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Erdenschwer zum jungen Gott

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Die Mühe des ersten Mals: "Ariadne auf Naxos" mit Renée Fleming und Christian Thielemann in Baden-Baden

Eine ernste Oper, eingeklemmt zwischen Galadinner und Feuerwerk als nebenbei genossenes Neureichen-Plaisir, von diesen "bestellt, bezahlt" und nunmehr ihnen "serviert": Wo bitte ließe sich "Ariadne auf Naxos", dieses hohe Sangeskunst und niedrige Komödie bildungsbürgerlich augenzwinkernd verhandelndes und deshalb heute so zwittrig anmutendes Problemkind von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, stimmiger aufführen als im pompösen Festspielhaus der Russen- und Kurmetropole Baden-Baden? Zudem mit einer glamourösen Diva als Debütantin in der Titelrolle und einem (bei "Ariadne" ebenfalls jungfräulichen) Superstar-Maestro am Pult - und das vor laufenden DVD-Kameras.

Kein Wunder, dass bei einem solchen De-Luxe-Angebot die "wüste Insel" keine Chance hatte, jenes Eiland, auf der sich die merkwürdige Handlung eigentlich abspielen soll: Die von Theseus schmählich im Stich gelassene Kreterprinzessin Ariadne wartet auf den Todesgott, muss sich aber erst der vom ignoranten Auftraggeber ebenfalls dorthin verbrachten, dauerlustigen Zerbinetta zwangsbespaßen lassen, um am Ende in den Armen des "seligen Knaben" Bacchus zu landen und das "Geheimnis des Lebens" enthüllt zu bekommen.

Doch anders als bei den vorangegangen Strauss-Schaumbädern mit "Rosenkavalier" und Elektra", die Christian Thielemann vor Ort exzellent quirlte, ging diesmal die Kalkulation nicht ganz auf: Diese "Ariadne" war in der Endabrechnung längst nicht so, wie die Summe ihrer Einzelteile es versprochen hätte. Die Griechenprinzessin bleibt gipsern und rührt nicht. Was wieder einmal vor allem an dem banalen, geistlosen szenischen Arrangement (von einer Inszenierung mag man nicht sprechen) Philippe Arlauds liegt. Die Variation einer Produktion aus Genua, Athen und Orvieto gibt sich geschmacksneutral zwischen weißen Wellpappen und Stufen, zeigt noch nicht einmal, was im Libretto steht und bewegt ihre Protagonisten wie isolierte Versatzstücke. Das Vorspiel wird so zu einer langweiligen Ansammlung alter Theaterwitze, in der außer der bewährten Charge Eike Wilm Schulte als prägnanter Musiklehrer keiner recht bei sich ist, auch nicht der grämlich schnöselige Haushofmeister René Kollos.

Sophie Koch als idealistisch für seine Kunstmission brennender Komponist, der erfahren muss, dass seinem Werk von Ignoranten Gewalt angetan wird, scheint sich gegenwärtig an ihren Münchner Frickas übersungen zu haben. Erst sehr spät zur sowieso nur knapp probenden Baden-Badener Besetzung hinzugestoßen, singt sie viele gepresste, nur mit Mühe erreichte Töne. Und auch Renée Fleming, sicherlich die beste, edelstimmigste Strauss-Sängerin der vergangenen 20 Jahre, scheint in der neuen Rolle noch nicht wirklich zu Hause. Im Vorspiel ist sie überhaupt keine selbstironisch komische Primadonna, in der Oper in der Oper gibt sie sich in schwarzer Robe über rotem Seidenkleid lange Zeit sehr konzertant.

Wenn sie dann freilich von einem muskulösen, im roten Ariadnefaden verfangenen Minotaurus auf einer goldenen Tagesdecke hereingeschleift wird, um endlich zwar nicht dem von Zerbinetta besungenen "jungen Gott" zu begegnen, doch einem sich achtbar in die unbequem zwickenden Tenorhöhen des Bacchus vorarbeitenden Robert Dean Smith, dann scheint endlich Strauss-Schimmer auf, versilbert sie das nicht enden wollende Duettfinale mit schwebenden Legatobögen. Was wiederum durch die Regie ruiniert wird, die jetzt statt Sternen Arne Jacobsens Stuhlklassiker 3107 im Duzend gen Himmel fliegen lässt.

In den großen Ariadne-Monologen, die die Fleming mit Thielemann noch vor vier Jahren so exemplarisch aufgenommen hat, war freilich viel Kalkulation, deutlich zurechtgelegter Arienbauplan hörbar. Wo die Sängerin auf ihrer jüngsten Decca-CD mit zeitgenössischen Orchesterlied-Zyklen von Ravel, Messiaen und Dutillieux die Stimme entspannt und fein fluten lässt, im Französischen fast zu fliegen anhebt, da wirkt jetzt die Ariadne unfrei.

Was auch an Thielemann liegen mag, der erstmals seit seiner Berufung als Musikdirektor mit der Dresdner Staatskapelle Oper aufführt. Das Orchester beherrscht das Werk im Traum, auch wenn es manchmal an der Koordination mangelt, man sich gemeinsam durch die Partitur tastet, erdenschwer bleibt. Der sonst so versierte Operndirigent lässt überdeutlich alle zu sehr an seinem Stab kleben, erlaubt kaum Freiraum. Die so in ein Taktgefängnis gesperrte "Ariadne" ist Thielemann nahe, wenn sie walzerselig und robust wird, wenn das kleine, wunderbar ökonomisch eingesetzte Orchester Laut gibt. Doch das zärtlich diffundierende, alles zusammenhaltende Wellengekräusel, das Kunstdiskurs und Opera-seria-Attitüde vereint, könnte noch sinnstiftender moussieren.

Besonders zu leiden unter dem autoritären Zeigeführer hat die diesmal gar nicht koloraturgiggelne Zerbinetta Jane Archibalds. Die bleibt ein Strauss-Schnittmuster, wo sie in anderen Produktionen längst quecksilber-flittrige Individualität entwickelt. Nur teuer zusammengekauft, muss nicht automatisch Spitze sein. In Baden-Baden war das zu hören und zu sehen.

Termine: 22., 25. Februar (zeitversetzt auch auf 3sat). Unterstützt vom FHBB

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