Toulouse, Opéra National Capitole, IDOMENEO - W. A. Mozart, IOCO Kritik

IDOMENEO in Toulouse: So wie in seiner Herangehensweise an die griechische Tragödie des Sophokles, die Antigone während des Festivals 2017 in Avignon, beschäftigt sich der japanische Regisseur Satoshi Miyagi mit den Resonanzen von Mozarts Idomeneo, Re di Creta bis hin zum halbmodernen Japan.

Toulouse, Opéra National Capitole, IDOMENEO - W. A. Mozart, IOCO Kritik
Opéra National Capitole in Toulouse @ Peter Michael Peters

Wolfgang Amadeus Mozart: IDOMENEO, RE DI CRETA, K 366 (1781), Oper Seria in drei Akten, Libretto von Giambattista Varesco.

 von Peter Michael Peters

EINE WELTLICHE PASSION…

Vanne Idamante, troppo t’arresti.

Parti, e non dubbia fama

di mille eroiche imprese il tuo ritorno prevenga.

 

Di regnare se l’arte apprender vuoi,

ora incomincia a renderti de’ miseri il sostegno,

 

del padre, e di te stesso

ognor piu degno. (Szene des Idomeneo / 2. Akt /2. Bild)

IDOMENEO - Idoménée youtube Opéra national du Capitole

Das Opfer und die Auferstehung…

Der Name Idomeneo war im 18. Jahrhundert sehr berühmt. Obwohl er erst in dem gleichen Jahrhundert geboren wurde. Die Figur wurde praktisch von François de Salignac de La Mothe-Fénelon (1651-1715), dem Erzieher des Thronfolgers von Frankreich in seiner Erzählung Aventures de Télémaque (1699) geschaffen. In der Odyssee (etwa VIII. Jahrhundert v. J.C.) machte sich Telemachos, der junge Prinz von Ithaka auf die Suche nach seinem verlorenen Vater Odysseus auf. Während seines Aufenthaltes auf Kreta (V. Buch) erfährt Telemachos vom Unglück des Idomeneo. Um diesen kretischen Held zu konstruieren, verwendete Fénelon einige vereinzelte Erwähnungen aus den Schriften von Homer (im VIII. Jahrhundert) und Virgil (70-19 v.J.C.). Eine einzigartige Figur sollte zum Leben erweckt werden! Ein Held mit zwei Gesichtern! Er ist einer der Sieger von Troja und ist wie Odysseus auf der Rückfahrt dem Hass von Neptun ausgesetzt, „dem Erschütterer der Erde“, dem Herrn der Winde! Er entkommt dem Sturm nur um den höchsten Preis: Er verspricht die Opferung des ersten Wesen, das er am Ufer trifft: Es wird sein eigener Sohn sein!

Die Abenteuer des Telemachos…

Fénelons Geschichte ähnelt einer großen Tragödie: Als er die Identität des unvorsichtig versprochenen Opfers erkennt, lässt ihn zunächst aus Verzweiflung das eigene Schwert gegen sich zu richten. Aber sein Sohn bietet ihm sein Leben an: „Hier bin ich, mein Vater, dein Sohn ist bereit zu sterben um den Gott zu besänftigen. Ziehe seinen Zorn nicht auf dich, ich sterbe zufrieden und mein Tod gibt dir die Garantie, dass du leben wirst.“ Schlage zu! Mein Vater, fürchte dich nicht! Du wirst in mir einen würdigen Sohn finden und ich fürchte auch nicht Tod. Schlag zu!“ Idomeneo, „völlig außer sich und wie von höllischen Furien zerrissen, überrascht alle, die ihn genau beobachteten: Er stößt sein Schwert unerbittlich in das Herz seines Kindes!“ Nachdem das entsetze Volk rebellierte, kehrte er zur See zurück und ging ins Exil. Aber er war kein Vagabund so wie die vom göttlichen Zorn verfolgten Mörder. So wurde er ein Stadtgründer! Mit seinen Gefährten gründete er eine Kolonie in Salenge  an der Küste von Kalabrien. Dort treffen auch nacheinander Telemachos und sein Führer Mentor ein. Diese neue Stadt wird dank des Ratschlags von Mentor ihre Ungerechtigkeiten und ihren Glanz korrigieren und es wird eine vorbildliche Stadt werden.

Idomeneo und sein neues Königsreich bilden somit das Zentrum von Fénelons Werk. Durch die Beschreibung der Organisation von Salenge entwickelt Fénelon eine Abhandlung über  eine Regierung in Aktion. Im Gegensatz von König Louis XIV. (1638-1715), dem er in bestimmten Zügen ähnelt, verzichtet Idomeneo auf neue Eroberungen und er versteht es  auch sehr gut, mit seinen Nachbarn Frieden zu schließen. Das wohlhabende Land und die sehr hart arbeitende Hauptstadt mit seinen „Schulen der menschlichen Tugenden“: In denen das Gesetz über dem Monarchen selbst regiert und handelt! Alles ist auf eine „edle und genügsame Einfachheit“ reduziert und im Einklang einer hierarchischen Gesellschaft trägt alles zum gemeinsamen Nutzen bei. Der Leser entdeckte die utopische Wiedergutmachung der Missbräuche der gegenwärtigen Gesellschaft. Das Werk, dessen Erstausgabe geheim war, ist zweifellos eine Kritik an der kostspieligen Ruhmes-Politik des Sonnen-Königs. Télémaque, der währen der letzten Regierungszeit von Louis XIV. als subversives Buch galt, wurde zu einem der größten Buch-Erfolge des neuen Jahrhunderts im gesamten Europa.

Fénelon kreierte  daher seinen Idomeneo zu einer Figur, welche die schlimmsten Fehler beging, um dann die wahre Weisheit zu erlangen. Nachdem er selbst gesteht, der Henker seines einziges Sohnes gewesen zu sein, beendet er sein Leben in der Rolle eines wohltätigen Monarchen. Mentor, der ihm mit seinen Ratschlägen zur Seite steht, ist kein anderer als das menschliche Gesicht der Minerva: Also der Vernunft! Das Erlernen der Regierungs-Geschäfte ist wohl das Spektakel, das Mentor dem jungen Telemachos vorführt, um ihn darauf vorzubereiten, seinerseits zu regieren. Fénelon hat damit ein literarisches Genre etabliert, in dem die hohe moralische Lehre durch die Fiktion einer Reise in einer wunderschönen rhythmischen Prosa vermittelt wird, die die Abenteuer und Gebote musikalisch untermalt. Das Genre wird durch eine weitere Geschichte über die Lehrzeit eines Prinzen illustriert: Die Geschichte von Sethos (1731) des Abtes Jean Terrasson (1670-1750) ist eine Nachahmung des Romans von Fénelon, diesmal in einer ägyptischen und freimaurerischen Umgebung. Jetzt wissen wir auch, dass das Libretto Die Zauberflöte (1791) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) eine Episode von

Sethos übernommen und weiter entwickelt hatte. Ein Zufall – aber ist es nur ein Zufall? – deshalb ließen sich auch die erste Oper bis zur letzten in die Reihe der großen Meisterwerke von Mozart aus  derselben fabelhaften Fiktionen ableiten: Unter dem Deckmantel fürstlicher Pädagogik richten sich diese Fiktionen an jeden Leser: Damit er lernt sich selbst aufzubauen! Gleichzeitig vermitteln sie ihm auch ein Bild davon, was er zu Recht von einer guten Regierung erwarten darf! Die Initiations-Erfahrung ist das gemeinsame Thema: Welche Tugenden muss man erwerben und welche Prüfungen muss man bestehen, um es zu verdienen: Macht auszuüben? Die Tragödie der Thronfolge und die Gefahr der Unterbrechung der dynastischen Kontinuität, die so viele Aspekte der klassischen Tragödie und der Oper charakterisieren, könnten ein unendlich größeres Publikum als das des königlichen Hofes interessieren. Denn der Amtsantritt des Sohnes zum neuen Herrscher war auch als eine Figur der Inbesitznahme seiner selbst interpretierbar. Die Nachfolge des Vaters und der Zugang zu sich selbst ist auch eine gewisse innere Macht-Ergreifung! Eine Botschaft, die auf diesen legendären monarchischen Bildern basiert, konnte sich bis in unsere demokratische Ära halten, da es durchaus möglich ist, dass jeder Zuschauer die theatralische Figur des Erben eines Königsreichs als Sinnbild seines eigenen Selbst zu entschlüsseln weiß. Die Allegorie ist sofort verständlich! Zumindest ist es sicher, dass Fénelons Beredsamkeit, sein ästhetisches Modell und seine politische Moral das ganze Jahrhundert hindurch und sogar bis zur Zeit der Französischen Revolution relevant bleiben werden. Mozart ist keine Ausnahme! Erinnern wir uns außerdem daran, dass Fénelons Ideen zur leidenschaftlichen Deklamation in der Musik eine der ersten Legitimationen von récitatif accompagné waren: Von denen Mozart vom ersten Takt an im Idomeneo hervorragenden Gebrauch machen wird.

IDOMENEO - Toulouse, hier Marie Perbost (Ilia), Cyrille Dubois (Idamante) @ Mirco Magliocca

Die Pariser Gespräche…

„Ohne wirkliche Beweise komme ich nicht voran“, sagte sich Mozart! Er hatte Fénelon, seinen Télémaque, seine Pastoren-Könige, seinen Mentor, dessen Avatar Sarastro (Die Zauberflöte) sein wird: Sicherlich schon sehr früh kennengelernt! Im Jahre 1776 besuchte Leopold Mozart (1719-1787) auf seiner Reise mit Wolfgang durch Cambrai das Grab von Fénelon, der sich durch seinen Télémaque unsterblich gemacht hatte (Brief von Leopold an Johann Lorenz Hagenauer (1712-1792) vom 16. Mai 1766) währen seines Aufenthalts in Bologna teilte Mozart seiner Mutter mit, dass er den Télémaque lese und dass er bereits am zweiten Buch sei. Es besteht kein Zweifel daran, dass Mozart das Thema von Idomeneo nicht zufällig ausgewählt hatte, denn er bekam im Jahre 1776 einen Auftrag des Bayrischen Königs-Hofes während der Karnevals-Zeit in München eine Oper zu komponieren. Die Vater-Figur konnte seinen bewussten oder unbewussten Gefühlen nicht ohne weiteres gleichgültig sein: Aber da war auch noch etwas anderes!

Während seines Aufenthaltes in Paris im Jahre 1778, war er bei Friedrich Melchior Grimm (1723-1807), dem sehr beliebten Herausgeber der Correspondance littéraire geblieben, der ihn bereits 1763 aufgenommen hatte. Nach einigen enttäuschenden Erfahrungen fühlte sich Mozart dazu befähigt, eine Grand Opéra zu komponieren. Grimm und Mozart beklagten in ihren gemeinsamen Unterhaltungen die Schwierigkeiten: „Ein gutes Gedicht zu finden!“ Sie sahen beide keinen einzigen Franzosen, der derzeit in der Lage wäre, für einen Musiker gute Librettos zu schreiben. „Die tödliche Kälte und ein schlechter Geschmack seien die Gottheiten, von denen die Macher der französischen Oper inspiriert sind“. Das versicherte Grimm schon seit langem! Die Opern-Macher: Warten nur darauf, dass einer der vielen Autoren ihnen eine lyrische Tragödie in Versform schreiben! Grimm war in diesem Fall voll und ganz von der Idee überzeugt, die Mozart nie aufgeben würde: „In einer Oper muss die Poesie letztlich die gehorsame Tochter der Musik sein.“(Brief von Wolfgang an seinen Vater vom 13. Oktober 1781). In einem wichtigen Artikel sprach Grimm von einem „Poème lyrique“, der in l’Encyclopédie eingefügt wurde, er formulierte Einfachheit und Schnelligkeit sei erforderlich um von vornherein die Kürzungs-Arbeit zu rechtfertigen. Die Mozart auch bei der Komposition von Idomeneo seinem Librettisten Giambattista Varesco (1735-1805) damals auferlegte und auch bei allen anderen späteren Librettisten. Der Dichter oder an seiner Stelle auch der Komponist selbst muss alles, was die dramatische Handlung des Librettisten bremst: Rücksichtslos beseitigen! Grimm und Mozart hatten daher mehr als eine gemeinsame Idee zu einem Thema, das Mozart besonders beschäftigte.

Grimm war jedoch seit 1764 an der theatralischen Behandlung des Themas von Idomeneo sehr interessiert. Der Dichter Antoine-Marin Lemierre (1733-1793) hatte gerade eine Tragödie zu diesem Thema veröffentlicht, die noch langweiliger war als die von Claude-Prosper Jolyot de Crebillon (1707-1777) aus dem Jahr 1705. Und Grimm hatte in demselben Artikel gegen die Längen protestiert, die die traditionelle Form der Tragödie erforderte. Bei Crebillon (der den Namen Idamante erfunden hat) wurde die Handlung durch eine Rivalität zwischen Idomeneo und Idamante erschwert, die beide in dieselbe Erixène verliebt waren! Antoine Danchet (1671-1748) schrieb zu diesem Thema ein Libretto mit einem Prolog und fünf Akten voller mythologischer Pracht für die Musik von André Campra (1660-1744): In diesem dramatischen Gedicht wurde die gefangene Ilione (die Ilia vorweg nimmt) ebenfalls von Vater und Sohn umworben. Und es ist Danchet, der Elettra in dieser Geschichte zuerst vorstellte. Varesco, der Librettist von Mozart wird ihm in diesem Punkt folgen. Grimms Urteil über die verschiedenen Idomeneo-Dramen ist präzise und gerecht und man kann auf jeden Fall sicher sein, dass Mozart sich an die Pariser Unterhaltungen von 1778 erinnern konnte und es natürlich nicht vergessen hatte: „Es fehlte grundsätzlich für dieses Thema eine sogenannte tiefschürfende Substanz, um eine glaubwürdige Tragödie in fünf Akten zu gestalten. Auch ist nicht genug Material vorhanden, um eine wirkliche Tragödie in der von uns angegebenen Form darzustellen. Unsere Stücke sind zu voll von Reden und das Thema Idomeneo ist dafür nicht empfänglich: Alles es muss Leidenschaft und Bewegung sein! Das Subjekt von Jephtah steht sogar im Hintergrund, hat aber gegenüber Idomeneo den Vorteil dass es als Opfer […] ein Mädchen darstellt, was den Hintergrund wohl berührender macht. Beide Themen eignen sich eher für die Oper als für die Tragödie. Sie sind zu einem sehr interessanten Spektakel und einer Vielzahl starker und erbärmlicher Situationen fähig: Die der Musik förderlich ist!“ (Correspondance littéraire vom 1. Mars 1764). Tatsächlich haben allein die folgenden an Neptun gerichteten Schwüre ausreichend dramatische Substanz, ohne dass ein offener ödipaler Konflikt zwischen Vater und Sohn hinzukommt.

IDOMENEO hier Marie Perbost (Ilia) @ Mirco Magliocca

Die Mythen der Rückkehr und des Aufbruchs…

Die Annäherung zwischen Jephtah und Idomeneo war sehr hellsichtig. Fénelon selbst hatte sich in der langen und melodischen Geschichte der Opferung des Kindes von dem bewundernswerten Jephtah (1650) von Giacomo Carissimi (1605-1674) inspirieren lassen können. Grimm kannte zweifellos den Jephté (1732) von Michel Pignolet de Montéclair (1667-1737), wenn nicht sogar das Oratorium Jephtha, HWV. 70 (1751) von Georg Friedrich Händel (1685-1759). Wir haben gelernt, noch mehr Gemeinsamkeiten zu erkennen! Denn wenn das Opfer-Thema von Jephtah und Idomeneo zu der Kategorie der Mythen gehört, die als Mythen der Rückkehr betrachtet werden können. Aber es gibt auch andere, die symmetrischen Mythen, die Mythen des Aufbruchs sind! Dies ist das Motiv der Iphigénie en Aulide (1774/75). Jeder, der Euripides (480-406 v.J.C.) und Jean Racine (1639-1699)  gelesen hat, weiß es! Die Geschichte, die Christoph Willibald von Gluck (1714-1787) komponierte! Um günstigen Wind zu erhalten, die den Griechen den Aufbruch zur Belagerung Trojas ermöglichen, befragt Agamemnon das heilige Orakel: Der  Priester Calchas sagt ihm, dass Neptun das Opfer seiner Tochter verlangt. Die blutige Zeremonie bereitet sich vor! Iphigénie wird nur von einem Ersatz-Opfer gerettet, manchmal von einem Reh (bei Euripides), manchmal von einer bösen Rivalin, die sich selbst tötet (das ist Eriphile bei Racine). Die Mythen des Aufbruchs sind manchmal mit den Mythen der Rückkehr verbunden. Die Götter, die den Aufbruch gewährt haben, gewähren nicht immer die Rückkehr: Kaum nach Argos zurückgekehrt wird Agamemnon von seiner Frau Klytämnestra und dem Usurpator Aegisthos getötet. Dann wird die mörderische Mutter wiederum von ihrem Sohn Orestes auf Betreiben seiner Schwester Elektra getötet. (Andere Themen aus einer bedeutenden Opern-Familie!). Der Muttermord von Orestes und Elektra ist das umgekehrte Bild des von Idomeneo durchgeführten oder geplanten Kindermords. Und es ist daher nicht ungewöhnlich, dass Elektra schon vom Wahnsinn befallen bei Mozart im Palast von Idomeneo anwesend ist. In ihrem letzten Rezitativ spricht Elektra davon, dass sie mit Orestes in „die tiefen düsteren Abgründe des Hades stürzen wird“.

In den Mythen des Aufbruchs wie auch in den Mythen der Rückkehr verpflichtet sich auf einer sehr archaischen Bewusst-Seins-Ebene der Krieger, der geht oder derjenige: Der siegreich zurückkehrt! Er muss den Übergang bezahlen! Die eingegangene Schuld ist so groß, dass die Gottheit sie einfordern wird, sobald sie der Bitte stattgegeben hat. Geben! Nehmen! Für den Sieg, für die Überquerung des schrecklichen blauen Meeres muss der Held sein Kostbarstes geben! Es ist sein ex-voto! Die Götter lassen sich für jede Verzögerung bezahlen: Sie schicken Seuchen oder Monster in das Königsreich der Schuldner. Beliebte populäre Opfer reichen ihnen nicht aus. Sie brauchen ein feierliches Opfer, das von den Priestern auf dem Altar des Heiligtums geopfert wird. In einem Äquivalenz-System, das der gleichen archaischen Ebene angehört, kann sich auch das Opfer anstelle des zuerst Bezeichneten ein anderes aussuchen. Die Götter, die Blut verlangen: Moloch, Neptun oder der saturnische Oger bilden bei den Menschen keine Ausnahme. Sie nehmen eine Weide im Tausch gegen eine andere an! So betritt die Liebes-Leidenschaft die Lebens-Bühne und ersetzt oder verdrängt, wie in einer Traum-Logik eine Figur durch eine andere. Wer bereit ist, anstelle des ursprünglich vorgesehenen Opfers zu sterben, bezeugt die Wahrheit seiner Liebe. Das ist der ultimative Beweis! Es steht dem Gott frei, den Tod dieses Ersatzes zu akzeptieren. Oder im Gegenteil zu vergeben, denn Liebe ist ein mächtiger Gegenzauber. Denn dann hat sich die Göttlichkeit verändert: Der furchteinflößende Gott zeigt sein mitfühlendes Gesicht.

Sicherlich hätten wir des konventionellen Drumherum und der wenig überraschenden Rhetorik überdrüssig werden können, in die das Theater und die Oper des 18. Jahrhunderts die Götter und Helden der Mythologie kleideten: Seien wir versichert, dass diese Mythologie den Zugang zum Unaussprechlichen und zu den völlig verstörten Träumen ermöglichte und dass eine Erneuerung der Sprache ausreichte: Um das Feuer wieder zu entzünden! Während Varescos Libretto in keiner Weise eine Erneuerung darstellte, belebte aber Mozarts Musik ungeachtet dessen was sie einem historischen Stil verdankte: Das Mysterium des mythischen Themas mit einer seltsamen und eindringlichen Kraft wieder! Man denke nur an den Reichtum der Orchestration, der außergewöhnlichen begleiteten Rezitative, des erhabenen Quartetts und der Chöre. Der große rätselhafte Traum des zum Opfer bestimmten Kindes: Isaak, Iphigénie – erhält ein neues unerwartetes Leben!

IDOMENEO hier Cyrille Dubois (Idamante), Ian Koziara (Idomeneo) @ Mirco Magliocca

Die Liebe hat gesiegt…

Der dramatische Ansatz von Mozart und Varesco ist der erste, der Idamante das Überleben ermöglicht. In allen vorherigen Stücken wurde  er verbrannt oder erstochen. Die Regel der opera seria forderte sicherlich ein Happy End und griff auf die deus ex machina zurück, um alles in dem Moment zu arrangieren, in dem die Katastrophe unwiderruflich schien. Eine übernatürliche Wende rettet alles!

Die letzte Szene von Idomeneo spielt sich unter den Augen der Statue von Neptun ab, die seltsamerweise in dem Moment zum Leben erwacht, in dem das Beil auf Idamante erhoben wird. Bei Mozart in der langen Fassung spricht das Orakel mit Blechbläser-Begleitung eine detaillierte Aussage über das Urteil aus: Das den Vater freispricht, aber den König bestraft! Als König ist er meineidig und muss das Königtum verlieren: Als Vater wird ihm vergeben, Idamante wird leben und seine Nachfolge antreten. Und jeder Zuschauer, der die letzte Arie von Idomeneo: „Torna in me la pace“ hört, weiß dass der gefallene König gehen muss und an einem anderen Ufer eine neue Stadt gründen wird. Er erhält die königlichen Insignien! Hat er einige der entscheidende Prüfungen, die später Tamino (Die Zauberflöte) vorbehalten bleiben sollten, nicht erfolgreich gemeistert: Das Monster getötet, ohne Protest zu gehorchen, die Trennung zu akzeptieren, sein Leben anzubieten? Wir wissen, Mozart hat Idamante nicht ausreichend heroisiert und ihm konventionellere Melodien vorbehalten: Es wäre ihm lieber gewesen, wenn er nicht diese Rolle für einen castrato komponieren musste! (Für die Wiener Aufführung im Jahr 1786 verwendete er einen Tenor, aber musikalisch waren wohl die Würfel gefallen!). Das Orakel, der Hohepriester und Idomeneo selbst: Wenn wir aber ihre Autoritäts-Funktionen miteinander kombinieren, verkörpert doch Sarastro die Figur am  besten.

Aus Gründen der dramatischen Effizienz zog es Mozart vor: Die Worte des Orakels abzukürzen. Wir kennen drei Versionen. Aber sie beginnen alle mit den wesentlichen Worten: „Ha vinto amor“. Diese Worte haben wir schon in mancher Oper gehört (bei Jean-Philippe Rameau (1683-1764) besonders!). Aber hier glauben wir es wirklich: Der entscheidende Sieg gehört aber der Ilia, die sich freiwillig als Ersatz-Opfer anbietet! Und wir sind durch die Musik selbst von der tiefen Wahrheit dieser Liebe überzeugt. Es ist die schönste Musik, die es gibt: Gequältes Glück, ungestillte Fülle. Mozart konstruierte die Rolle der Ilia – der Gefangenen, der Verliebten – so, dass ihre Liebe als Hauptgegnerin der dunklen Macht Neptuns erscheint. Dies ist vielleicht der Haupt-Antagonismus der gesamten Oper. Denn es muss betont werden: Es gibt keinen wirklichen Konflikt zwischen den verschiedenen Charakteren in Idomeneo. Die Charaktere geraten nicht in Opposition zueinander. Die Psychologie zwischen-menschlicher Beziehungen kommt in dieser Oper fast nicht vor und beim ersten Hören mag es manchen bereut haben. Aber man muss besser zuhören: Die ganze Handlung entwickelt die Konsequenzen des Wunsches und vollzieht sich unter starken Unwetter-Böen und Launen der Urgewalt. Die verschiedenen Stimmen – von der des rücksichtslosen Helden bis zu den kollektiven Stimmen der Chöre – antworten aus der Tiefe des Seins auf eine gesichtslose Notwendigkeit, die sich vom Anfang an im Orchester manifestiert. Die von so vielen Atemzügen durchzogene Musik findet sich umso freier, mit dem Schatten den sie trägt, rein zu interagieren und eine überwältigende Emotion auszudrücken: Die über alle individuelle Psychologie hinausgeht! Wie von Mozart erzählt, spricht die Fabel von der Kraft der Liebe und der Auferstehung genau im Moment des Todes.

IDOMENEO hier Andreea Soare (Elettra) und Tänzer) @ Mirco Magliocca

IDOMENEO - l’Opéra National Capitole / Toulouse - 27. Februar 2024 

Idomeneo im japanischen Debakel von 1945 gefangen…

In der gleichen Weise wie seine raffinierte Herangehensweise an die griechische Tragödie des Sophokles (495-406 v. J.C.), die Antigone (441 v. J.C. ) während des Festivals 2017 in Avignon, beschäftigt sich der japanische Regisseur Satoshi Miyagi mit den Resonanzen von Mozarts Opera seria Idomeneo, Re di Creta bis hin zum halbmodernen Japan.

Miyagi ist in erster Linie ein bedeutender japanischer Theater-Regisseur, der völlig von den jahrhundertealten Kodifikationen und Traditionen durchdrungen ist, die im Land der aufgehenden Sonne auch heute noch in hohem Maße erhalten bleiben. Er ist bestrebt, die besondere Ästhetik seiner Heimat-Insel auf eine durchaus modernisierte und tatsächlich aktuellere Weise hervorzuheben. Es sind diese unterschiedlichen tiefen und komplementären Einflüsse, die seine Bühnen-Produktionen charakterisieren, insbesondere die griechischen Tragödien, die er intensiv studierte. Trotz seiner bereits großen Karriere hatte er kaum Kontakt zur Welt der Oper: Auch wenn er zugibt, dass er sich besonders für die Opera seria interessierte!

Für Idomeneo entwickelte Miyagi eine faszinierende Parallele zwischen dem Text der in Mozarts Oper dargestellten Situationen und der großen Katastrophe Japans im Jahre 1945 in einem besiegten und sterbenden Land. Über die Prüfungen hinaus bleibt Idomeneo an seinem Platz, überlässt jedoch den Thron seinem Sohn, genau wie Kaiser Hirohito (1901-1989), dessen  Abstammung vom amerikanischen Sieger, vertreten durch General Douglas MacArthur (1880-1964) für die zukünftige Stabilität des Landes bewahrt wird. Der Regisseur,  platziert das Geschehen von 1945 bewusst inmitten einer Masse von erschöpften und zerlumpten japanischen Soldaten, die immer noch in ihrer Tarnkleidung aus Ästen und übergroßem Gras gekleidet sind: Die als eine Art von ewigen umherirrenden Zombies verurteilt sind! Die dominanten Figuren auf dem Höhepunkt ihrer Privilegien, König Idomeneo, sein Sohn Idamante und die zerbrechliche Ilia, Tochter des Priamos, Herrscher von Troja, singen von der Höhe aus auf beweglichen dreieckigen durchsichtigen Podesten, womit sie sich oft auf der Bühne bewegen mit der Hilfe eines akrobatischen und tanzenden Zombie-Ballett. Dieses eigenwillige skurrile Ballett  wurde von der japanischen Choreographien Akiko Kitamura gezaubert. Aus Sicherheitsgründen gezwungen, lehnen sie an eine Sicherheitsstange oder sie halten sich daran fest, sie bilden somit tatsächlich eine ziemlich starre, gleichmäßig hieratische Versammlung, die fast keinen Blick miteinander wechselt und vor allem niemals auf dem Bühnen-Boden der sterblichen Menschen herabsteigt. Nur Elettra ist durch ihren Partikularismus und den Ausdruck ihrer vulkanischen Liebe auf derselben niedrigen Ebene: Also viel menschlicher! Der von dem japanischen Bühnenbildner Junpai Kiz geschaffene Bühnenraum erinnernd an imposante japanische Wandschirme aus dem exotischen Papier Washi, durch die das Licht je nach der jeweiligen Szene dringen kann und so ein wunderbares feenhaftes Schattenspiel zum Vorschein bringt. Abgesehen von Ilia, die amerikanische Kleider aus den 1940er Jahren trägt, tragen die anderen Protagonisten mehr oder weniger üppig aussehende Kimonos, die von der japanischen Kostümbildnerin Kayo Takahashi Deschene entworfen wurden. Die entwickelte Ästhetik wirkt durchaus sehr ansprechend und die starken Momente sollten in dieser Aufführung nicht außer Acht gelassen werden. Während der Szene, in der Idomeneo bereit ist seinen Sohn dem Gott Neptun zu opfern, verwandeln sich die Bildschirme plötzlich in ein Gemälde aus der künstlerischen Serie The Hiroshima Panels / Genbaku no zu (1950/1982) die die japanischen Künstler Iri (1901-1995) und Toshi Maruki (1912-2000) am Ende des Krieges geschaffen haben und zwar das Gemälde N° 2: Feuer. Die Bühne erscheint  in einer Variation aus extravaganten Rottönen: Die in Flammen aufsteigen!  Die von der japanischen Lichtbildnerin Yukiko Yoshimoto großartigen phänomenalen Beleuchtungen verleihen dieser Aufführung eine weitere gewaltige Dimension, unterstreicht aber auch das Ausmaß, dass die dramaturgische Arbeit insbesondere in ihren vermeintlichen Zusammenhängen zwischen der antiken Tragödie und dem besiegten tausendjährigen japanischen Imperium von 1945 andeuten will. Die Charaktere als solche verlieren vielleicht bei diesem Ansatz ein wenig von ihrer Substanz, aber überzeugen doch mit einem unbestreitbaren Teil ihre gewaltigen psychologischen Dimension.

IDOMENEO hier mit Andreea Soare (Elettra) @ Mirco Magliocca

Idomeneo gewinnt seine Menschlichkeit zurück…

Die Wiederaufführungen von Idomeneo in der Opéra National Capitole Toulouse im Rahmen einer Koproduktion mit dem Festival Aix en Provence lassen uns hören, wie ein 25-jähriger Mozart in Zukunftsbereiche vordringt, die zu einem Musik-Drama führen werden. So abstrus es für den Durchschnittes-Zuschauer auch sein mag, aber ist The Empire of the Rising Sun (1995) wirklich so unzugänglich? Jedoch verdient diese Produktion auf keinen Fall  eine so sehr gemischte Resonanz, die sie beim Schlussapplaus bekam! Erstens ist es ästhetisch aufwendig und überzeugend ! Darüber hinaus verleiht es der Inszenierung einen hieratischen Aspekt, der an die antike Tragödie erinnert! Kommen wir zum Punkt! Denn wenn für einige Zuschauer das Drama auf der Bühne nicht genug sichtbar ist, so ist es aber im Orchester-Graben überaus blendend dargestellt. Dank eines Orchestre du Capitole gewissermaßen in seiner Blütezeit, kann der junge talentierte italienische Dirigent Michele Spotti diese Musik mit Muße und Fülle in mehr als einem völlig neuen Moment praktisch durchkneten. Somit wird es von einer wahnsinnigen Modernität, die sogar so weit geht, dass Mozart selbst bestimmte mit diesem Werk begonnenen Erfahrungen nicht verlängern hatte. Spotti isoliert, wenn nötig die Pulte, um dieses oder jenes Leitmotiv hervorzuheben und verleiht dieser Oper, deren Partitur er durchpeitscht oder mit Liebe streichelt, um eine fleischliche Lust und auch Menschlichkeit zu erstellen. Und damit auch unwiderlegbar ihren wahren Wert, im Gegensatz zu anderen fundierten Ansätzen beweist: Die sie nur auf veraltete Modelle beschränken! Und zwar in allen Fällen, die unsere Ohren heute nicht mehr hören wollen! In dem Spotti  einfach jeder Note eine Bedeutung gibt, beweist er uns die Universalität eines Genies, das in der Lage ist, mit der Ewigkeit zu verschmelzen. Auch der Choeur de Chambre Les Elements unter der Leitung seines langjährigen Leiter Joël Suhubiette passte sich wunderbar an diese frische und moderne Interpretation mit viel Freude und Spiellust an und das natürlich von der musikalischen und auch von der dramatischen Seite aus.

Für das Werk sind vier Tenöre vorgesehen! Was an sich schon eine Herausforderung ist, aber überwindbar ist. Aber was sicherlich komplizierter ist, dass jeder von ihnen sehr unterschiedliche Klang-Qualitäten haben muss! Das Problem wird noch komplexer, aber die unwahrscheinliche Verteilung, die der Intendant des Hauses, Christophe Ghristi uns anbietet: Löst die Gleichung der Superlative ausgezeichnet! An alle Herren… Heute entdeckt das Publikum den amerikanischen Tenor Ian Koziara. Seine imposante Statur passt perfekt zur Titelrolle, ebenso wie seine Stimme, die mit wohltuender Rundheit, einem fast an Richard Wagner (1813-1883) denkendem Timbre, Weite und Ambitus mitschwingt. Das hindert ihn nicht daran, der furchteinflößenden Arie „Fuor del Mar“ mit tadelloser stilistischer Autorität entgegenzutreten.

Wolfgang Amadeus Mozart in Wien @ IOCO

Idomeneo ist auferstanden? Sicherlich!

Der Interpret seines Sohns Idamante  legt sich gewissermaßen unter die feinnervige  Haut seiner Figur  und das gilt gleichermaßen auch für den Rest dieser Luxus-Besetzung.  Diese wunderbare Rolle wird normalerweise von einer Mezzo-Sopranistin gesungen, hier aber in der seltenen Version für Tenor interpretiert. Und was für ein Tenor! Der französische Tenor Cyrille Dubois in der Rolle des Idamante…Schon körperlich zeichnet  Dubois das Porträt eines sensiblen Wesen dar: Jung, verliebt, naiv, aber auch von seiner Pflicht sehr überzeugt. Der Künstler, weil er auch wirklich einer ist, übersetzt all das in einen unendlichen Melodien-Fluss mit den vielfältigsten Farben. Er schmückt und beeinflusst diese farbenprächtige Dynamik mit seinen edlen Tönen. Als hochtalentierter Stilist und versierter Techniker wird er in allen Arien eine Unzahl stratosphärischer Variationen einbeziehen, die sowohl in ihrer Virtuosität als auch in ihrem Umfang schwindelerregend sind. Als Hommage an den Kastraten Vincenzo Del Prato (1756-1828), der diese Rolle kreierte! Wer wird sich nicht an sein Rondo „No temer amato bene“ mit der obligaten Violine von Kristi Cjezi, 1. Konzertmeister des Orchestre National du Capitole, erinnern? Ein unvergesslicher Moment! Ein großer Idamante ist sicherlich geboren!

Eine weitere Freude ist, dass die hier gewählte Partitur dem Vertrauten Arbace seinen vollen Platz einräumt. Umso besser, aber vielleicht auch kein Zufall, das der Interpret dieser Rolle kein geringerer als der junge tschechische Tenor Petr Nekoranec ist. Seine beiden Arien: „Se il tue duol“ im zweiten Akt und seine große Szene im letzten Akt: „Se colà ne‘ fati è scritto“, dem das üppige Rezitativ: „Sventurata Sidon!“ vorangeht, das an die Arie der Norma (1833) „Casta Diva“ von Vincenzo Bellini (1801-1835) erinnert. Diese zwei außergewöhnlichen Momente, die die hohe technische Meisterschaft dieses Sängers demonstrieren, der seine Sensibilität auch in den Dienst einer Nebenfigur stellt und ihr ein  ungewöhnliches Gewicht verleiht.

Als vierter Tenor präsentiert schließlich der Kroate Krsimir Spicer eine kupferfarbene, kraftvolle orgelnde Stimme, die sich ideal zur Personifizierung des Hohen-Priesters eignet. Die einzige tiefe  Tonlage in dieser Partitur ist der kurze Eingriff von Die Stimme, gesungen von dem jungen französischen Bass Julien Véronèse.

Heute hätte Mozart Schwierigkeiten mit der Parität. Tatsache gehen von sieben Rollen nur zwei an Sopranistinnen. Glücklicher Weise schreiben wir die Geschichte nicht neu! Die französische Sopranistin Marie Perbost übernimmt hier die längste Rolle ihrer jungen Karriere, die der Ilia, der trojanischen Prinzessin, die gewissermaßen in ihren Gefängnis-Wärter verliebt ist. Im Laufe des Abends wird ihre Stimme stärker und beherrscht so gut wie möglich die akrobatischen Situationen, die diese Produktion von allen Sängern erfordert. Diese sitzen oder stehen auf beweglichen Blöcken und sind mit Leitplanken ausgestattet… Dieses Rollen-Debut ist sehr schlüssig! Die Sopranistin beherrscht den virtuosen Stil einer Darbietung, die sie mit unendlicher Musikalität und großer Emotionalität ausstattet. Ihr gegenüber erweist sich die rumänische Sopranistin Andreea Soare in der Rolle der Elettra als würdige  große Schwester ihres Gegenstücks von Richard Strauss (1864-1949). Äußerst monumental in ihren beiden „Wut“-Arien: „Tutte nel cor vi sento“ und dem vulkanischen „D’Oreste von Aiace“, das wohl an die drohenden Verwünschungen von Ortrud im Lohengrin, WWV 75 (1850) von Wagner erinnert. Die Sängerin engagiert sich mit Leib und Seele in dieser gequälten Charakter-Erfindung und der einzige  großartige Moment der Atempause mit der Arie: „Idol mio, si ritroso“ wird hervorragend formuliert und ist voller Emotionen.

Es war ein gewaltiger Moment von Sensibilität und Emotionalität. Wie konnte man erwarten, dass sich ein Idomeneo unter der japanischen Sonne so überaus wohl fühlte  und das ein japanischer Regisseur sich mit einer derartigen Feinfühligkeit in die Welt von Mozart eindringt. Es war für uns der wirklich erste Idomeneo, der uns endlich alle Wünsche erfüllte und uns auch überaus überzeugte. Ja! Idomeneo ist endlich wieder auferstanden!   (PMP/01.03.2024)