Carinthischer
Carinthischer "Ring"-Zauber: Bei den Gibichungen gleißt Neonlicht.
Stadttheater Klagenfurt/Poeschl

In Aron Stiehls Klagenfurter Ring-Inszenierung folgt das Vorspiel am Schluss. Der kommt erst 2024/25 an die Reihe. Aber seit Donnerstag ist Wagners Bühnenfestspiel mit einer musikalisch wie szenisch hochkonzentrierten, stellenweise atemberaubenden Götterdämmerung schon einmal bis zum dritten und letzten Tag vorausgeeilt. Nicholas Milton als Dirigent, Stiehl als Regisseur, Okarina Peter und Timo Dentler als Bühnengestalter und Günter Wallner als Chor-Chef garantieren den künstlerischen Zusammenhalt der originellen Neudeutung des Bühnenkolosses. Der Finne Sami Luttinen als stimmgewaltiger, düsterer Hagen und die Covent-Garden-geadelte Katherine Broderick als ebenso tiefempfundene wie hellauf leidende Brünnhilde verstreuen gesanglich das Gold, um das es den ganzen fünfeinhalbstündigen Abend lang geht.

Wieder ist die Optik wohl austariert zwischen Werktreue und Zeitgemäßheit. Die Rheintöchter kämmen sich das Haar wie die Loreley in wallenden Taftgewändern, die sie hoch über den nackten Beinen schürzen wie Cancan-Tänzerinnen. Goldgelber Nebel streicht über den Boden. Die nötige Assoziation des Wassers steuert Sichtbeton bei, den man am ehesten unter einer Autobahnbrücke erwartet. Fast schon genial die szenische Lösung des letalen Finales: Der von Hagen rücklings gemeuchelte Held, sein Ross Grane und die betrogene, jetzt gerächte Gattin Brünnhilde entschwinden im Flammenmeer – da strömt der Chor als Schar von Feuerbestattungsbesuchern herbei, und es macht sich erstaunlich entspannte Krematoriumsstimmung breit.

Lust des Orchesters

Jetzt hat der Australier Nicholas Milton das Paradies nicht verloren, wie man dem Familiennamen nach vermuten könnte, sondern mit seinem Kärntner Sinfonieorchester in Form von Wagners wilder Klangwucht nach mehr als 50 Jahren für den Wörthersee wiedergewonnen. Man fühlt förmlich, welche Lust dem Orchester jedes Aufwallen der Instrumente bereitet, jeder kaskadenartige Überschlag der Tonwogen, und dann jedes lyrische Auslaufen ins kaum mehr Hörbare der Streicher. Es ist ein einziger musikalischer Genuss, hoch ansteckend für das Ensemble.

James Kee, Nachwuchs-Wagnersänger aus den USA, hält nicht nur stimmlich nach Kräften mit, sondern wird darstellerisch zur Leitfigur des Abends. Wobei zu sagen ist, dass die Regie die Sängerinnen und Sänger bis in die gesamte Körpersprache hinein zum Ausdruck bewegt. Wie Marian Pops Gunther, sonst ein rechter Unglückswurm, sich die Manschetten und den Kragen richtet, bevor er der übermächtigen Brünnhilde gegenübertritt, ist ein wunderbares optisches Detail.

Es wird später vom ganzen Volk der Gibichungen aufgenommen, wenn es zum so unglücklich verlaufenden Hochzeitsfest antritt. Und da sind, auf der Habenseite der Produktion, mindestens auch noch Clara Nadeshdins Gutrune und die sich herzzerreißend gegen den unvermeidlichen Untergang der alten Weltordnung stemmende Waltraute von Veronika Dünser. (Michael Cerha, 22.9.2023)