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Teatro Massimo in Palermo Mafia und Hollywood – Siziliens Opernjuwel

Es ist das größte Opernhaus Italiens, mit bewegter Geschichte zwischen Historismus und Hollywood: Das Teatro Massimo in Palermo auf Sizilien. Gefällt nicht nur dem Paten, sondern auch Dirigent Riccardo Muti. Wobei der aktuell andere Sorgen hat.

teatro massimo palermo  sizilien | Bildquelle: picture alliance / Bildagentur-online/Schickert | Bildagentur-online/Schickert

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Zum Auftakt ein Rückblick: "Non vi lasciamo senza musica", "Wir lassen euch nicht ohne Musik zurück" – dieses Versprechen gibt das Teatro Massimo in Palermo im Winter 2020/21 seinem Opernpublikum. Zu lesen auf einem riesigen weißen Banner über der berühmten Treppe des Hauptportals. Im ersten Krisenwinter der Pandemie hat alles zu: Neben dem Opernhaus sämtliche Bars, Hotels und Restaurants, die Straßen sind menschenleer, die quirlige Großstadt ist gespenstisch still. Nicht einmal auf der Parkbank ist das Sitzen erlaubt, um mitgebrachtes Essen zu verzehren. Aber das Teatro Massimo mit seinem musikalischen Direktor Omer Meir Wellber stellt ein Pasticcio aus fünf Jahrhunderten Musikgeschichte auf die Beine. "Il crepuscolo dei sogni" heißt es, "Traumdämmerung". 30.000 Menschen verfolgen die Premiere damals im Livestream. 

Ein Musiktempel wie geschaffen für Hollywood

Jetzt, Ende Oktober 2023, ist das Leben längst zurückgekehrt. Rund ums Theater an der Piazza Giuseppe Verdi füllen sich die Restaurants und Bistros, die Außenplätze zuerst, denn es hat um sieben Uhr abends noch 25 Grad. Bei Einbruch der Dunkelheit tauchen Straßenlaternen den glanzvollen Musiktempel und die zwei riesigen bronzenen Löwen, die die Freitreppe flankieren, in warmes, gelbes Licht.

pate teil 3 oper  | Bildquelle: picture alliance/United Archives | United Archives / kpa Publicity Szene aus "Der Pate, Teil III" | Bildquelle: picture alliance/United Archives | United Archives / kpa Publicity Filmfreunde kennen das Haus fast bis in den letzten Winkel: Francis Ford Coppola lässt eine große Szene im dritten Teil des "Paten" dort spielen. Großartig und sehr musikalisch komponiert ist das: Auf der Bühne gibt Michael Corleones Sohn Anthony sein Operndebüt als Turiddu in Pietro Mascagnis "Cavalleria Rusticana", und in den Logen und Gängen kämpft Familie Corleone gegen einen sizilianischen Auftragsmörder – mit Schusswaffen, Messern und vergifteten Cannoli, dem sizilianischen Nationalgebäck: Mit Ricotta und Sahne gefüllte süße Röllchen. 

Geschichte mit Mafia-Schatten

teatro massimo palermo  | Bildquelle: picture alliance / Bildagentur-online/Schickert | Bildagentur-online/Schickert Das Teatro Massimo am Abend | Bildquelle: picture alliance / Bildagentur-online/Schickert | Bildagentur-online/Schickert 1990 ist der Film in die Kinos gekommen. Da war das Teatro Massimo schon 16 Jahre geschlossen. Treppenhaus und Bühne mussten für die Dreharbeiten zumindest filmtauglich restauriert werden. 1974 hatte die Cosa Nostra, der sizilianische Zweig der Mafia, das heruntergekommene Haus schließen lassen – und sich mit der anschließenden Sanierung eine goldene Nase verdient. Millionen flossen damals in dunkle Kanäle, umgebaut oder restauriert wurde lange Zeit nichts. Spätestens 1992 bringen die zwei tödlichen Bombenattentate auf die Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino die Politik und die Bevölkerung zum Umdenken. Und fünf Jahre später wird das frisch sanierte Opernhaus zum Symbol der kulturellen und gesellschaftlichen Wiedergeburt. Dieser "Palermitaner Frühling" ("Primavera palermitana") hat auch einen (Politiker-)Namen: Leoluca Orlando, bis Juni 2022 der unerschrockene, kunstsinnige und musikbegeisterte Bürgermeister von Palermo, der, nach Eigenauskunft, "bestimmt zwanzigmal pro Spielzeit" in die Oper geht.

Das größte Opernhaus Italiens

Die Wiederauferstehung des Teatro Massimo im Jahr 1997 war natürlich wohl bedacht: Im Mai 1897 war das Haus mit Verdis "Falstaff" eröffnet worden, 100 Jahre später leitet Claudio Abbado den "Nabucco" von Giuseppe Verdi, jenem Nationalheiligen der Klassischen Musik – der, wie in so vielen Städten, auch Namenspatron dieses Platzes ist. Mit seinen 7.700 Quadratmetern Fläche ist das Teatro Massimo Italiens größtes Opernhaus. Erbaut worden ist es zwischen 1875 und 1897 von zwei Palermitanern: Vater und Sohn Basile. Der Zuschauersaal fasste einst über 3.000 Zuschauer, jetzt finden dort 1.300 Menschen Platz.

Nahende Premiere: Don Giovanni unter Riccardo Muti

Nicht ganz 1.300 Menschen standen am Dienstagabend auf der Piazza Giuseppe Verdi vor dem Teatro Massimo, denn für den Abend war die Premiere einer Neuinszenierung von Mozarts "Don Giovanni" angekündigt – als kleines Familienunternehmen: Leitung Riccardo Muti und Regie Chiara Muti, die Tochter. Viele Opernfreunde hatten sich auf Verdacht in Schale geworfen, denn seit Montag kursierte das Gerücht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses würden sich dem Generalstreik anschließen, den die Gewerkschaft für das ganz Italien ausgerufen hatte. Eine Reaktion auf die Kürzungen im Kulturetat, die noch auf den inzwischen verstorbenen Silvio Berlusconi zurückgehen.

Die Rettung: Riccardo Muti begleitet am Klavier?

Riccardo Muti, Wiener Philharmoniker, Konzertvereinigung Wiener | Bildquelle: SF/Marco Borrelli Spielte auch schon mal Klavier, um eine Aufführung zu retten: Dirigent Riccardo Muti | Bildquelle: SF/Marco Borrelli Die Website des Teatro Massimo hielt sich bis zum geplanten Beginn der Oper bedeckt, sprach nur davon, dass man eine Aufführung "nicht garantieren" könne. Zwischendurch war zu hören, Riccardo Muti wolle die Premiere auf alle Fälle retten – eventuell dadurch, dass er, was er schon einmal gemacht hat, mit den Sängerinnen und Sängern eine Kurzversion bieten würde, mit ihm am Klavier. Angeblich hatte er auch am Nachmittag hinter verschlossenen Türen geübt. Die Palermitaner, so war nachher zu erfahren, konnten die Absage in der Zeitung lesen, die Abonnenten wurden per Mail informiert. Und so fanden sich die nicht offiziell auf den neuesten Stand gebrachten Touristen unter ihresgleichen wieder, konnten sogar ein Programmheft kaufen, besuchten die Loge, in der Don Altobello im dritten Teil des "Paten" sein Leben aushaucht – und wurden dann, nach einer Durchsage, die Vorstellung müsse leider ausfallen, nach ein paar Minuten wieder ins Freie in einen wunderbar lauen Oktoberabend entlassen. Man wollte die weitgereisten Opernfans wohl ein wenig versöhnen, indem man sie ein bisschen am Flair schnuppern ließ. 

Die Kunst erhält dem Volk das Leben
Widmung über dem Portikus am Teatro Massimo

Bleibt für alle, neben der Enttäuschung für einen entgangenen Opernbesuch, die Widmung, die Palermos Teatro Massimo dem Besucher über seinem wuchtigen Portikus präsentiert: L’arte rinnova i populi e ne rivela la vita. Vano delle scene il diletto ove non miri a preparar l’avvenire. Die Kunst erneuert die Völker und erhält ihnen das Leben. Vergebens alles Vergnügen auf der Bühne, wenn es nicht auf die Gestaltung der Zukunft zielt.

Sendung: "Allegro" am 26. Oktober 2023, um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Donnerstag, 26.Oktober, 22:08 Uhr

Claudia Fischbach

Mafia und Hollywood - Siziliens Opernjuwel

Grossartig wie Herr Atzinger die Historie, den Rückblick auf die vergangenen Jahre und die aktuelle Problematik für Ricardo Muti und seine Tochter beschreibt.
Vielen Dank

Donnerstag, 26.Oktober, 17:58 Uhr

Medi Gasteiner

Don Giovanni

Vielen Dank für den interessanten Artikel, wir sind mit 20 Gästen für PALCO REALE am 31.10. im Don Giovanni, Muti macht für die ausgefallene Premiere nun noch Sondervorstellung extra am 29. Grazie!?

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