Animal Farm
Die gequälten Tiere sind nun Menschen geworden und gleichen ihren Peinigern.
WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN

Nicht unpassend zeitnah zum Termin im Kreml, also einen Tag vor der donnerstägigen Jahrespressekonferenz von Europahasser Wladimir Putin, brachte die Wiener Staatsoper Alexander Raskatovs Georg-Orwell-Adaption Animal Farm. Es ist jenes Stück Literatur, das die Genese einer mörderischen Diktatur schildert. Orwell ging es um den Weg von der Revolution zum Stalinismus. Doch taugt der Klassiker leider immer wieder und gegenwärtig besonders als Politparabel, als genaue Schilderung jener Vorgänge, die eine Utopie in eine Hölle der Unfreiheit verwandeln.

Auch diese 2023 koproduzierte Uraufführung zeigt in aller Klarheit, wie auf die Selbstermächtigung Einzelner die Inbesitznahme von Privilegien und die Unterdrückung anderer folgen. Ebenso, wie Wünsche nach Machterhalt zur permanenten Steigerung von Lügenpropaganda und Gewaltdosis führten. Inmitten der Oper sind auch Originalzitate von Stalin, Trotzki und Geheimdienstchef Lawrenti Beria zu finden. Das blutrünstige Stalin-Motto "Gibt es keine Person, gibt es kein Problem" trifft somit den unsterblichen Orwell-Satz "Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher", hier in Neonbuchstaben präsentiert.

Hindernis Stop-and-Go

Inhaltlich ist die Oper mit Schweinediktator Napoleon (eindringlich mit und ohne Peitsche glaubhaft emapthielos Wolfgang Bankl) also von brisanter Innenspannung. Musikalisch allerdings wird das Werk – im Orchestralen – gleichsam zu seinem eigenen Hindernis. Immer wieder leuchten zwar einzelne reizvolle Passagen auf. Sie sind bisweilen jazzig bes(ch)wingt, dann wieder, wie zu Beginn, von nervös drängenden Linien geprägt.

Passagen, die entschleunigt-klangzauberhaft das Flair einer Spieldose entfalten, sind in diesem handwerklich tadellosen eklektischen Kosmos ebenso zugegen wie brutale Entladungen. Leider entsteht aus der Stil- und Ausdrucksvielfalt jedoch keine Bewegung, kein steter Musiktheatersog, welchen die Geschichte sehr wohl bereithalten würde. Raskatov setzt konsequent auf ein Stop-and-Go-Spiel, das bald zu ermüden beginnt. Als wollte er substanzvolle Fragmente stereotyp aneinanderreihen, unterbricht er permanent den musikalischen Fluss durch Pausen.

Kein Vergleich

Das farbprächtig aufspielende Staatsopernorchester, geleitet von Dirigent Alexander Soddy, gleicht insofern einer Edelkarosse, die alle drei Meter stehenbleibt, sich wieder fulminant in Bewegung setzt, um abermals in den Stillstand zu verfallen. Das ist vom Komponisten zwar bewusst so angelegt, es vermittelt sich der Sinn dieser ermüdenden Selbstbremsung allerdings nirgends.

Zudem scheint der Stil auch von der Regie Damiano Michielettos Besitz ergriffen zu haben. Im Vergleich zu dessen virtuos-leichtfüßigen Salzburger Arbeiten wie Falstaff oder La Bohème wirkt diese halbherzig in der Darstellung einer tierischen Revolution auf der Farm von Mr. und Mrs. Jones (Daniel Jenz und Aurora Marthens), die er einmal effekthascherisch durch den Zuschauerraum laufen lässt. Ein entschieden müder Gag.

Mit Tiermasken

Vermittelt das Anfangsbild mit den in Käfigen eingesperrten Tieren das erschütternde Grauen eines Schlachthofs (Bühne: Paolo Fantin), flacht die Szenerie schnell ins Plakativ-Blutige oder Harmlose ab. Die Sängerinnen und Sänger sind nicht nur mit Tiermasken verhüllt – sie imitieren auch animalisches Verhalten in einer Art und Weise, die sie punktuell auf die Stufe von Laientheater herabkatapultiert, bis sie durch ihre Menschwerdung dann maskenlos doch etwas glaubwürdiger werden.

Nur Applaus

Bis auf jene Momente, in denen sich etwa die Koloraturen von Stute Mollie (glänzend Holly Flack) auch in Körpersprache und Interaktion sinnvoll manifestieren, bleibt es eine leichtgewichtige Arbeit mit tadellosem Ensemble. Dessen Teil waren unter anderem Gennady Bezzubenkov (Old Major), Michael Gniffke (Snowball), Karl Laquit (Benjamin / Young Actress), Elena Vassilieva (Blacky), Artem Krutko (Minimus), Andrei Popov (Squealer) und Clemens Unterreiner (Mr. Pilkington). Für das kurze Glück und schnelle Ende einer Gleichheitsutopie gab es, ist nicht zu verschweigen, allerdings nur Zustimmung. (Ljubisa Tosic,1.3.2024)