Gleich schießt Guillaume Tell (Roberto Frontali, li.) mit seiner Armbrust in Richtung des Sohnes (Maria Nazarova).
Gleich zielt Guillaume Tell (Roberto Frontali, li.) mit seiner Armbrust in Richtung des Sohnes (Maria Nazarova).
Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Nur wenige Opern beginnen für das Bodenpersonal im Orchestergraben so dankbar wie Rossinis Guillaume Tell: Ist die Ouvertüre samt dem weltbekannten Marsch verrauscht, setzt es verlässlich Jubel. So auch am Freitagabend, bei der Wiederaufnahme nach 19 Jahren Tell-Absenz an der Staatsoper: Da heißt es nach einem schnittigen Beginn erst einmal Aufstehen und Verbeugen für das üppig besetzte Orchester unter Dirigent Bertrand de Billy, dem Mann fürs Französische am Haus. Der Pariser kostet die schallstarken Passagen dieser Grand Opéra aus, ist ansonsten aber um geschmeidige Streicherkantilenen und pastellfarbene Klangbilder bemüht.

Was man vom Bühnenbild halten soll, ist eine andere Frage. David Pountneys Regie steht Alpenkitsch der Marke Tannen und Wiesen skeptisch gegenüber und ironisiert Folklore lieber. Das sorgt zu Beginn mit Alphorn, Trachtenvolk und Holzhüsli auch für heitere Schauwerte. Wenn sich später aber Schweizer mit Huckepack-Tannenbaum und Soldaten mit Hirschgeweih gegenüberstehen, überspannt das den Bogen einer tauglichen Ironie. Die Regie hat aber auch ihre schönen Stellen. Berührend etwa, wenn Tell sein Geschoß in Richtung Sohn "abfeuert" und es die Landsleute von Hand zu Hand zielgenau zum Apfel wandern lassen.

Schurkenbass, düsterer Bariton

Vokal hat hier der Chor die meiste Arbeit zu verrichten. Der kämpft bisweilen zwar mühevoll gegen die Klangmassen aus dem Graben an, beeindruckt aber meist mit einem kompakten Sound und auch delikater Lyrik. Wilhelm Tell? Ist weniger eine Lichtgestalt als ein grimmiger Freiheitskämpfer. Roberto Frontali verleiht ihm die entsprechende Aura mit seinem düsteren Bariton. John Osborn stattet den Heißsporn Arnold mit einem Tenor aus, der druckvoll wie ein Springbrunnen sprudelt; Lisette Oropesa besitzt als seine Angebetete Mathilde Grandezza und einen höhensicheren Sopran.

Und während der Schurkenbass von Jean Teitgen (Gesler) mühelos bis in den letzten Winkel dringt, bringt Maria Nazarova (als Tells Sohn) ihren Sopran euphorisch zum Leuchten. Nicht zu vergessen: Die profunden Leistungen von Evgeny Solodovnikov (Melcthal) und Monika Bohinec (Hedwige). Jubel für eine stimmstarke Vaterlandsbefreiung. (Christoph Irrgeher, 11.3.2024)