Hamburg, Staatsoper Hamburg, LES CONTES D´HOFFMANN - Jacques Offenbach, IOCO Kritik, 14.06.2023

Hamburg, Staatsoper Hamburg, LES CONTES D´HOFFMANN - Jacques Offenbach, IOCO Kritik, 14.06.2023
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Staatsoper Hamburg

Staatsoper Hamburg © Kurt Michael Westermann
Staatsoper Hamburg © Kurt Michael Westermann

LES CONTES D'HOFFMANN - Jacques Offenbach

- Rendezvous von Weltstars auf der Hamburger Staatsopern-Bühne -

von Wolfgang Schmitt

Jacques Offenbach Grab in Montmartre © IOCO
Jacques Offenbach Grab in Montmartre © IOCO

Im September 2021 feierte die sensationelle Neuproduktion von Les Contes d´Hoffmann in der ideenreichen Regie von Daniele Finzi Pasca mit den aufwendigen Bühnenbildern von Hugo Gargiulo und den raffinierten Kostümen von Giovanna Buzzi ihre erfolgreiche Premiere. Nun, am 7. Juni 2023, war diese wunderbare Inszenierung wieder im Spielplan der Staatsoper Hamburg; sängerisch konnten diese Vorstellungen die damalige Premieren-Serie sogar noch übertreffen.

Das lag natürlich in erster Linie an Pretty Yende, die im vergangenen Jahr ihr Hamburger Staatsopern-Debüt als Violetta gab und sogleich die Herzen des Hamburger Publikums erobert hatte. Es folgten Auftritte als Manon und als Gilda, und so war man nun äußerst gespannt auf ihre vier Frauenrollen in Les Contes d'Hoffmann. Gleich ihre erste Szene als Olympia in der blaugrünen Spieldose geriet sensationell. Nicht nur, daß ihr wohltönender, edler klarer Sopran in der Auftrittsarie „Les oiseaux dans la charmille“ perfekte Koloraturläufe bot und sie diese zusätzlich mit stimmakrobatischen Verzierungen, kleinen Tönen wie Seufzern, Glucksern, Kieksern und Surren bei Aufziehen garnierte, auch in ihrer roboterhaften mechanischen Darstellung der Aufziehpuppe Olympia war sie hinreißend und offenbarte ihr heiteres komödiantisches Talent, welches die amüsierten Zuschauer fröhlich mit sehr langem Zwischenapplaus kommentierten.

Staatsoper Hamburg / Les Contes d´Hoffmann hier vl Erwin Schrott, Matthew Polenzani, Pretty Yende © Wolfgang Radtke
Staatsoper Hamburg / Les Contes d´Hoffmann hier vl Erwin Schrott, Matthew Polenzani, Pretty Yende © Wolfgang Radtke

Auch als Antonia in ihrem turmartigen, mit Tausenden Schmetterlingen dekorierten runden Zimmer, sie selbst als ein hellblauer Schmetterling mit riesigen hellblauen Flügeln gekleidet, bestach sie in ihrem melancholischen „Lied von der Taube“, welches sie mit zart schwebender Lyrik hoch emotional und voller Innigkeit interpretierte. Auch im Venedig-Akt mit dem wunderbaren Markusplatz-Bühnenbild, als gelangweilte Giulietta in silbernem Rokoko-Gewand machte sie eine gute Figur und sang eine wunderschöne Barcarole mit Niklausse, in der ihr in der Mittellage warm timbrierter Sopran wunderbar mit der dunkleren Stimme von Nicklausse harmonierte. Auch Giuliettas Arie „L'amour lui dit la belle“, ebenso wie die Schlußarie als Stella im letzten Bild und ganz in Gold gewandet, gelangen ihr innig und wunderschön phrasiert. Der Applaus für ihre Gesamtleistung am Ende war phänomenal.

Matthew Polenzani ist ein sympathischer, erfahrener Hoffmann, der sich darstellerisch eindrucksvoll und ideal in diese Inszenierung einfügte und auch gesanglich vollends überzeugen konnte. Sein heller höhensicherer Tenor hat Schmelz, er setzt ihn stilvoll und geschmeidig gleich in seiner ersten Arie vom Kleinzack ein. Matthew Polenzani kostet die gesamte Breite zwischen lyrischer Feinsinnigkeit und leidenschaftlicher tenoraler Kraft aus, sei es in den Arien und seinen  Szenen mit seinen „Traumfrauen“, oder auch mit Nicklausse /  Muse, so wie im letzten Bild „O Dieu, de quelle ivresse“.

Erwin Schrott in den Rollen der vier Bösewichte war schlicht sensationell. Ein charismatischer bühnenpräsenter Darsteller, der er ist und der seinen eigenen persönlichen Stil pflegt, sind ihm die Partien Lindorf, Coppélius, Dr. Miracle und Dapertutto wie auf den Leib geschneidert, und so erfüllt er diese bedrohlichen Charaktere mit unterschwelliger Gefahr, Zynismus und Brutalität. Seinen voluminösen virilen Bass-Bariton setzte er dementsprechend ein mit farbenreicher Gestaltung, fein nuancierten Abstufungen von sanften schmeichlerischen Tönen über leicht fließende Parlando-Passagen  bis hin zu dunklen diabolischen Farbgebungen. Als Lindorf war er in der Maske Jacques Offenbachs gestylt, während er als Dapertutto mit silberner Rokoko-Perücke und ganz in Rot kostümiert diese Rolle herrlich geckenhaft ausspielte.

Staatsoper Hamburg / Les Contes d´Hoffmann hier das Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Radtke
Staatsoper Hamburg / Les Contes d´Hoffmann hier das Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Radtke

In der Partie des Nicklausse und als Hoffmanns Muse war Jana Kurucova besetzt, die den Rollen besonders durch ihre charmante intensive Darstellung ein starkes Profil verlieh und auch stimmlich mit dunklem lyrischen Mezzosopran insgesamt, trotz einiger etwas zu guttural klingender Töne, durchaus überzeugen konnte.

Ein herrliches Kabinettstück der vier Diener-Rollen bot der Spieltenor Andrew Dickinson, und hier besonders als Frantz beim Couplet im Antonia-Akt, in dem er nicht nur mit seinem komödiantischen Talent, sondern auch mit schöner und nicht allzu buffonesker Stimmführung auftrumpfen konnte.

Ida Aldrian in der Partie von Antonias Mutter hatte ihren großen Auftritt in hellem Gewand mit riesigen Libellenflügeln, die zwei ihr zur Seite stehende Statisten zum Schwingen brachten. Stimmlich hätte man sich für diese Partie eine tiefe, satte Alt-Stimme gewünscht, und so blieb dieser sonst stets wirkungsvolle Auftritt aufgrund ihres viel zu hell klingenden Mezzosoprans merkwürdig blass.

Trailer 2022 - Les Contes d´Hoffmann - Staatsoper Hamburg youtube Staatsoper Hamburg [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Die weiteren kleineren Partien waren adäquat besetzt mit Hubert Kowalczyk, der als Maitre Luther und besonders als Crespel gefiel, Dongwong Kang als Nathanael, Francois Piolino als Spalanzani, Daniel Schliewa als Wilhelm und Wolfram, Nicholas Mogg als Schlémil und Hermann, sowie Han Kim als Capitaine des Sbirres.

Der von Eberhard Friedrich perfekt einstudierte Staatsopern-Chor erfüllte hoch engagiert seine mannigfachen darstellerischen Aufgaben. Die Choristen waren in den jeweiligen Szenen als Kellnerinnen und Barkeeper, als Ärzte und Krankenschwestern, oder schließlich als Tauben auf dem Makusplatz kostümiert, deren Aktionen meisterlich und sehr geschickt von Maria Bonzango choreographiert worden waren.

Das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von GMD Kent Nagano  hatte einen großen Abend und spielte temporeich und beschwingt, so daß an diesem Abend keine Wünsche offen blieben. Diese phantastische Produktion wird hoffentlich recht lange im Spielplan der Staatsoper verbleiben, und dann immer gern wieder mit Pretty Yende, Matthew Polenzani und Erwin Schrott in den großen Hauptpartien, die vom Hamburger Publikum stürmisch gefeiert wurden.

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