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„Elektra“ in Baden-Baden – Wort für Wort

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Man weiß immer, wo man gerade ist: Die Schwestern haben die Nachricht erhalten, dass Orest tot sei, „von seinen Pferden erschlagen und geschleift“. Monika Rittershaus
Man weiß immer, wo man gerade ist: Die Schwestern haben die Nachricht erhalten, dass Orest tot sei, „von seinen Pferden erschlagen und geschleift“. Monika Rittershaus ©  Monika Rittershaus

Eine Festspiel-„Elektra“ in Baden-Baden: Stölzl buchstabiert, Petrenko zaubert.

Groß, aber nicht grell und schon gar nicht vordergründig gestaltet Kirill Petrenko mit den Berliner Philharmonikern die „Elektra“ von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal im Festspielhaus Baden-Baden. Das Sinfonische und wider Erwarten auch Sämige, Anschmiegsame der Musik kommt zur Geltung - nicht zuletzt dank der sensationellen Berliner Bläser –, das Schroffe und 1909 bis ins Mark Schockierende tritt einen Schritt zurück. Ein echter Festspielabend.

Das macht auch das prächtige, mächtige Frauentrio, eine Art Gipfeltreffen großer, erfahrener Stimmen mit ganz unterschiedlichen Temperaturen: Nina Stemme als Titelfigur, deren auffahrender Sopran lediglich in den höchsten Höhen (das heißt zwei Mal) dem Druck nur mit Mühe standhalten kann, Elza van den Heever als zutiefst lyrische, weiterhin erstaunlich jugendlich klingende Chrysothemis und Michaela Schuster als markante, immer noch sehr starke Klytämnestra. Ein Kräftemessen ebenbürtiger Stimmen, auch wenn die Kostüme von Kathi Maurer traditionalistisch vorgehen: Chrysothemis im Kleid für die braven Mädchen, Elektra in extravagantem Rupfen und mit knallrotem Haarteil.

Die Männer bleiben nicht nur in der Wucht der Ereignisse dahinter zurück, Johan Reuters Orest ist an diesem Abend auch als Bariton nicht ganz so ehern, wie man ihn sich wünschen mag, Wolfgang Ablinger-Sperrhackes Aegisth könnte schärfere Konturen vertragen. Eine sehr gemischte Schar die Dienerinnen, glänzend die Erste Magd, die aus Frankfurt wohlbekannte Katharina Magiera.

Und Stufe um Stufe

Optisch wirkt das zunächst etwas simpel, entfaltet aber Wirkung. Regisseur Philipp Stölzl (mit Koregisseur Philipp M. Krenn) hat sich auch das Bühnenbild überlegt, eine steile graue Wand, die aber aus etlichen Schichten besteht. Sie bilden Treppen und Podeste, im Großen bleibt alles in der Vertikalen. Die beständig auf und ab kletternden Sängerinnen und Sänger dürfen sich darauf verlassen, dass zur rechten Zeiten schon wieder eine Stufe da sein wird, aber Aufmerksamkeit ist vonnöten. Manchmal wird es ein bisschen abenteuerlich, spektakulär stürzt eine Stuntfrau die Stufen herunter, nachdem Klytämnestra auf offener Bühne totgemacht worden ist (anders kann man das hier schwerlich sagen). Der Mörder Orest selbst ist unerwarteterweise ein schwerversehrter Veteran aus dem Ersten Weltkrieg, mit künstlichem Bein und Krücken schafft er sich dennoch geschickt voran.

Einsamkeit ist auf den riesigen Stufen meistens gegeben. Leer ist es hingegen nicht. Dies der zweite Grundeinfall: Der Text, wirklich der gesamte Text läuft in grafisch gestalteten Zeilen auf der hier auch als Projektionsfläche taugenden Bühne mit. Man ist hin und her gerissen. Ein paar Buhs für die Regie mögen sich auch darauf bezogen haben, dass das nicht nur eine etwas einfache Idee ist, sondern auch immer ein bisschen aussieht wie ein knalliger Prospekt, wenngleich ein sehr gut gemachter. Tatsächlich aber hat das große Reize auch in der Sache selbst. Hofmannsthals Text bekommt eine Gleichwertigkeit zur Musik, die er sonst zwangsläufig nicht hat, aber verdient.

Eine Wucht auch das herbe Schlussbild, nicht nur Elektra, auch Chrysothemis und Orest stecken nun zwischen je zwei Stufen fest, lebendig begraben, kein Tanz, kein Hauch von Befreiung.

Festspielhaus Baden-Baden: 31. März. www.festspielhaus.de

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