-Wien-Intendant Roland Geyer präventiv schon einmal üben - für seinen Job als Chef der Bregenzer Festspiele, den er nun allerdings doch nicht antreten wird: Circes Insel, von der alle griechischen Helden um den Überhelden Ulysses nur flüchten wollen, ist eine drehbare, hebbare, kreisförmige Plattform, ein schwankender Schauplatz der nicht enden wollenden Wehklage. Eine Konfliktzone auch, die den todtraurigen Figuren in Christoph Willibald Glucks Telemaco keinen äußeren Halt, keine Sicherheit bietet. Wäre diese Idee (Bühnenbild: Vasilis Triantafillopoulos und Herbert Schäfer) für sich schon recht effektvoll, schwebt über ihr auch noch ein spiegelartiger Zwilling, der die Vorgänge da unten, also all die sich leidend windenden Menschen- und Nymphenmassen, wirkungsvoll verdoppelt also auch transparent macht. Mit solch einem Bühnenbild könnte man - natürlich bei entsprechender Vergrößerung der Dimensionen - also in jedem Fall auch die Seefestspiele in Bregenz glücklich machen. Und erst recht hat man mit dieser Konstruktion in einem recht kleinen Theater für die szenischen Ideen ein verlässliches Sicherheitsnetz, das auch der dürftigsten Eingebung eine gewisse Mindestwirkung verleiht und vor dem Absturz ins Belanglose bewahrt.

Szenische Energie

Ist bisweilen auch bitter nötig: Regisseur Torsten Fischer lenkt die Massen (wunderbar der Arnold Schoenberg Chor) die meiste Zeit eher nur mit plakativer Routine. Es müssen die Krieger vermummt mit Gewehren herumdrohen, da werden Fäuste geballt, oder man wälzt sich in Zeitlupe qualvoll auf dem Boden. Überzeugende szenische Energie erbringt das nie, es scheint eher nur der Vermeidung von totalem Bühnenstillstand zu dienen.

Nun ist man bei Telemaco nicht nur angehalten, kollektives Leiden und Fürchten zu organisieren. Die Oper bietet quasi auch kammerspielartige Momente der Interaktion. Abermals - dem Bühnenbild sei Dank - wird es nicht zum Problem, dass auch hier Regiedienst nach Vorschrift herrscht: Vor die flexible Plattform und ihre Spiegelung senkt sich (nahe an der Rampe) bisweilen eine Wand, die in ihrer weißen Klarheit und räumlichen Verengungswirkung die Figurenenergie verstärkt.So wird also Telemacos (intensiv Bejun Mehta) Versuch einer Heimholung des Vaters (solide Rainer Trost als Ulisse) ebenso szenische Dichte zuteil wie auch jenen Versuchen des Vater- und Muttersöhnchens Telemaco (Anna Franziska Srna ist als Penelope/ Oracolo fast immer stumme Zeugin der Ereignisse), sich von Papa handgreiflich zu emanzipieren. So passiert es: Eine nicht gerade originelle Personenführung geht elegant im Bühnenbild auf und wird zum Element starker Schwarz-Weiß-Bilder, die hernach denn auch herzlich bejubelt wurden.

Ruppige Rufzeichen

Zudem die Musik: Valentina Farcas (als Asteria) glänzt mit Durchhaltevermögen wie Klarheit, und Anett Fritsch (als Merione) liefert die überzeugendste und ausgewogenste, da auch klangvolle vokale Leistung des Abends. Bei Alexandrina Pendatchanska (als Circe) konnte man Hingabe und Intensität bewundern, allerdings nicht überhören, dass sie von ihrer Partie an gewisse Grenzen gezerrt wurde.

Dirigent René Jacobs und die Akademie für Alte Musik Berlin kosten zudem zumindest sachkundig alle Möglichkeiten der ruppigen, dramatischen Setzung von Rufzeichen aus. Das belebte auch die szenischen Vorgänge, was im Detail ja auch dringend notwendig war. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD - Printausgabe, 21. Februar 2012)