„Fausts Verdammnis“ – In Erfurt regiert Mephisto die DomStufen-Festspiele

Theater Erfurt/Fausts Verdammnis | Ensemble/ Foto @ Lutz Edelhoff

Die Saison der Erfurter DomStufen-Festspiele hat begonnen. Seit 1994 werden im Sommer in einer einzigartigen Kulisse am Fuße des Doms und der Kirche St. Severi verschiedene Produktionen gezeigt, darunter populäre Inszenierungen wie „Die Zauberflöte“ oder „Carmen“. In den knapp 30 Jahren ihrer Existenz wurden die DomStufen-Festspiele damit zu einer festen Größe im Bereich der Freiluftoper und begeisterten seitdem hunderttausende Zuschauer. Die DomStufen-Festspiele zelebrieren dieses Jubiläum mit der Aufführung von „Fausts Verdammnis“ von Hector Berlioz. Die Auswahl dieses Titels ist sicher auch eine Art Hommage an den Aufführungsort, zumal der genannte Doktor Faust laut der Legende auch in Erfurt sein Unwesen getrieben haben soll. (Besuchte Vorstellung v. 12.07.2023)

 

Denkt man über den Namen „Faust“ nach, kommt einem meist zuerst die gleichnamige Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe in den Sinn. Hierbei ist zu beachten, dass Hector Berlioz mit seiner Oper (La damnation de Faust op. 24) nicht die Vertonung und Inszenierung dieses Stoffes beabsichtigte, sondern vielmehr die Emotionen der Protagonisten in den Vordergrund rücken wollte. Dabei bleibt das Spannungsfeld zwischen Gut und Böse als Hauptmotiv erhalten.

Faust ist depressiv. Der Lebensmut ist ihm vergangen, die Gesänge einer christlichen Osterprozession halten ihn jedoch vom Selbstmord ab. Da erscheint Mephisto und zeigt ihm das lustige Treiben im Auerbachs Keller in Leipzig. Er verspricht Faust die Erfüllung all seiner Träume, doch dieser winkt ab. Erst als er in einem von Mephisto herbeigeführten Traum die junge Margarethe sieht, gibt er nach und lässt sich mit dem Teufel ein. Auch Margarethe fühlt sich zu Faust hingezogen. Die beiden verbringen eine Nacht zusammen, werden dabei jedoch von den Nachbarn erwischt. Faust und Mephisto fliehen, Margarethe bleibt wartend zurück. Doch als ihr Geliebter nicht zurückkehrt, verstirbt sie vor Kummer. Um ihre Seele zu retten, verspricht Faust die seine Mephisto. Beide fahren nun in die Hölle ein, während Margarethe in den Himmel aufgenommen wird.

Theater Erfurt/Fausts Verdammnis | Ensemble/ Foto @ Lutz Edelhoff

Mit den Klängen des Rákóczy-Marschs wird die Aufführung an einem schönen Sommerabend auf dem Erfurter Domplatz eingeleitet. So manch Erfurter grübelt laut, welche Teile der Bühne als Kulisse gedacht sind und welche schon immer da waren. Denn das Bühnenbild fügt sich nahtlos in die Umgebung ein und macht sich die prächtige Kulisse zu Nutze. Die Osterprozession läuft die Stufen des Doms hinunter, Brander (Changdai Park) ist zunächst als Priester verkleidet und auch Mephisto schlüpft kurzzeitig in die Rolle eines Kirchendieners. Am Fuße der Treppen ist ein Friedhof aufgebaut.

Die Kostüme von Uta Meenen unterstützen dabei das Gesamtbild perfekt. Während Chor und Statisterie eher unauffällig gekleidet sind, stechen die Tänzer unter der Choreographie von Rachele Pedrocchi immer wieder heraus. So tragen sie zu einem lebendigen und kurzweiligem Geschehen auf der Bühne bei. Die Beleuchtung und Spezialeffekte schaffen in Zusammenspiel mit den Requisiten eine einmalige Atmosphäre, besonders im Finale.

Für Bühnenbild und Regie verantwortlich ist Ben Baur, der mit dieser Produktion beweist dass ihm große Inszenierungen absolut liegen. Die Szenerie wirkt sehr real und nahbar, fast so als würde der Zuschauer selbst Teil einer von Mephisto arrangierten Täuschung sein und unter dessen allmächtiger Kontrolle stehen.

Theater Erfurt/Fausts Verdammnis | Jongwoo Kim (Faust), Tanzensemble und Chor/Foto @ Lutz Edelhoff

Dominant tritt dieser Mephisto auf, mit ausladenden und perfekt auf die Musik abgestimmten Bewegungen „dirigiert“ er immer wieder das Geschehen auf der Bühne und scheucht seine Irrlichter auch einmal mit der Peitsche umher. So leicht ihm das böse Treiben fällt, so schwer scheint für ihn die Trennung des Liebespaares nach der Entdeckung durch die Nachbarn zu sein. Dem ungarischen Bariton Ks. Máté Sóloyom-Nagy gelingt es, seiner Rolle mit Stimme und Spiel Ausdruck zu verleihen. Die Dominanz Mephistos spiegelt sich auch in seiner Stimme wider. Immer wieder übertönt er den Chor und überzeugt vor allem mit treffsicheren tiefen Tönen. Im finalen Höllenritt wirkt das oben beschriebenen Zusammenspiel fast schon beängstigend real, es war eine Freude zu sehen wie sehr es Ks. Máté Sóloyom-Nagy gelang sich in seine Rolle einzufühlen.

Faust wirkt in der Aufführung eher passiv und grüblerisch, er gibt sich ganz seinen Emotionen hin und bekommt in einer ruhigen Einzelszene auch Raum, dies zu zeigen. Jongwoo Kim gelang es, mit seinem angenehmen Tenor und viel feinem und exakt dosiertem Vibrato diesen Emotionen Ausdruck zu verleihen. Eine grandiose Besetzung für diese Rolle! Sein gefühlvolles „Hab dank, dämmernder Abend“ schaffte, es das aufgewühlte Publikum nach der Pause sofort wieder zu fesseln.

Theater Erfurt/Fausts Verdammnis | Ensemble/ Foto @ Lutz Edelhoff

Die unbedarfte Marguerite (Margarethe) wird in dem Stück als eigentliches Opfer von Mephisto gezeigt. Emily Lorini wurde am Abend der rezensierten Vorführung für diese Rolle besetzt. Sie hat einen weichen, fesselnden Mezzosopran sowie eine ausdrucksstarke Bühnenpräsenz. In der Aufführung muss sie für einige Klischees und ironische Andeutungen herhalten. Sie trägt eine rosa Haarschleife, gelbe Gummistiefel und verteilt Blumen (eine Andeutung an Erfurts Ruf als Blumenstadt?). Mephisto lässt sie in der Traumszene spärlich bekleidet für Faust an einem Seil tanzen (Luftakrobatin Julia Katharina Wutte) und degradiert sie somit zum reinen Lustobjekt. Gedemütigt und verletzt, ertränkt sie eine kleine Puppe im Brunnen auf der Bühne. Dies könnte eine Anspielung an Goethes „Faust“ sein, wo das Gretchen ihr gemeinsames Kind mit Faust umbringt.

Zudem zeigt es, dass die Grenzen zwischen Gut und Böse durch die äußeren Umstände schnell verschwimmen können. Dies wird in der Schlussszene noch einmal deutlich. Mephisto beißt geräuschvoll in einen Apfel, den er einem Baum auf Fausts Grab entnommen hat, und spielt damit auf den schon in Goethes „Faust“ thematisierten Sündenfall aus der Bibel an.

Theater Erfurt/Fausts Verdammnis | Ensemble/ Foto @ Lutz Edelhoff

Das Zusammenspiel zwischen Kulisse, Kostüm, Lichteffekt, Darstellung der Charaktere und der Anspielungen auf das berühmte Werk Goethes machen die Inszenierung zu einem einmaligem Gesamterlebnis, dass den Zuschauer zum Nachdenken und ab und zu auch zum Schmunzeln anregt.

Unter der Musikalischen Leitung von Clemens Fieguth entsteht dazu eine wunderbare Klangkulisse. Dem Philharmonischen Orchester Erfurt gelingt es, mit feinem Klang der Harfe und Kraftvollem Spiel der Kontrabässe mit differenziertem Klang den lebendigen Eindruck des Schauspiels zu unterstreichen.

„Fausts Verdammnis“ ist auch wegen der vielen herausragenden Chorszenen bekannt. Der Opernchor und die Mitglieder des Philharmonischen Chores Erfurt ist hierfür zeitweise mit bis zu 65 Mitgliedern auf der Bühne vertreten und beschert dem Publikum viele Gänsehautmomente.

 

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