Nur 50 Kilometer trennen die steirische Landeshauptstadt von der Grenze zu Slowenien – da ist es im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend, dass die slowenische Nationaloper Die Nachtigall von Gorenjska mehr als hundert Jahre nach ihrer Uraufführung in Ljubljana nun an der Oper Graz ihre österreichische Erstaufführung erleben darf. Geboren in Böhmen wirkte der Komponist Anton Foerster, der aus einer Musikerdynastie stammte und ein Schüler Smetanas war, über 40 Jahre lang als Domorganist in Ljubljana und komponierte in dieser Zeit nicht nur zahlreiche Messen, sondern auch die ursprünglich als Operette angelegte Nachtigall von Gorenjska, der nach ihrer Umarbeitung zur Oper innerhalb Sloweniens viel Erfolg beschieden war und deren melodische Motive auch Eingang in zahlreiche Volkslieder fanden.

Loading image...
Sieglinde Feldhofer (Minka)
© Werner Kmetitsch

Warum Foersters Werk außerhalb Sloweniens so viele Jahre in der Versenkung verschwand, bleibt angesichts der süffigen Musik voll von schönen Melodien ein Rätsel: Ein bisschen Smetana, ein bisschen Dvořak, ein bisschen Folklore und in den Chorpassagen auch einige Anklänge an traditionelle Kärntnerlieder ergeben nämlich eine wunderbar ohrgängige Mischung. Am Pult der Grazer Philharmoniker arbeitete Marko Hribernik all diese Facetten fein heraus und schwelgte mit dem Orchester in ausladenden Klangbögen voll Romantik und sonnendurchfluteter Farbschattierungen.

Loading image...
Ekaterina Solunya (Ninon) und Roman Pichler (Franjo)
© Werner Kmetitsch

Als kürzlich von einer Grippe genesen und deswegen um Nachsicht bittend, ließ sich Sieglinde Feldhofer vor der Vorstellung ansagen. Dieser Sicherheitsmaßnahme hätte es aber gar nicht bedurft, denn sie sang eine ausgezeichnete Minka. Ebenmäßig floss ihr Sopran durch die Partie, die Stimme hat in den letzten Jahren auch in der Mittellage an Substanz gewonnen, sich aber einen hellen Kern bewahrt und dank frühlingshafter Klangfarben gestaltete Feldhofer glaubwürdig die zwischen Heimat bzw. Jugendliebe und Karriere hin- und hergerissene junge Frau.

Loading image...
Sieglinde Feldhofer (Minka) und Mareike Jankowski (Majda)
© Werner Kmetitsch

Aus dem stimmlichen Vollen schöpfte an ihrer Seite Roman Pichler, der Minkas Verehrer Franjo mit viel Schmelz in seinem Tenor als enthusiastischen Romantiker interpretierte und dabei mit strahlenden Höhen begeisterte. Dabei stimmte auch die darstellerische Chemie zwischen den beiden, wodurch man als Zuseher gern mit den Charakteren mitfieberte. Mit enormer Bühnenpräsenz beherrschte Neven Crnić als französischer Impressario Chansonette seine Szenen und bot eine unterhaltsame Charakterstudie dieses wunderlichen Mannes, der angesichts von Minkas Gesang jedes Mal in helle Begeisterung ausbricht. Grund zur Begeisterung bot dabei aber auch seine eigene vokale Gestaltung, denn Crnićs Stimme ist in allen Lagen so herrlich satt im Klang und so sauber geführt, dass man ihm ewig zuhören könnte.

Loading image...
Roman Pichler (Franjo) und Sieglinde Feldhofer (Minka)
© Werner Kmetitsch

Erneut mit Nachdruck auf sich aufmerksam machen konnte auch Opernstudiomitglied Ekaterina Solunya, die als Ninon mit klarem Sopran stimmliche Farbtupfer setzte. Als Minkas verwitwete Mutter Majda hatte Mareike Jankowski nicht viel zu singen, aber was man zu hören bekam, bot eine wunderbar bruchlose Verbindung aller Register ihres karamelligen Mezzosoprans. Die schrulligen Dorfbewohner lagen bei vier Herren des Ensembles in guten Händen: so konnten etwa Wilfried Zelinka als schwerhöriger Verwalter Štrukelj und Martin Fournier als sein Schreiber Rajdelj ihr komödiantisches Talent ausleben; Ivan Oreščanin steuerte als Lovro slawisch timbrierten Wohlklang bei und Daeho Kim stattete den Wirt mit samtigem Bass aus. Stets ein Grund zur Freude ist es, wenn der Chor der Grazer Oper bei einer Produktion eine tragende Rolle zu übernehmen hat: wie immer mit großer Präzision und klanglicher Schönheit gestalteten die Damen und Herren ihren Part (wobei einige auch mit kleinen Soli glänzen durften!) und bestachen überdies mit Spielfreude.

Loading image...
Ivan Oreščanin (Lovro)
© Werner Kmetitsch

Der einzige wirkliche Schwachpunkt der Vorstellung ist der Handlung des Werks geschuldet, die dramaturgisch einfach nicht viel hergibt: eine junge Frau mit schöner Stimme entscheidet sich gegen eine mögliche internationale Karriere, um mit ihrer Jugendliebe im heimatlichen Dorf glücklich zu werden. Zwischen lustigen Charakteren und einem aus dem Dorf gejagten Impressario wird die Schönheit der Heimat besungen und eigentlich passiert nichts wirklich Spektakuläres. Regisseur Janusz Kica verortet die Geschichte in einem grauen Einheitsbühnenbild, das zwar nicht stört, aber auch nicht viel zu bieten hat. Schön herausgearbeitet werden jedoch die Welten, die aufeinanderprallen – der französische Impressario Chansonette und seine Frau scheinen einer Ausgabe der Vogue entsprungen zu sein, die Dorfbewohner halten ihre Tracht und Tradition in Ehren. So wird der Abend nicht nur musikalisch, sondern auch optisch eine Liebeserklärung an unser südliches Nachbarland.

****1