Während sich die Kreativität vieler Opernhäuser hierzulande beim Weihnachtsprogramm oftmals auf Mozarts Zauberflöte und Humperdincks Hänsel und Gretel beschränkt, zeigt die Oper Frankfurt entgegen der Trends, aber ganz auf der Linie ihrer besonderen Spielplangestaltung, eine ihrer so sehr geschätzten Raritäten: Die Nacht vor Weihnachten von Nikolai A. Rimsky-Korsakow. Ein selten gespieltes Werk, aber dennoch eine geradezu perfekte Wahl für die Weihnachtszeit.

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Georgy Vasiliev (Wakula)
© Monika Rittershaus

Basierend auf der Erzählung von Nikolai Gogol entfaltet sich eine überaus märchenhafte, aber ohne allzu viel Kitsch auskommende Inszenierung, die sich charmant an der Nostalgie russischer Märchen, aber zugleich auch an einer zeitgemäßen Ästhetik orientiert. Nur einzelne, für die Handlung notwendige Requisiten sind durch den Regisseur Christof Loy auf nahezu leerer, mit weihnachtlichen Farben stimmungsvoll ausgeleuchteter Bühne platziert.

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Julia Muzychenko (Oksana)
© Monika Rittershaus

Zwischen einer promiskuitiven Hexe, deren Liebhaber in Jutesäcke gesteckt werden, einem Teufel, der den Mond versteckt und einem verliebten Schmied, der die goldenen Schuhe der Zarin stehlen muss, um seine Geliebte für sich zu gewinnen – diese zunächst verworren anmutenden Handlungsstränge verknüpft Loy ganz organisch und entfaltet eine hinreißende Weihnachtsgeschichte der etwas anderen Art. Seine mit allerlei Humor gespickte Personenregie lässt das Geschehen zur unterhaltsam magischen Realität werden. Mit einer fantastischen Leichtigkeit muss niemand wirklich bangen, denn alles fügt sich am Ende zum Guten: Das Liebespaar findet zueinander, die Liebhaber lachen über ihr Ungeschick und man bejubelt nicht die großzügige Zarin, sondern stimmt zum Lobpreis auf den Dichter Gogol an. So schön ist es eben nur im Märchen und wann, wenn nicht an Weihnachten, soll dies gestattet sein?

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Andrei Popov (Teufel)
© Monika Rittershaus

Rimsky-Korsakow gilt als Meister der Instrumentationskunst. Seine Musiksprache bedient sich in dieser Oper reicher Klangfarben mit wiederkehrender Leitmotivik, kombiniert mit Melodien ukrainischer Volkslieder, dessen Ergebnis ein einnehmendes wie unterhaltsames, zugleich berührendes und sehr wohl zu Unrecht vergessenes Werk ist. Der Dirigent des Abends Takeshi Moriushi vermochte als sog. Studienleiter der Oper Frankfurt musikalisch viel mehr aus dieser Partitur herauszuholen als sein Titel zunächst ahnen ließ: Die Holzbläsergruppen, Klarinette und Fagott, herausarbeitend, diese in den schwungvollen, facettenreichem Klang des Streicherapperats einarbeitend, gelang es ihm die Genialität von Rimsky-Korsakows Instrumentierung erlebbar werden zu lassen. Die mannigfaltigen Stimmungen der einzelnen Szenen – changierend zwischen Massenauftritten des Opernchors, vitalen Zwischenspielen mit Tanzeinlagen des Ballett, bis hin zu innigen kammermusikalischen Monologen des Schmieds Wakula – wurden unter Moriushis musikalischer Leitung durch geschickte Schattierungen im tiefen Blech stetig neu austariert und mit Leben gefüllt. Das bestens intonierte Frankfurter Opern- und Museumsorchester folgte seinem Dirigenten mit Spielfreude und in Präzision. Der von Tilman Michael einstudierte Frankfurter Opernchor fügte sich der orchestralen Qualität in imposanten klang- und facettenreichem Ausdruck.

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Ayelet Polne (Koljada)
© Monika Rittershaus

Glücklicherweise konnte die exquisite Besetzung der Premierenserie auch für die Wiederaufnahme weitestgehend beibehalten werden. Als Schmied Wakula überzeugte so Georgy Vasiliev mit märchenhaft wandelbarer, prinzenhaft an Mozarts Tamino anlehnende Tenorstimme. Vasiliev ließ die Leidenschaft, den Tatendrang und auch als das Bangen seiner Figur spürbar werden. Julia Muzychenko glänzte in ihren beiden exaltierten, mit Koloraturen gespickten Arien als Oksana, der geliebten des Schmied Wakula. Ihre Sopranstimme schillerte glasklar und war von einer präzisen Agilität geprägt und kokettierte charmant mit ihrer Rolle als Objekt der Begierde des einfachen aber ehrlichen Schmieds.

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Enkelejda Shkoza (Solocha) und Alexey Tikhomirov (Tschub)
© Monika Rittershaus

Mit Andrei Popov verkörperte der mitunter renommierteste Charaktertenor für das russische Fach die Partie des Teufels. Mit gleißend heller, zugleich eindringlicher Stimmfarbe und szenisch dominanter Präsenz sang er seine Partie gar kopfüber aufgehängt von der Bühnendecke. In der Partie der Solocha, Witwe und Hexe zugleich, schöpfte die Mezzosopranistin Enkelejda Shkoza mit tief komischer Charakterdarstellung aus den Vollen ihres Stimmorgan. Shkoza bestach mit einer Bühnenpräsenz und Ausdrucksstärke, die jene von Andrei Popov kongenial supplementierte und diese so zu einem Duo Infernale verkommen ließ.

Sehr ästhetisch in Szene gesetzt, brillierte auch das Ballett mit der im Mittelpunkt stehenden, zauberhaft graziös tanzenden Eva Polne, welche als jungfräuliche Göttin Koljada glänzte.

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Die Nacht vor Weihnachten
© Monika Rittershaus

Auch in der Wiederaufnahme bewies die Oper Frankfurt, dass die mittlerweile auf DVD erscheinende Nacht vor Weihnachten zurecht als „Inszenierung des Jahres 2022“ durch die Opernwelt ausgezeichnet wurde. Die Produktion von Christof Loy rückt so eine echte Rarität wieder ins Rampenlicht und verhalf der Oper Frankfurt damit zum wiederholten Mal den Titel des „Opernhauses des Jahres“ zu ergattern. Angesichts einer so passenden, wie kreativen Spielplangestaltung eine durchaus verdiente Ehre, denn mit diesem Werk bewies das Haus erneute Treffsicherheit bei der Spielplangestaltung fernab der Konvention und mit viel Mut für Neues.

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