Startseite » Oper » Opern-Kritiken » Keine Eintagsfliege

Opern-Kritik: Musiktheater im Revier/Opernstudio NRW – Un giorno di regno

Keine Eintagsfliege

(Gelsenkirchen, 9.6.2023) Hochkompetente Mitglieder des Opernstudios NRW und das Ensemble des Musiktheater im Revier geben sich einträchtig Verdis früher Komödie hin, interagieren putzmunter und quirlig. Regisseur Roman Hovenbitzer entfacht pointensicher ihre Spielfreude. Und Maestro Giuliano Betta entlockt der Neuen Philharmonie Westfalen federleichte Flexibilität.

vonMichael Kaminski,

Der Meister höchstselbst interveniert. Kaum sind aus dem Graben die ersten Takte seines „Falstaff“ aufgestiegen, gelingt es dem Komponisten, den Klangkörper davon zu überzeugen, das Werk des Kernrepertoires gegen jenes auszutauschen, mit dem sich der junge Verdi am Komischen versucht hatte. „Un giorno di regno“ hebt vielversprechend mit einer spritzig-flotten Ouvertüre an. Die Vokalpartien lösen die Verheißung ein. Verdi schüttet über Solistinnen und Solisten ein ganzes Füllhorn melodischer Einfälle aus. Felice Romanis Libretto rund um den für einen Tag als Double für König Sigismund von Polen agierenden Cavaliere Belfiore liefert dazu die komödiantisch versiert geschürzte Grundlage. So schlüpft denn der Cavaliere in die Rolle des Monarchen, damit diesem gelingt, inkognito nach Polen zu reisen und gegen seine Widersacher zu reüssieren.

Indessen nutzt das Double die königlichen Privilegien dazu, zwei mit den „falschen“ Bräutigamen traktierten Heiratskandidatinnen die passenden Partner zu verschaffen. Einer davon ist er selbst. Final grüßt der siegreiche Stanislaus aus dem fernen Polen, indem er sein Double zum Grafen befördert. Das Ganze schließt freudig mit zwei seligen Paaren. Bei seiner Uraufführung im Jahr 1840 in der Mailänder Scala scheiterte das Werk völlig. „Un giorno di regno“ fehlen die Ingredienzen dessen, was sich von „Nabucco“ an als Verdis Personalstil entfalten wird. Seine buffa geht glatt als Werk Donizettis durch, das hinsichtlich des federnden Orchestersatzes und der Crescendi ab und an bei Rossini borgt. In der Tat lässt sich das dem Werk ankreiden.

Szenenbild aus „Un giorno di regno“
Szenenbild aus „Un giorno di regno“

Beste Unterhaltung

Nachgeborene dürfen weniger empfindlich reagieren und „Un giorno di regno“ als das nehmen, was er tatsächlich ist: ein Riesenspaß. Glänzend geeignet zum fröhlichen Kehraus der Spielzeit. Zumal, wenn Mitglieder des Opernstudios NRW – einer gemeinsamen Institution der Häuser in Gelsenkirchen, Dortmund, Essen und Wuppertal – mit Ensemblemitgliedern des Musiktheaters im Revier putzmunter und quirlig interagieren. Regisseur Roman Hovenbitzer baut denn auch ganz auf die Spielfreude seiner Solistinnen- und Solistenriege. Hellwach und detailverliebt entgeht dem Spielleiter keine vom Stück selbst gesetzte Pointe respektive die Option darauf, für weitere Knalleffekte zu sorgen.

Szenenbild aus „Un giorno di regno“
Szenenbild aus „Un giorno di regno“

Indem der falsche Sigismund über die Elektrizität eines repräsentativen Kronleuchters gebietet, ist das ganz wörtlich zu verstehen. Männliche Attitüden werden auf’s Korn genommen. Es wird gefochten und sich duelliert, was das Zeug hält. Hermann Feuchters Bühne zeigt ein klassizistisches Treppenhaus mit verschiebbarer Miniaturbühne im Hintergrund. Überdies ergibt sich durch den Einsatz der Untermaschinerie, mit der eine Mischung aus Theatergarderobe und Fundus aus der Versenkung fährt, jene Mannigfaltigkeit, derer die Opera buffa bedarf. Was Johanna Ralser an Garderobe aus gesteppten Stoffen ersinnt, vermag an faustdicker Ironie und zugleich Raffinement schwerlich überboten zu werden. Die Moden des 18. Jahrhunderts, in dem das Werk ursprünglich siedelt, und der Uraufführungszeit geben sich zu trefflichen Karikaturen verbandelt.

Graben und Bühne moussieren

Alexander Eberle hat den Chor des Musiktheaters im Revier auf vokale Wendigkeit vorbereitet. Die Neue Philharmonie Westfalen meint man in Italien ansässig. Giuliano Betta entlockt ihr federleichte Flexibilität und hinreißenden Schwung. Noch die rasantesten Streicherläufe gleiten schwerelos dahin. Die drei für die Produktion ausgewählten Mitglieder des Opernstudios NRW sind hochkompetent besetzt. Oleh Lebedyev  gebietet für den Cavaliere Belfiore über einen höhensicheren Bariton, der ihn für Verdi geradezu prädestiniert.

Szenenbild aus „Un giorno di regno“
Szenenbild aus „Un giorno di regno“

Die Marchesa di Poggio, seine schlussendliche Braut, zeichnet Sopranistin Heejin Kim durch wunderbar runde Tongebung aus. In der kleinen Partie des Grafen Ivrea lässt Bogil Kim aufhorchen. Den Schatzmeister La Rocca versieht Ysae Choi vom „Jungen Ensemble am Musiktheater im Revier“ mit agilem Bass-Bariton. Halt findet der Nachwuchs an den Gelsenkirchener Stammkräften. Lina Hoffmann ist eine spielerisch wie vokal bezwingende Giulietta. Yevhen Rakhmanin leiht dem Baron Kelbar seinen saftigen Bass. Benjamin Lee ist Edoardo di Sanval. Als zur Conférence begabter Verdi brilliert Georg Hansen.

Musiktheater im Revier / Opernstudio NRW
Verdi: Un giorni di regno

Giuliano Betta (Leitung), Roman Hovenbitzer (Regie), Hermann Feuchter  (Bühnenbild), Johanna Ralser (Kostüme),  Alexander Eberle (Chor), Oleh Lebedyev, Yevhen Rakhmanin, Lina Hoffmann, Heejin Kim, Benjamin Lee, Yisae Choi, Bogil Kim, Georg Hansen, MiR Opernchor, Neue Philharmonie Westfalen

Auch interessant

Rezensionen

  • 2018 gab Rubén Dubrovsky sein Debüt am Gärtnerplatztheater München
    Interview Rubén Dubrovsky

    „Es geht um die Wurzeln der Musik“

    Rubén Dubrovsky, Chefdirigent des Gärtnerplatztheaters, geht musikalischen Dingen gerne auf den Grund und kommt dabei zu manch verblüffender Erkenntnis.

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!