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Musikfestspiele
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Tiroler Festspiele Erl Sommer

06.07.2023 - 30.07.2023


Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Libretto und Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5 h 35' (zwei Pausen)

Premiere im Passionsspielhaus am 16. Juli 2023

 

 

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Großes Finale des Zyklus in einer überzeugenden Personenregie

Von Thomas Molke / Fotos: © Xiomara Bender (TFE Presse)

Nachdem am 8. Juli 2023 Wagners Siegfried in der Inszenierung von Brigitte Fassbaender bei den Tiroler Festspielen in Erl eine umjubelte Premiere gefeiert hat, kommt der Zyklus eine Woche später mit Wagners Götterdämmerung zu seinem Abschluss, bevor im nächsten Sommer dann der komplette Ring des Nibelungen in zwei zyklischen Aufführungen zu erleben sein wird. Und Fassbaender, die während ihrer internationalen Karriere als Sängerin diesem Werk vor allem in der Partie der Fricka begegnet ist, hat auch im letzten Teil des Zyklus, der sie nach eigener Aussage im Programmheft zwar nicht zur "Wagnerianern" gemacht, aber "verwagnert" habe, in dem von ihr als "Schauspiel mit Musik" bezeichneten Stück einiges zu erzählen und findet gerade zum Ende hin wieder interessante Einfälle in der Personenregie, die selbst dem Teil des Publikums, das seit vielen Jahren von Ring-Inszenierung zu Ring-Inszenierung reist, einige Überraschungen bieten dürfte.

Das Nornenvorspiel inszeniert Fassbaender als Kaffeekränzchen drei älterer Damen, die jede an einem Schal in einer anderen Farbe stricken. Eine der drei Nornen sitzt dabei schon zu Anfang in der Mitte der Bühne, während die anderen von den beiden Seiten dazukommen und die Erzählungen vom Vergangenen bisweilen auch wie alte Frauen mit einem verächtlichen "Tz, tz, tz" kommentieren. Die Geschichte verliert dabei ein bisschen von der eigentlichen Dramatik, und auch das Reißen des Seils bleibt relativ unspektakulär, wenn die drei mit ihrem Strickzeug abgehen. Brünnhilde und Siegfried findet man dann im Anschluss an dem gleichen aus dem Bühnenboden hochgefahrenen Podest vor, an dem man sie am Ende des Siegfried verlassen hat. Das Pferd Grane, mit dem Brünnhilde Siegfried auf dem Weg zu neuen Heldentaten entlässt, ist eine Kette, die sie ihm als Erinnerung an sie umhängt. Er wird diese Kette dann, nachdem er vom Vergessenstrank gekostet hat, an Gutrune verschenken. Stimmlich scheinen Christiane Libor und Vincent Wolfsteiner als Brünnhilde und Siegfried zu Beginn noch nicht ganz auf der stimmlichen Höhe zu sein. Ihr Abschied im Vorspiel ist musikalisch wenig differenziert und lässt die Textverständlichkeit vermissen.

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Gutrune (Irina Simmes), Gunther (Manuel Walser, rechts) und Hagen (Roman Pomakov, links) empfangen Siegfried (Vincent Wolfsteiner, Mitte) am Gibichungenhof.

Zum ersten Akt vollzieht sich dann ein recht aufwändiger Umbau in die Gibichungenhalle, die Bühnenbildner Kaspar Glarner als recht modernen Raum einer einflussreichen Unternehmer-Familie zeigt. Auf der linken Seite befindet sich eine wulstige Ledercouch-Garnitur mit Glastisch, auf der rechten Seite ein Billard-Tisch mit einem erleuchteten Barschrank dahinter. Hier vertreibt sich Gunther als aalglatter Unternehmer in feinem Zwirn mit sorgsam geglätteten Haaren ein wenig selbstverliebt die Zeit, während Hagen ihn zu Höherem anzustacheln versucht. Eine Treppe auf der linken Seite führt zu einem Steg, der im Hintergrund über die Bühne führt. Siegfrieds Rheinfahrt wird mit Videoprojektionen von Bibi Abel auf den Seitenwänden untermalt, die einen wogenden Fluss zeigen, auf denen Siegfried quasi in die Gibichungenhalle gelangt. Roman Pomakov stattet den Hagen mit schwarzem Bass und diabolischem Spiel aus. Optisch wirkt er zwar ein wenig unscheinbar, was ihn aber umso gefährlicher macht, da er dadurch von den anderen unterschätzt wird. Manuel Walser verleiht dem Gunther einen kräftigen Bariton, und Irina Simmes, die im vergangenen Jahr in Erl als Sieglinde begeisterte, glänzt auch als Gutrune mit leuchtendem Sopran, der wie ihr liebliches Motiv in der Musik die Faszination dieser Frau unterstreicht. Vielleicht bedarf es gar keines besonderen Trankes, damit Siegfried beim Anblick dieser Frau Brünnhilde vergisst.

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Brünnhilde (Christiane Libor, rechts) und Waltraute (Zanda Švēde, links)

Zur Rückverwandlung der Bühne in den Walkürefelsen müssen nicht nur blitzschnell alle Requisiten von der Bühne entfernt und die Treppe und der Steg wieder mit Tüchern verhängt werden, sondern auch das Podest muss aus dem Boden hochgefahren werden, was wohl bei der Premiere einige Schwierigkeiten bereitet. Irgendwie scheint die Technik da ein wenig zu streiken. Brünnhilde tritt folglich aus dem Off auf, um sich wieder auf ihr Podest zu begeben. Zanda Švēde begeistert als Waltraute in ihrer großen Erzählung mit sattem Mezzosopran und versucht verzweifelt, Brünnhilde zu überreden, den Ring, den Siegfried ihr als Liebespfand zurückgelassen hat, dem Rhein zurückzugeben. Die Strafe für Brünnhildes Verweigerung folgt unverzüglich. Nachdem sie ihre Schwester fortgejagt hat, steht scheinbar ein Fremder in der Tür. Siegfried trägt als Tarnung einen riesigen Kopf Gunthers an einer Stange vor seinem Gesicht. Wenn er Brünnhilde schließlich überwältigt und ihr den Ring abnimmt, verbindet er Brünnhilde mit Gunthers Schal die Augen, so dass auch im weiteren Verlauf motiviert wird, wieso Brünnhilde ihn in dieser Szene nicht erkennt.

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"Schläfst du, Hagen, mein Sohn?": Alberich (Craig Colclough, rechts) und Hagen (Roman Pomakov, links)

Im zweiten Akt ist die Gibichungenhalle wieder aufgebaut und dieses Mal noch um eine weitere Treppe auf der rechten Seite erweitert. Hagen sitzt zunächst allein auf der linken Bühnenseite und wartet auf die Rückkehr Siegfrieds und Gunthers. Schlafen kann er allerdings nicht. Denn er geht zur Bar und mixt sich erst einmal einen Drink, bevor sein Vater Alberich erscheint und ihn recht fordernd an seinen Auftrag erinnert. Musikalisch bieten sich Craig Colclough als Alberich und Pomakov einen großartigen Schlagabtausch, bei dem man sich wirklich fragt, welche von diesen beiden Stimmen jetzt eigentlich schwärzer und finsterer klingt. Szenisch vertraut Fassbaender hier ganz auf die großartige Musik, die eigentlich alles sagt. Der von Olga Yanum anschließend auftretende Chor zeigt sich stimmgewaltig und punktet mit großer Bühnenpräsenz. Wieso eine Chordame dabei mit intensiven Blicken zwischen ihr und Gunther von Fassbaender exponiert wird, erklärt sich nicht wirklich. Handelt es sich hier um eine junge Frau, der Gunther früher Hoffnungen gemacht hat, bevor er sich von Hagen hat überreden lassen, Brünnhilde zu erobern? Libor und Wolfsteiner überzeugen im zweiten Akt stimmlich besser. Mit großer Dramatik liefern sie sich einen Schlagabtausch, bei dem Brünnhilde Siegfried des Treuebruchs beschuldigt und Gutrune das Pferd Grane, die Kette, entreißt. Den Speer, an dem Hagen die beiden schwören lässt, muss aber erst noch geschnitzt werden. Hagen holt ein Messer hervor, mit dem er einen Billard-Stock zum Speer anspitzt. Musikalisch großartig gelingt dann das Terzett zwischen Brünnhilde, Hagen und Gunther, in dem die drei planen, Siegfried bei der Jagd zu töten. Das Ende des zweiten Aktes gehört dann Brünnhilde ganz allein. Hier tritt keine Hochzeitsgesellschaft auf, sondern Brünnhilde steht verloren an der Bar und blickt ins Publikum. Scheinbar denkt sie darüber nach, ob die Rache, die sie an Siegfried nehmen will, vielleicht zu weit geht.

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Siegfried (Vincent Wolfsteiner) mit den Rheintöchtern Woglinde (Anna Nekhames), Wellgunde (Karolina Makuła) und Floßhilde (Katharina Magiera)

Für den dritten Akt sind die Baumstämme auf der Bühne aufgestellt, die man bereits aus dem zweiten Akt von Siegfried kennt. Hier kommen jetzt auch die ganz speziellen Regie-Einfälle, die Fassbaenders gesamten Zyklus so spannend machen. Alberich sitzt zu Beginn des Aktes in diesem Wald an der gleichen Stelle, an der er auch vor Fafners Höhle gewacht hat, und scheint auf seine Gelegenheit zu warten, den Ring zurückzubekommen. Die Rheintöchter tauchen in der Mitte der Bühne aus dem heruntergefahrenen Boden auf, zunächst mit kahlen Köpfen, die eigentlich die Verletzung der Natur andeuten könnten, wenn Fassbaender sie nicht im Rheingold beim Preisen des Goldes bereits kahlköpfig gezeigt hätte. Die schwarzen Perücken setzen sie erst auf, als Siegfried naht, um den Helden zu umschmeicheln, damit er ihnen den Ring überlässt. Anna Nekhames, Karolina Makuła und Katharina Magiera punkten als Rheintöchter durch homogenen Klang und erfrischendes Spiel. Wieso Fassbaender wie bereits beim Siegfried das Blasen des Horns nur mit den Händen andeuten lässt, erklärt sich nicht wirklich. Eindrucksvoll ist die Personenregie bei Gunther gestaltet, dem man die ganze Zeit anmerkt, wie unwohl er sich mit dem gemeinsam geschmiedeten Plan, Siegfried zu töten, fühlt. Als Hagen dann schließlich zur Tat schreitet, versucht er auch, es zu verhindern. Der Speer, mit dem Hagen Siegfried tötet, ist ein kleines Messer, das Hagen in seinem Strumpf versteckt hat.

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Brünnhilde (Christiane Libor) löst den Weltenbrand aus.

Die Baumstämme werden dann schon während des Trauermarsches über dem toten Siegfried in der Bühnenmitte als Scheite aufgestapelt, mit denen Brünnhilde später der Weltenbrand auslösen wird. Wolfsteiner punktet bei seinem Schlussgesang mit sauber angesetzten Höhen und strahlendem Heldentenor. Während im unteren Teil der Bühne dann der Kampf um den Ring ausbricht und Hagen auch Gunther tötet, tritt Brünnhilde auf dem Steg über der Bühne auf und gebietet dem Treiben Einhalt. Ihren Gesang beginnt sie von oben, während alle anderen die Bühne verlassen. Dann kommt sie herab, nimmt den Ring an sich und legt sich auf den mit rotem Nebel brennenden Scheiterhaufen. Die Rheintöchter treten auf und haben einige Mühe, den Ring von Brünnhildes Hand zu lösen. Als es ihnen dann schließlich gelingt und sie in fröhlichem Spiel über die Bühne tänzeln, kommt zunächst Alberich, der den Ring auf dem Scheiterhaufen sucht und anschließend den Rheintöchtern nachjagt, die sich jetzt auf dem Steg über der Bühne befinden. Hagens "Zurück vom Ring" scheint dann an seinen Vater gerichtet zu sein. Es entsteht ein Kampf zwischen dem Nibelungen und seinem Sohn, bei dem Hagen erneut das Messer ziehen will, vorher jedoch von Alberich getötet wird. Dann verlöscht das Licht. Erik Nielsen lotet mit dem Orchester der Tiroler Festspiele Erl die Finessen der Partitur differenziert aus und lässt das Publikum in einem Meer der Motive regelrecht schwelgen, so dass er und das Orchester zu Recht mit großem Jubel bedacht werden. Doch auch die Leistung der Sängerinnen und Sänger und die Regie werden mit Ovationen gefeiert.

FAZIT

Brigitte Fassbaenders Deutung des Rings sollte man sich nicht entgehen lassen, da sie einerseits einen recht librettonahen Zugang wählt, dabei andererseits aber in einer ausgefeilten Personenregie viel Neues entdecken lässt. Der Vorverkauf für die beiden Zyklen 2024 (5. Juli 2024 bis 10. Juli 2024 und 23. Juli 2024 bis 28. Juli 2024) hat bereits begonnen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Erik Nielsen

Regie
Brigitte Fassbaender

Bühnenbild und Kostüme
Kaspar Glarner

Kostümmitarbeit
Uta Baatz

Licht
Jan Hartmann

Video
Bibi Abel

Chor
Olga Yanum

Dramaturgie
Mareike Wink

 

Orchester der Tiroler Festspiele Erl

Chor der Tiroler Festspiele Erl


Solistinnen und Solisten

Siegfried
Vincent Wolfsteiner

Alberich
Craig Colclough

Hagen
Roman Pomakov

Gunther
Manuel Walser

Brünnhilde
Christiane Libor

Gutrune
Irina Simmes

Waltraute
Zanda Švēde

Erste Norn
Marvic Monreal

Zweite Norn
Anna-Katharina Tonauer

Dritte Norn
Monika Buczkowska

Woglinde
Anna Nekhames

Wellgunde
Karolina Makuła

Floßhilde
Katharina Magiera

 


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