DER ROSENKAVALIER
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Strauss-Portal

Staatsoper
27. März 2024

Dirigent: Axel Kober



Feldmarschallin - Julia Kleiter
Baron Ochs -
Christof Fischesser
Octavian -
Michèle Losier
Faninal - Adrian Eröd
Sophie -
Slávka Zámecníková
Leitmetzerin - Regine Hangler
Valzacchi -
Norbert Ernst
Annina -
Monika Bohinec
Polizeikommissar - Wolfgang Bankl
Haushofmeister bei der
Feldmarschallin - Wolfram Igor Derntl
Haushofmeister bei
Faninal - Lukas Schmidt
Notar - Marcus Pelz
Sänger- Angel Romero
Eine adelige Witwe - Elisabeth van der Vloedt
Drei adelige Waisen - Irene Hofman,
Maria Gusenleitner
, Sabine Kogler
Modistin -
Daria Kolisan
Tierhändler - Thomas Köber
Wirt -
Jörg Schneider
Vier Lakaien: Daniel Lökös, Franz Gruber,
Konrad Huber, Hermann Thyringer
Vier Kellner - Juraj Kuchar, Jin Hun Lee,
Jinxin Chen, Slaven Abazovic
Leopold - Jaroslav Pehal
Hausknecht - Wataru Sano
Ein kleiner Mohr - Matteo Haudek


Ein Loblied auf die Feldmarschallin
(Dominik Troger)

Zu einem Staatsopern-„Rosenkavalier“ geht man wie in sein Stammcafé. Man schlürft die melancholische Nostalgie, die aus dem Orchestergraben und von der Bühne aufsteigt wie eine Tasse beschlagoberste Heiße Schokolade, und freut sich beruhigt und glücklich, dass die leicht ausgebleichten Tapeten immer noch so wie vor fünfzig Jahren an der Wand hängen.

Wurde laut Programmzettel an diesem Abend nicht die 398. Aufführung in dieser Inszenierung von Otto Schenk gegeben, die dem Publikum in den Bühnenbildern von Rudolf Heinrich und in den Kostümen von Erni Kniepert einen „werkgetreuen“ Ausflug ins 18. Jahrhundert ermöglicht? Schön, wenn man dann noch einer Feldmarschallin wie Julia Kleiter begegnet, die sich ihre Rolle so verinnerlicht hat, dass man das „Rieseln“ der verstreichenden Zeit nicht nur in ihrer, sondern auch in der eigenen Seele zu spüren vermeint. Zwar steigt ab einem gewissen Alter die „Prädisposition“ für solche Empfindungen – und man muss natürlich auch mögen, was Strauss und Hofmannsthal beim „Rosenkavalier“ mit leicht kitschigem Unterton koproduziert haben – aber gibt es nicht Abschiede, die für immer sind?

Der Abschied der Feldmarschallin erträgt sich dennoch leichter, weil er dem Glück der Jugend die Bahn bricht – und weil sie selbst noch nicht so alt ist, als dass man sich bei ihr nicht mit einer leichten Koketterie über die Endlichkeit von Liebe und Leben hinwegtrösten könnte. Die Feldmarschallin handelt außerdem sehr moralisch, wird sich in Hinkunft der Betreuung älterer Verwandter widmen, viel in die Kirche gehen, und Sophie hilfreiche Tipps geben, wenn sich deren stürmische Beziehung zu Octavian die ersten „Liebeshörner“ abgestoßen hat.

Man konnte fühlen, wie ernst es dieser Feldmarschallin mit ihrem „neuen“ Leben war, die Julia Kleiter auf die Staatsopernbühne stellte, ohne dass sie dabei aber in Schwermut verfallen wäre. Sie hat im ersten Aufzug sehr stimmig herausgearbeitet wie ein geradezu naiver Gottesglaube die Melancholie der Feldmarschalin aufhellt, wie ihr dadurch Aufgabe und Kraft zuwachsen. Wahrscheinlich braucht die Feldmarschallin diesen Zug ins Naive, damit man sie ganz lieb haben kann – wie es Octavian verzückt formulieren würde.

Kleiters Rollenporträt pflegt diesen naiven, lyrischen Zug, der sehr gut zu ihrer Stimme passt, der die Staatsoper manchmal aber doch eine Spur zu groß ist, etwa wenn man im Finale des dritten Aktes etwas mehr Nachdruck erwarten würde. Doch die Sängerin hat sich die emotionalen Regungen des Straussschen Parlando so stark verinnerlicht, dass sich die Aufmerksamkeit wie von selbst einstellt: Prägnant in Spiel und Gesang hat sie diese Figur bis in die „Fingerspitzen“ detailreich und geschmeidig durchgestaltet. Von der Liebe Überschwang bis zur Melancholie des Verzichtes malte sie ein bewegendes Porträt der Feldmarschallin, gerahmt durch die Contenance ihres Standes.

Ganz anders der in seiner Wirkung zu eindimensionale Ochs von Christof Fischesser: Im Gespräch mit der Marschallin im ersten Aufzug war der Unterschied frappant. Während Kleiter mit einer kleinen Geste, mit einem Wort, alles auf den Punkt brachte, schien sich für Fischesser der Charakter des Ochs in der sprudelnden Konversation zu verflüchtigen. Das pointierte, schmähbehaftete Changieren zwischen Standesbewusstsein und Provinzialität, in dem sich der Ochs nach Sachlage dreht und wendet, um das Beste für sich und seine erotischen Gelüste herauszuholen, wirkte auf mich oberflächlich und wenig authentisch. Außerdem hätte eine profundere gesangliche Tiefe manchen Effekt und Eindruck verstärkt.

Slávka Zámecníková gab die Sophie mit leicht zerbinettakeckem Sopran und ziemlich selbstbewusst. Sie war eine gute, aber keine sinnliche Sophie, ist ihre Stimme doch eher kühl timbriert. Michèle Losier war für Christina Bock als Octavian eingesprungen. Ihr zeitweise etwas unsteter Mezzo klang mir zu nüchtern, verströmte nicht mehr diesen verschwenderischen Enthusiasmus, mit dem Octavian seine Liebe(n) erlebt. Im Spiel wusste sie die Figur gut zu vermitteln. Ihr Mariandl war ein bisschen „zugereist“, aber das war auch der Ochs. (Für die letzte Aufführung der Serie wird auf der Staatsopernhomepage Angela Brower anstelle von Christina Bock als Octavian angekündigt.)

Das „Wienerische“ lebte wie oft in den Nebenrollen auf: beim Wirten des Jörg Schneider oder dem Polizeikommissar von Wolfgang Bankl oder dem Faninal des Adrian Eröd, der im zweiten Aufzug mit seinem Wutausbruch nach meinem Eindruck für mehr Spannung sorgte, als der Ochs den ganzen Akt lang. Dazu gesellten sich noch die erprobte Annina der Monika Bohinec und ein an diesem Abend mit etwas trockener Stimme agierender Valzacchi (Norbert Ernst). Unüberhörbar in all dem Nebenrollengewurle war der Tenor von Angel Romero mit outrierendem Forte, der seiner kurzen Einlage humorvolle Züge abgewann.

Das Orchester unter Axel Kober sorgte für einen „mitgeatmeten“ Strauss, mit manchmal fast schon zu gemächlichem Tempo. Nach einem klanglich zu robusten Beginn wurde der Übergang zur liebesnächtlichen Morgenstimmung sehr schön empfunden. Bei diesen „Stimmungsmalerein“ lag die Stärke des Aufführung. Das Ergebnis war ein ansprechender Repertoireabend, den eine beispielgebende Feldmarschallin stark aufgewertet hat.

Der Schlussapplaus kam auf eine Länge von rund sieben Minuten. Die Abwesenheit des Stammpublikums kann man inzwischen am Beifall deutlich hören: jüngeres, oft auch touristisches Publikum ruft ein grelles „(w)u-u-u“ und kein sattes „Bravo,“ „Brava“ oder „Bravi“. Der Beifall wird derart mehr zur Show. Aber es wird ja auch in die Aktschlüsse regelmäßig hineingeklatscht.