Garanca: „Mit Verdi lasse ich mir noch Zeit“

(c) Dapd (Ronald Zak)
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Die lettische Mezzosopranistin spricht vor ihrer Wiener „Titus“-Premiere über die nächste Sängergeneration, Mozarts Genialität, den Umgang mit Regisseuren und die Erweiterung des Repertoires.

Sie ist die Diva aus der Mezzoregion: Selbst neben Anna Netrebko in der legendären TV-Übertragung von Donizettis „Anna Bolena“, dem Höhepunkt der ersten Spielzeit der neuen Wiener Staatsopern-Ära, wurde Elina Garanca nicht zur „Seconda Donna“. Sie blieb ebenbürtige Partnerin. Stimmliche Ausdruckskraft wie schauspielerische Präsenz rühmen Rezensenten weltweit an der lettischen Künstlerin.

Mittlerweile ist Garanca Mutter geworden und feiert in Wien ihr Comeback nach der Babypause: als „Rosenkavalier“. Nächsten Donnerstag ist sie der Sextus in der ersten der beiden Festwochen-Premieren des Hauses, Mozarts „Titus“. Und es klingt gar nicht kokett, wenn sie im Gespräch erklärt: „Ich war gewöhnt, immer die jüngste in einem Ensemble zu sein. Das ist vorbei. Abgesehen von Juliane Banse und Michael Schade sind alle jünger als ich. Und ich muss sagen: Es ist toll, den aufstrebenden Kollegen zuzuschauen. Man spürt vom ersten Moment an Persönlichkeit, den Mut, sich durchzusetzen. Ich versuche mich da zu erinnern, ob ich auch so war.“

Ihre Zeit im ersten Engagement am Staatstheater Meiningen beschreibt Elina Garanca heute als „extreme Erfahrung. Ich war ja ganz jung. Konnte kein Wort Deutsch. War zum ersten Mal weg von zu Hause. Man ist einsam. Aber man ist auch stolz, sein erstes Geld zu verdienen...“

Mozarts Psychologie

13 Jahre später ist sie ein Weltstar und freut sich, mit Jürgen Flimm Mozarts Prager Krönungsoper zu erarbeiten. „Man sagt immer wieder, dass diese Oper nicht ganz vollkommen ist, weil die Rezitative nicht von Mozart stammen. Aber in den Arien und Ensembles arbeitet Mozart genauso psychologisch tiefgreifend wie in seinen anderen großen Opern! Wir haben die Rezitative ein bisschen verkürzt und versuchen, die Geschichte nicht als eine Art Historiendrama zu erzählen, sondern wir spüren die psychologischen Beweggründe auf, die die Handlung in Gang bringen.“

Das sei keinen Deut weniger spannend als bei den berühmteren Mozart-Opern: „Bei Mozart steht oft ein Fragezeichen am Ende. Am meisten diskutiert bei ,Così fan tutte‘. Aber auch hier darf der Zuschauer weiterdenken: Was passiert mit Sesto? Werden Servilia und Annio glücklich miteinander?“

In Meisterwerke einzudringen, zählt zu den spannenden Herausforderungen ihres Berufs. „Wenn ich die Oper nicht kenne, nehme ich den Klavierauszug, kaufe eine CD und höre mir das Stück einmal an.“ Was die Darstellung betrifft, versucht sich Garanca vor Beginn der Probenarbeit frei zu halten von allzu fixen Ideen: „Ich versuche, die psychologische Ebene einer Partie nicht vollständig zu Hause zu erarbeiten. Es kann ja oft vorkommen, dass man zur Probe kommt, und der Regisseur öffnet einem eine ganz andere Tür! Ich bin ja durchaus auch dafür zu haben, einmal etwas ganz anders zu machen, als ich es mir zunächst vorgestellt habe. Ich will von einem Regisseur nur wissen, warum was passieren soll. Wenn er mir das erklären kann, dann kann ich gut mit ihm arbeiten.“

Auf akribische Einstudierungsarbeit legt Elina Garanca vor allem dann Wert, wenn sie eine Rolle das erste Mal auf der Bühne singt: „Wenn man eine Figur da ganz nahe an sich heranbringen kann, hat man für die Zukunft viel gewonnen. Das hat Jonas Kaufmann unlängst auch gesagt: Das erste Mal ist das wichtigste. Das ist ja bei den meisten Dingen im Leben so...“

Singt man eine Partie dann in vielen verschiedenen Inszenierungen, dann wächst auch die eigene Interpretation mit: „Klar, wenn man eine Partie zehn Jahre lang singt, dann ist die Interpretation so etwas wie eine Sammlung der Höhepunkte von 25 Produktionen!“ Wobei die Künstlerin sich glücklich schätzt: „In den 13 Jahren, die ich auf der Bühne stehe, bin ich nie einem Regisseur oder einem Dirigenten begegnet, über den ich sagen musste: mit dem nie wieder.“

Mittlerweile hat sie einen Status erreicht, der ihr ermöglicht, mit Regisseuren vorab Gespräche zu führen, bevor sie für eine Produktion zusagt: „Vor meinem ,Carmen‘-Debüt an der Metropolitan Opera gab es ein Treffen mit dem Regisseur in London. Wir haben in einem langen Dialog festgestellt, dass unsere Vorstellungen gar nicht so weit auseinanderliegen.“

Die Carmen wird Elina Garanca kommende Saison auch in Wien verkörpern. Außerdem freut sie sich, international ihre Lieblingspartien singen zu können, „immer wieder den ,Rosenkavalier‘, auch die Charlotte im ,Werther‘, den Sesto oder auch die Marguerite in ,Damnation de Faust‘ von Berlioz.“

In diesem Fach fühlt sich die Stimme wohl. „Natürlich kommen immer wieder Angebote für die Eboli im ,Don Carlo‘ oder die Amneris in ,Aida‘. Und natürlich reizen mich diese Angebote. Aber die Amneris werde ich frühestens in fünf Jahren singen.“

Verdis Verlockungen

Auch Partien wie Saint-Saens' Dalila: „Die Intendanten stecken uns in Schubladen. Wer einmal die Dalila gesungen hat, wird einfach nicht mehr als Sesto engagiert.“

Dem will Garanca entkommen. Doch träumt sie durchaus von Repertoire-Erweiterungen: „Dido in Berlioz' ,Trojanern‘ kommt demnächst. Die ,Favorita‘ würd' ich gern singen und die Santuzza in ,Cavalleria rusticana‘. Auch die ,Navarraise‘ von Massenet – das wäre einmal ein schöner Doppelabend. Wir Mezzosoprane haben ja nicht so viele Hauptpartien!“

Die Chance, eine neue Partie einmal an einem kleineren Haus auszuprobieren, hat ein Star wie die Garanca heutzutage nicht mehr. Wie weit man den Versuchungen nachgeben soll und darf, verrät die Stimme bei Proben in den eigenen vier Wänden. Das jetzt siebeneinhalb Monate alte Töchterchen wird also jedenfalls die ersten Takte der Amneris ihrer Mama als Erste vernehmen. Und wächst mit Passagen aus Verdis Requiem auf: „Das singe ich jetzt erstmals – am 1. September unter Daniel Barenboim auch bei den Salzburger Festspielen.“

Opernpremiere

„La Clemenza di Tito“ hat am 17.Mai in der Staatsoper Premiere. Es dirigiert Louis Langrée, Regie führt Jürgen Flimm, Michael Schade singt den Tito. Weitere Termine: 21., 24., 27.Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2012)

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