Danilo (Daniel Schmutzhard) bleibt nichts erspart. Jetzt protestieren auch jene Frauen, die einst für ihn tanzten.
Danilo (Daniel Schmutzhard) bleibt nichts erspart. Jetzt protestieren auch jene Frauen, die einst für ihn tanzten.
Werner Kmetitsch

Es muss zwischen ihnen einst liebestief Emotionales passiert sein. Doch obwohl sehr schön, konnte es nicht durch Eheschließung gekrönt werden. Das Wiedersehen des leicht tattrig gewordenen Don Juan, des Grafen Danilo Danilowitsch, und der mittlerweile reichen Bankierswitwe Hanna Glawari bedarf also der Nachbesprechung über Schuld und Gründe und überhaupt.

Es prägt die Premiere an der Wiener Volksoper also ein kleiner Zeitkunstgriff: Die Regie hat das Paar um Jahrzehnte altern lassen, was der Lustigen Witwe von Franz Lehár nostalgische Glaubwürdigkeit verleiht und auch humorige Inszenierungstüren öffnet. Mariame Clement, die im Sommer bei den Salzburger Festspielen Offenbachs Les Contes d’Hoffmann inszenieren wird, bedient dabei die Operettenkonvention auf elegante Art und Weise. Fürchten muss sich niemand.

Glawari, besser in Form

Bei der Erstbegegnung schläft Danilo jedenfalls unter jener Bank, auf der Hanna Platz nimmt. Insofern offensichtlich: Ist Frau Glawari zwar erschöpft ob der vielen tanzwütigen Freier, die ihr Geld ehelichen wollen, wirkt sie konditionell besser aufgestellt als Danilo, der sich fast bis zum Liebesfinale stockgestützt beharrlich weigert, ihr seine Zuneigung zu gestehen. Leicht gekränkt, kämpft der Melancholiker um seine Ehre. Man nennt ihn – wegen seiner recht vielen Jahresringe – uncharmant Grabflüchtling und Friedhofsdeserteur. Man will ihn schließlich motivieren: Er, der sich im Maxim daheim fühlt, wehrt sich dann nicht nur gegen Beleidigungen. Im höchsten Auftrag soll er als Witwenwerber die Glawari ehelichen, damit ihr Vermögen im Fastpleitestaat Pontevedro verbleibt.

Die Aufarbeitung der Beziehung findet in nostalgischen Rückblenden statt, während drumherum Slapstick dominiert. Auf der Drehbühne – begrenzt durch blaue Vorhänge und holzgetäfelte Wände – geht es zum Techtelmechtel in einen Fotoautomaten (Bühnenbildnerin Julia Hansen). Das andere Paar Camille de Rosillon und Valencienne zieht sich gerne aber auch zum Zärtlichkeitsaustausch in einen telefonzellengroßen Kleiderkoffer der Glawari zurück.

Ein wenig peinlich

Dazu serviert man eine Art Chippendales-Nummer mit Arbeitern, die ihren Bizeps küssen (nicht nötig), während therapeutische Erinnerungsmomente von Hanna und Danilo in Begleitung eines Trichtergrammofons erfolgen. Ja, und als alter Theaterschmäh ein Lampenschirm. Er wird zwecks Verstecken auf den Kopf gesetzt. Dort, wo es im Original textlich schon ein wenig peinlich riecht, taucht die Regie ins Ausgelassen-Groteske ab: Das Studium der Weiber ist schwer wird zur exaltierten Verulkung der Herren, die unter Zeugenschaft peinlich berührter Frauen zu lächerlichen Saufzombies werden. Später gibt’s ein paar Wut-Streik-Proteste der Grisetten, aber keine Angst! Alles meilenweit von einer Dekonstruktion der Operette entfernt, die irgendwo in den 1950ern angesiedelt wirkt.

Die Konsensinszenierung verfügt jedenfalls über einen souveränen Danilo. Daniel Schmutzhard ist der leicht schwermütige galante Herr, der zwischen dem ganzen Tohuwabohu und dem Getanze gelassen bleibt, außer die Glawari ist in der Nähe. Schmutzhard überzeugt durch nobles Timbre, während Anett Fritsch (als Glawari) respektabel über die Runden kommt, mitunter jedoch schrill an ihre Grenzen stößt. Ähnlich das zweite Pärchen: Aaron Casey Gould setzt (als Camille) seinen robusten Tenor effektvoll (aber nuancenfrei) ein, während Hedwig Ritter der sympathischen Valencienne timbremäßig eine herbe Ausstrahlung verpasst.

Ein bisschen zu hektisch

Operettenkomik der altüberlieferten Art liefern alle Figuren, also unter anderem Mirko Zeta (Szymon Komasa), Njegus (Jakob Semotan, bearbeitete auch die Dialogfassung) und Prosko (Brigitte Kren). Dirigent Ben Glasberg liegt das Flotte, Buffoneske. Für sanftes Innehalten bleibt selten Geduld.

Oft ist es sogar in den leisen Passagen zu laut, was die Momente graziler Lyrik an der Entfaltung hindert. Da sollte noch Feinabstimmung möglich sein, auch wenn der alle erfassende Applaus ungeteilte Zufriedenheit ausstrahlte. (Ljubisa Tosic,3.3.024)