Staatsoper Wien Trittico
Alle Familienmitglieder hoffen, dass der schlaue Mann ihnen zum fetten Erbe verhelfen wird, doch es gibt eine ziemliche Enttäuschung: Gianni Schicchi (grandios: Ambrogio Maestri, M.) macht sich in Puccinis Einakter selbst zum Haupterben des toten Donati.
Staatsoper/Pöhn

Als könnte sie es nicht erwarten, dass es endlich weitergeht, lässt die Berliner Regisseurin Tatjana Gürbaca das Finale von Il Trittico bereits vor Ende der zweiten Pause beginnen. Während das Publikum noch zu seinen Plätzen schlendert, nimmt jener Tote, um dessen Testament es in Gianni Schicchi gehen wird, der bedauernswerte Buoso Donati, noch ein letztes herzhaftes Abendmahl. Er verschlingt Spaghetti, schlürft dazu Rotwein und wirft ein paar Pillen ein, während aus einem Radio aufgeregte Männerreden und mutmaßlich Gesänge aus seiner Schicchi-Oper zu hören sind.

Das Testament stört

Aber das war’s dann auch mit dem Diesseits: Röchelnd fällt Donati um und sein Kopf in den nudelvollen Teller, die Oper kann beginnen! Hernach ist in der Erbschaftssatire reichlich Tohuwabohu angesagt. Die märchenhaft-karnevalesk gewandete Verwandtschaft schart sich um die Leiche und den schlauen Herrn Gianni Schicchi, der Schlimmes verhindern soll. Indem er den Toten mimt, soll er dem Notar ein neues Testament diktieren. Der Verblichene hatte ursprünglich seinen ganzen Besitz einem Kloster vermacht.

Hier ist die Regie von Gürbaca in Bestform und als Schicchi natürlich Ambrogio Maestri ein Virtuose der Situationskomik. Der Salzburger Falstaff des Jahres 2013 verfügt über zahllose vokale Valeurs, um Heuchelei, Perfidie, aber auch samtig weiche Schmeichelei darzustellen und zu hauchen. Um ihn herum ein exquisites quirliges Ensemble. Als seine Tochter Lauretta, die sich schließlich mit Rinuccio (edel und leicht im Klang: Bogdan Volkov) am Boden glücklich der Ehe entgegenwälzt, erweist sich Serena Sáenz als solide Advokatin des Hits O mio babbino caro.

Der Sohn lebt hier

Ansonsten? Tadellos humorige Blicke in Abgründe familiärer Gier und Niedertracht, bei dem auch Michaela Schuster als aufgeregte Zita zugegen war. Zuvor gab sie im Mittelteil von Il Trittico, also in Suor Angelica, pointiert jene fürstliche Tante, die im Kloster nicht nur raucht. Sie eröffnet Schwester Angelica, dass ihr angeblicher Fehltritt", der sie in klösterliche Abgeschiedenheit zwang, ihr Sohn also, tot sei.

Eleonora Buratto bewältigt die Partie der bedauernswerten Angelica mit den horrenden Höhenanforderungen eindringlich, zuweilen fragil, aber zumeist mit Bravour. Die emotionale Aufgewühltheit der tragischen Figur wird mit dramatischer Eindringlichkeit geadelt. Gürbacas Regie verzichtet bei Suor Angelica auf die finale religiös-verkitschte Verklärung der freiwillig aus dem Leben scheidenden Figur und verstärkt Angelicas Schmerz durch eine Zusatzidee: Die fürstliche Tante kommt noch einmal – und dann mit dem quicklebendigen Söhnchen – zurück, während Angelica erkennen muss, dass sie getäuscht aus dem Leben scheidet.

Auf der kargen Bühne (Henric Ahr) hat die Regisseurin auch im eröffnenden Eifersuchtsdrama Il tabarro eine spezielle Volte eingebaut. Der Schiffer Michele tötet nicht nur den Liebhaber seiner Frau Giorgetta. Nachdem er Luigi (intensiv: Joshua Guerrero) erdolcht hat, schneidet sich Michele selbst die Kehle durch.

Bevor es in "Il triticco" heiter mit dem Einakter "Gianni Schicchi" endet, gibt es reichlich Tragödie. In "Il tabarro" scheitert die Ehe zwischen Michele (Michael Volle) und Giorgetta (Anja Kampe).
Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

In Il tabarro sind übrigens alle Höhen und Tiefen der Personenführung zu erleben. Es gibt Leerlauf an der Rampe, während im Hintergrund eine Prozession der Figuren vorbeizieht. Es ist am grandiosen Michael Volle, das Drama dann doch entscheidend zu verdichten. Bei ihm verschmelzen Töne und Gesten in der Darstellung von extremer Emotion auf das Packendste. Auch Anja Kampe zeigt als Giorgetta kraftvoll jene Verzweiflung, die aus der Unmöglichkeit herrührt, aus dem Alltag auszubrechen. Ihre Töne, bisweilen zwar recht grell, sind mehr als Töne: Sie tragen die Farbe der Verzweiflung in sich.

Blumen für Jordan

Dirigent Philippe Jordan animiert das philharmonische Staatsopernorchester zu einem Stil, der vom sanften, kultivierten Dahinströmen geprägt war, allerdings im dramatischen Aufbäumen ein wenig überzog. Sogar der entfesselte Volle wurde punktuell übertönt. Ziemlich schade. Es verbreitet der orchestrale Ansatz jedoch im Grunde jenen typischen Puccini-Stil sehr prägnant, der dem Ohr melodisch schmeichelt, jedoch nicht vergisst, Szenen und Charaktere pointiert zu kommentieren.

Wieder, wie bei den letzten Premieren, demonstrative Blumensträuße für Philippe Jordan, daneben aber ein paar Buhs für die Regie, was doch ziemlich verwunderte. Die sehr respektable Arbeit von Tatjana Gürbaca war im Bereich der sehr zugänglichen, freundlichen und klaren Erzählkunst angesiedelt. Das Konzept konzentrierte sich auf die Figuren, über denen ein nach und nach verblassendes Fragment von Giorgettas Erkenntnis "Es ist schwer, glücklich zu sein" als Leuchtschrift schwebte – als essenzieller Teil des Bühnenbilds. Eine recht aparte Idee, die sicher auch kommendes Jahr, wenn Puccinis 100. Todestag gefeiert wird, aufleuchten wird. (Ljubiša Tošić, 5.10.2023)