"Für mich ist es das erste Mal, dass ich nicht Sympathieträgerin bin - herrlich." Juliane Banse als Vitellia in Mozarts "Titus".

Foto: Staatsoper

Wien - Es gab Zeiten, in denen Juliane Banse praktisch an der Wiener Staatsoper zu Hause war, als sie hier praktisch sämtliche zentralen jugendlichen Sopranrollen sang. Dann kam der Nachwuchs, und es folgte eine Zäsur, die nicht weniger als acht Jahre lang dauern sollte.

Aber nun kehrt sie nach der Eröffnungspremiere der Direktion Dominique Meyer im Oktober 2010 mit Hindemiths "Cardillac" bereits zum zweiten Mal an den Ring zurück - ein Umstand, der die Sängerin mit deutlich fühlbarer Freude erfüllt. Nach wie vor denkt sie mit Dankbarkeit an jene Zeiten zurück, in denen sie einen Residenzvertrag an der Staatsoper hatte, an Vorstellungen, bei denen sie mit Felicity Lott oder Ferruccio Furlanetto auf der Bühne stand.

Ihre Verbundenheit gilt aber nicht nur den Menschen im Rampenlicht: "Wenn man das Haus von den Bühnenarbeitern bis zum Kantinenpersonal kennt, gibt mir das ein Gefühl der Geborgenheit, mit dem ich viel besser arbeiten kann. Ich fühle mich nach wie vor sehr wohl hier."

Neue Herausforderungen

In der Zwischenzeit hat sich einiges bei der 1969 geborenen Sopranistin verändert - nicht nur durch die drei Kinder, aufsehenerregende Engagements in Zürich, München, Berlin oder aber auch durch neue Rollen in Innsbruck, wo Banses ehemalige Lehrerin und bis heute wichtige Mentorin Brigitte Fassbaender soeben ihre letzte Saison als Intendantin des Landestheaters absolviert.

Entsprechend den natürlichen Veränderungen einer reifer werdenden Stimme - und, wie sie bekennt, dank eigener Aufmerksamkeit für ihr Organ ebenso wie der Unterstützung durch Vertraute - ist ihr Repertoire derzeit stark im Wandel begriffen: "Das ist bei mir gerade sehr im Fluss und hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Ich war ja früher vollkommen bei den ganzen Mädchenfiguren zu Hause. Das hat sich inzwischen zu den etwas erwachseneren Mädchen weiterentwickelt, bei denen ich mich ebenfalls sehr wohlfühle, für die ich mir aber auch genügend Zeit nehmen wollte, um in sie hineinzuwachsen."

Bei ihrer Karriereplanung lässt Banse denn auch tatsächlich größte Vorsicht und Überlegung walten: Lachend erzählt sie, dass sie erst beim x-ten Anruf die Entscheidung traf, im kommenden Jahr im Theater an der Wien mit Nikolaus Harnoncourt "Fidelio/Leonore" zu machen und sich in einer anderen Konstellation wohl kaum dazu entschlossen hätte.

Ein vielschichtiger Charakter

Und auch ihrem Rollendebüt an der Wiener Staatsoper als Vitellia in Wolfgang Amadeus Mozarts "La Clemenza di Tito" steht sie mit Respekt gegenüber. Dabei sieht sie die Herausforderung, nun die "etwas erwachseneren Mädchen" zu verkörpern, als durchwegs ausbaufähig an: "Da gibt es für mich sicher noch viel zu entdecken und zu erweitern, aber ich bin bei den etwas größeren lyrischen Partien zweifellos gut aufgehoben."

In der Verschiebung ihres Repertoires hin zu den reiferen Frauenfiguren liegt für Banse neben dem Sängerischen vor allem der Reiz, "dass ich bei diesen Rollen auch schauspielerisch ganz neue Erfahrungen machen kann. Ich liebe das Spielen, und diese Charaktere sind oft viel vielschichtiger. Vitellia ist unglaublich faszinierend. Für mich ist diese Rolle das erste Mal, dass ich nicht die Sympathieträgerin bin - das ist herrlich, irgendwie befreiend."

Auch an der Form der Opera seria sieht die Sängerin in erster Linie Positives: "Bei einer romantischen Oper springt einem der Ausdruck sozusagen direkt ins Gesicht. Bei einem Stück wie dem 'Titus' mit seiner strengen Form muss man sehr auf die Details schauen, denn genau da sagt Mozart, was er sagen möchte." Währenddessen möchte Banse aber gar nicht leugnen, dass der "Titus" auch seine dramaturgischen Probleme mit sich bringt:

"Die Krux des Stücks sind die Rezitative, die vom Text her fantastisch sind, musikalisch aber weniger. Sie sind halt nicht von Mozart selbst. Das führt jedes Mal zu Diskussionen, wie viel man streichen kann. Es ist aber eine unglaublich spannende Story, und mit Regisseur Jürgen Flimm kann man stundenlang über eine Figur philosophieren. In dem Stück ist allerdings viel mehr drin, als man in einer einzigen Inszenierung an den Tag befördern kann. Und man muss sehr genau arbeiten." (Daniel Ender, DER STANDARD, 16.5.2012)