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Herbstfestspiele Baden-Baden mit grandiosem "Werther"

| Christine Gehringer | PAMINA kurz notiert

Einen glänzenden Eindruck hinterließ gestern die erste Aufführung der Oper „Werther“ von Jules Massenet im Rahmen der Herbstfestspiele im Festspielhaus Baden-Baden (eine ausführliche Besprechung folgt).
Regisseur Robert Carsen nimmt in seiner Inszenierung einen engen Bezug auf Goethes Briefroman und verlegt die Handlung in den Lesesaal einer (Universitäts-)Bibliothek. Damit wird angedeutet, dass in der Literatur-Vorlage die Figuren nur durch das Schreiben, nämlich durch die Augen Werthers entstehen.
Zum anderen befreit dies aber auch die unglückliche Liebesgeschichte zwischen Werther und Charlotte, das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen Leidenschaft und Sicherheit von sämtlichen naturalistischen oder biedermeierlichen Illustrationen. Der Konzentration auf das reine Gefühls- und Seelenleben wird damit Raum gegeben.

Auf diese Weise – auch dank der grandiosen Darsteller – gelingt ein ebenso packendes wie auch erschütterndes Drama. In der Titelrolle glänzt der amerikanische Tenor Jonathan Tetelman, der Kraft und Klangschönheit gleichermaßen vereint. Eine schier unglaubliche Flut an Farben und Stimmungen zeigt die Mezzosopranistin Kate Lindsey als Charlotte; einen hellen Kontrast dazu setzt mit schlankem und beweglichen Sopran Elsa Benoit als Sophie. Den Gegenpol zu Werther – nämlich Kontrolle und Rationalismus statt ungebremster Leidenschaft – verkörpert Nikolai Zemlianskikh, der als Albert jedoch durchaus auch manche „schwärmerischen“ Nuancen zeigt. Auch die weiteren Darsteller überzeugen, insbesondere die Jugendlichen der Karlsruher Singschule „Cantus Juvenum“.

Dieses Seelendrama wird aber vor allem auch frei gelegt durch Thomas Hengelbrock am Pult des Balthasar-Neumann-Orchesters: Das Ensemble ist nicht nur in jeder Stimmgruppe hervorragend disponiert, sondern hat auch eine Ausdruckspalette zu bieten, die vom seligen Schweben, von der großen Ekstase bis hin zu geisterhaften Klängen und zum tiefen emotionalen Absturz reicht – das alles aber stets richtig dosiert und niemals überzogen.
Für die unbedingt empfehlenswerte Produktion gibt es am morgigen Sonntag, den 26.11., 17 Uhr, noch Restkarten.