Auf Entdeckungsreise zu Wolfgang Fortners »In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa« an der Oper Frankfurt

In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa ~ Oper Frankfurt ~ Don Perlimplín (Sebastian Geyer) und Belisa (Karolina Bengtsson) ~ © Barbara Aumüller (szenenfoto.de)
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Schon der Titel der Oper lockt an: In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa. Er impliziert eine heitere Geschichte. Doch was als Komödie beginnt, ein älterer Mann liebt eine junge Frau, entwickelt sich zu einem Drama. Wolfgang Fortner (1907–1987) komponierte nach der gleichnamigen Theatervorlage des spanischen Dichters Federico García Lorca (1898 – 1936; bekannt durch seine Dramen Bluthochzeit und Bernarda Albas Haus) „Vier Bilder eines erotischen Bilderbogens in der Art eines Kammerspiels“.

Nach der Uraufführung 1962 bei den Schwetzinger Festspielen (Kompositionsauftrag des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart für die Schwetzinger Festspiele 1962) konnte sich die Oper nicht im Repertoire etablieren. Das in vielerlei Hinsicht besondere Werk zeigt die Oper Frankfurt jetzt in einer aufwendigen und subtilen Inszenierung von Dorothea Kirschbaum in der Außenspielstätte Bockenheimer Depot (als Frankfurter Erstaufführung).

In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa
Oper Frankfurt
Don Perlimplín (Sebastian Geyer) und Marcolfa (Karolina Makuła )
© Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Liebe und unterdrückte Gefühle

Vordergründig handeln Theaterstück und Oper von der Liebe. Doch diese ist komplex und hat viele Facetten. Das sich der ältere Herr Don Perlimplin in eine junge Frau verliebt und sie heiratet, ist nichts Ungewöhnliches. Dass er sich aber dann ihretwegen umbringt, irritiert zunächst. Allerdings spielt hier die Homosexualität von Lorca und auch von Fortner eine nicht zu unterschätzende Rolle. Homosexualität war zur damaligen Zeiten nicht nur mit einem großen Stigma behaftet, sie war schlichtweg verboten (der berüchtigte § 175 des deutschen Strafgesetzbuches wurde erst 1994 vollständig abgeschafft). Im Kern geht es um nicht ausgelebte Sehnsüchte, um unterdrückte Gefühle und deren fatale Folgen.

In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa
Oper Frankfurt
Don Perlimplín (Sebastian Geyer) und Belisas Mutter (Anna Nekhames)
© Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Große Bühne für diese „Kammeroper“

Das als Kammeroper mit kleiner Besetzung ausgelegte Werk, erhält durch die Oper Frankfurt eine große Bühne. Diese wartet für das Haus und den Garten von Don Perlimplin mit großen Objekten und Skulpturen auf. Deren geschwungenen und fließenden Formen wecken Assoziationen zu Körperteilen (wie Knorpel oder Wirbeln). Die Szenerie weist auf den spanischen Surrealisten Salvatore Dali und dessen Bezug zur Welt des Unterbewusstseins. Die Skulpturen dienen den Figuren als Rückzugs- und Schutzraum. Am Ende zerbricht diese Welt ganz offensichtlich (Bühnenbild: Christoph Fischer).

Neben den vier Hauptfiguren gibt es zwei Hausgeister (die Koboldchen Idil Kutay und Ursula Hensges) und fünf Tänzer:innen. (Luciano Baptiste, Guillermo de la Chica López, Rouven Pabst, Evie Poaros und Mar Sánchez Cisneros). Sie fügen dem Geschehen eine weitere Ebene zu (Choreografie: Gal Fefferman). Henriette Hübschmanns Kostüme charakterisieren die Figuren treffsicher.

In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa
Oper Frankfurt
Belisa (Karolina Bengtsson; rechts sitzend) sowie vorne das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit Dirigent Takeshi Moriuchi
© Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Großes Orchester für das zwölftöniges Kammerspiel

Groß ist auch die Besetzung des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters (Musikalische Leitung: Studienleiter Takeshi Moriuchi), das mit zahlreichen nicht alltäglichen Instrumenten beteiligt ist. Die Musik mit ihrem Zwölftontechnik-Charakter ist nicht eingängig. Gleichwohl ist die Ausdrucksbreite groß. Dabei ist jedes der vier Bilder anders charakterisiert (lyrisches Scherzo, Nachtstück, Duett und Serenade). Partien in strenger Form wechseln sich mit freien formalen Improvisationen ab.
Die Stimmen eines Vokalensembles werden zugespielt.

Bariton Sebastian Geyer gestaltet die anspruchsvolle Partie des Don Perlimplín stilsicher und ausdrucksstark. Sopranistin Karolina Bengtsson gibt die sich vor Sehnsucht verzehrende liebestolle Belisa hingebungsvoll und zeigt am Ende mit einem lautstarken Abgang, dass Belisa innerlich gereift ist. Die sich sorgende und Dons Nähe suchende Haushälterin Marcolfa verkörpert Mezzosopranistin Karolina Makuła mit vornehmer Attitüde. Als Belisas Mutter und scheinbar schwarze Witwe sorgt Sopranistin Anna Nekhames für heitere Augenblicke.

Markus Gründig, März 24


In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa

Vier Bilder eines erotischen Bilderbogens in der Art eines Kammerspiels

Von: Wolfgang Fortner 1907–1987
Text von: Federico García Lorca

Uraufführung: 10. Mai 1962 (Schwetzingen, Schlosstheater)
Premiere/Frankfurter Erstaufführung an der Oper Frankfurt: Freitag, 22. März 24 (Bockenheimer Depot)
Besuchte Vorstellung: 24. März 24

Musikalische Leitung: Takeshi Moriuchi
Inszenierung: Dorothea Kirschbaum
Bühnenbild: Christoph Fischer
Kostüme: Henriette Hübschmann
Choreografie: Gal Fefferman
Licht: Jonathan Pickers
Dramaturgie: Konrad Kuhn

Besetzung:

Don Perlimplín: Sebastian Geyer
Belisa: Karolina Bengtsson
Marcolfa: Karolina Makuła
Belisas Mutter: Anna Nekhames

1. Koboldchen: Idil Kutay°
2. Koboldchen: Ursula Hensges
Tänzer*innen: Guillermo de la Chica López / Rouven Pabst / Evie Poaros / Mar Sánchez Cisneros / Luciano Baptiste
Cembalistin: Anne Larlee

Vokalensemble
Frankfurter Opern- und Museumsorchester


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