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WIEN / Staatsoper: Wiederaufnahme DIE FRAU OHNE SCHATTEN

Ein Fest der großen Stimmen und ein Triumph für Thielemann

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Elze van den Heever (Kaiserin), Michael Volle (Färber). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: Wiederaufnahme DIE FRAU OHNE SCHATTEN

9. Aufführung in dieser Inszenierung

14. Oktober 2023

Von Manfred A. Schmid

Mit einer fabelhaft guten Besetzung kann die Staatsoper bei der Wiederaufnahme von Die Frau ohne Schatten aufwarten. Es ist eine Aufführung zum geradezu permanenten Niederknien vor den grandiosen Leistungen der Sängerinnen und Sänger. Vor allem aber ist es der Abend des Christian Thielemann, der sich wieder einmal als der wohl beste Strauss-Dirigent der Gegenwart  erweist und die dreieinhalbstündige Partitur bis in die filigransten instrumentalen Details hinein kundig auslotet, die lyrischen Passagen voll inniger Zärtlichkeit hell aufleuchten lässt, aber auch die offenbar alle Schallmauern durchbrechenden Höhepunkte so gestaltet, dass die Stimmen ihre Gesangslinien frei und unbehelligt gestalten können und nie zum Forcieren gezwungen sind. Wenn es einen Dirigenten gibt, der wie Karajan den Protagonisten auf der Bühne einen musikalischen Teppichboden ausbreiten kann, in dem sie nicht versinken, der ihnen Halt gibt und auf den sie sogar tanzen können, dann ist es Christian Thielemann, der mit dem unvergleichlichen Orchester der Wiener Staatsoper freilich auch einen idealen Partner zur Durchsetzung seiner Ziele zur Seite hat. Da trifft es sich gut, dass Thielemann nach der Vorstellung auf der Bühne zum Ehrenmitglied des Hauses ernannt und vom Publikum und der großen Künstlerschar begeistert und voll Dankbarkeit gefeiert wird. Ein würdiger Abschluss eines denkwürdigen, beglückenden Opernabends

Die aus Südafrika stammende Elza van den Heever ist eine kraftvoll singende Kaiserin, die die in der Höhenlage besonders fordernde Partie mit imponierender Leichtigkeit meistert und über dem Orchester wie zu schweben scheint. Atemberaubend, wie sie in der Schlussszene, alle und alles überstrahlend, das hohe C erklingen lässt, nicht schrill, sondern markig und hell. Ein Rollendebüt als mitreißendes Ereignis, wie es auch bei Camilla Nylund bei der Premiere 2019 der Fall war.

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Tanja Ariane Baumgartner (Amme), Andreas Schageer (Kaiser)

Der Kaiser hat in der Oper nur drei relativ kurze Auftritte zu absolvieren, weil er ansonsten immer auf der Jagd ist. Das hängt wohl mit der Abneigung des Komponisten gegenüber Tenören zusammen, der im Rosenkavalier bekanntlich dem Tenor nur einen einzigen Auftritt mit einer Arie bei der Morgentoilette der Marschallin zugebilligt hat. Da ist der Kaiser vergleichsweise ohnehin ganz gut bedient. Andreas Schager, schon als Premierenbesetzung vorgesehen, aber krankheitsbedingt von Stephen Gould ersetzt, kann mit seinem sicheren, strahlkräftigen Tenor natürlich auch in dieser Rolle nachhaltigen Eindruck machen.

Einen starken Eindruck hinterlässt die russische Sopranistin Elena Pankratova bei ihrem Rollendebüt als Färberin. Sie wandelt sich von einer in der kinderlos gebliebenen Ehe frustrierten Frau in eine mitfühlende, an der Seite ihres Mannes erwartungsvoll in die Zukunft blickende Gattin. Dabei wird ihr nuancierter Sopran zu einem Sprachrohr für innige Liebe und Hingabe. Eine starke Leistung.

Michael Volle ist ein sympathischer, besorgter und mit einem warm und seelenvoll klingenden Bariton ausgestatteter Färber, der nur einmal die Fassung verliert, als er von seiner Frau erfährt, dass sie ihn mit einem Jüngling betrogen hat, was nicht stimmt, nahe daran ist, sie zu erwürgen. Damit steht er nicht alleine da, denn ähnliches geschieht auch in der Beziehung zwischen der Kaiserin und dem Kaiser, der, eifersüchtig geworden, auch kurz an Femizid denkt und damit den Vorwurf, dass die Oper von Strauss und Hofmannstahl eine patriarchalische Gesinnung vertrete, nichtr als ganz unbegründet erscheinen lässt.

Tanja Ariane Baumgartners Amme ist die fiese Figur der Oper. Sie ist es, die die Kaiserin manipuliert und die Färberin dazu überredet, ihren Schatten, Kennzeichen ihrer Gebärfähigkeit, an die Kaiserin zu verkaufen. Ihrem hartherzigen, rein pragmatischen Wesen ist es egal, dabei den Färber und seine Frau ins Verderben zu schicken. Diese herrische, bevormundende und alle Strippen ziehende Frau, die am Schluss dazu verurteilt ist, in Hinkunft unter den Menschen, die sie zutiefst verachtet, leben zu müssen, wird von Baumgartner mit Nachdruck und eindrucksvoll auf die Bühne gestellt.

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Elena Pankratova (Färberin)

Beachtlich ist die stimmige Besetzung aller weiterer Rollen, die bis hin zur  kleinsten Nebenrolle namhaften Kräften aus dem Haus zugeteilt werden. Allen voran Clemens Unterreiner als Geisterbote, Jörg Schneider als Stimme des Jünglings und Maria Nazarova als Hüter der Schwelle des Tempels und Stimme des Falken.

Gute Leistungen erbringen Martin Häßler, Evgeny Solodovnikov und Thomas Ebenstein als Brüder des Färbers. Durchwegs glanzvolle Namen finden sich unter den Dienerinnen, den Stimmen der Ungeborenen und den Solostimmen: Ileana Tonca, Anna Bondarenko, Szilvia Vöros, Miriam Kutrowatz, Stephanie Houtzeel, Noa Beinbart sowoe Stephanie Maitland. Die meisten von ihnen in Doppelrollen.

Die Inszenierung (Vincent Huguet) sorgt für eine gut bespielbare Einheitsbühne und angemessene Abläufe, enthält sich aber jeglicher Deutung der überaus komplexen und bedeutungsschweren Handlung. Deshalb ist es vor allem der  musikalisch überaus gelungene Opernabend, der überschwänglich beklatscht wird. Den stärksten Applaus bekommt Christian Thielemann. Voll zurecht. War doch sein Abend, Ehrenmitgliedschaft inkusive.

 

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