Wenn „lustig“ im Titel steht, ist das Wort der Volksoper Befehl – ein klassisches Aktgemälde mit strategisch platzierten Löchern, auf Nasen knallende Türen, ein Wäschekorb, in dem Falstaff keinen Platz hat und trotzdem verschwindet, Gugelhupf- und Wurst-Tapeten… die Inszenierung von Nina Spijkers werden Freunde von Slapstick ebenso schätzen wie jene, die die feinere Klinge bevorzugen. Unstrittig ist jedenfalls die Qualität von Otto Nicolais vielfältiger Musik zwischen Tschinderassabumm, feingliedrigen Koloraturen und eleganter Romantik.

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Aaron Pendleton (Herr Reich), Daniel Schmutzhard (Herr Fluth) und Carsten Süss (Junker Spärlich)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Shakespeares Komödie The Merry Wives of Windsor lieferte Giuseppe Verdi den Falstaff-Stoff, den Otto Nicolai rund 45 Jahre zuvor bereits auf die Bühne brachte. Interessanterweise sollte es für beide die letzte Oper sein – allerdings starb der um drei Jahre ältere Nicolai 1849 (ein Jahr nach der „Weiber“-Premiere) mit nicht einmal neununddreißig, während Verdi seinen Falstaff 1893 mit reifen neunundsiebzig auf die Bühne brachte.

In der Umsetzung des Stoffes durch Nicolais Librettisten Salomon Hermann Mosenthal findet man natürlich viele Gemeinsamkeiten zum Verdi-Libretto von Arrigo Boito, aber auch Unterschiede: bei Nicolai fehlen Falstaffs Diener, der eifersüchtige Ehemann heißt Fluth statt Ford, und die zu verkuppelnde Tochter Anna (Nannetta) gehört zum Ehepaar Reich. Frau Reich ist wiederum eine verheiratete Version von Mrs. Quickly, und Falstaff absolviert eine Szene in Frauenkleidern.

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Anett Fritsch (Frau Fluth), Martin Winkler (Sir John Falstaff) und Stephanie Maitland (Frau Reich)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Zum Ausgleich haben bei Spijkers die Frauen oft buchstäblich die Hosen an, denn sie legt in ihrer Arbeit den Fokus auf die weibliche Seite der Geschichte und spielt mit Geschlechterrollen. Die Saufkumpane im Wirtshaus sind Frauen mit Bart, wohingegen sich Annas Verehrer Fenton, Dr. Cajus und Junker Spärlich im zweiten Akt in femininen Badeanzügen zeigen dürfen (oder müssen).

Zeitlich angesiedelt wird das Ganze im Jahr 1918, in welchem der österreichische Adel seine Stellung verlor, die Frauen aber das Wahlrecht errangen. Die grundsätzlich gute Idee dahinter ist, die Figur des abgehalfterten Ritters Falstaff in einen größeren Zusammenhang zu setzen sowie eine Analogie zu Anna zu ziehen, die sich in der Wahl des Ehemanns gegen die Eltern durchsetzt. Bei Spijkers und ihrer Kostümbildnerin Jorine von Beek kann das Jahr 1918 allerdings nur Inspiration und nicht Programm sein; denn die beiden haben viel zu viel Phantasie und eigene Meinung, um sich historisch genau festzulegen – erlaubt ist bei ihnen, was Effekt macht und Lacher bringt. Der Nachteil einer solchen Auffassung ist, dass eine ernsthafte Botschaft wie das Transparent zum Thema Wahlrecht am Schluss aus dem Zusammenhang gerissen wirkt – da hätte es bessere Möglichkeiten gegeben, das Thema zu platzieren.

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JunHo You (Fenton) und Carsten Süss (Junker Spärlich)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Untergebracht ist die Geschichte auf der Drehbühne, für die die Bühnenbildnerin Rae Smith etwa ein museumartiger Malsaal zum Beginn, oder die bereits erwähnte Tapete eingefallen sind. Nach der Pause blickt man auf eine Kulisse, die von Faninals Heim aus der Schenk-Inszenierung des Rosenkavalier inspiriert zu sein scheint – womit sich interessante Querverbindungen auftun: Sophie im Rosenkavalier ist ähnlich gestrickt wie Anna, Falstaff ohnehin eine Art Ur-Ochs, und Fenton wirkte am besprochenen Abend genauso aus Zeit und Raum gefallen wie der italienische Sänger bei Strauss.

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JunHo You (Fenton) und Lauren Urquhart (Anna Reich)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Den Fenton gab JunHo You generell zu laut und grob, wo besonders für „Horch, die Lerche singt im Hain“ lyrischer bis operettenartiger Schmelz angesagt wäre. Freude machte allerdings sein witziges Spiel, auch wenn weder er noch Carsten Süss als kauziger Junker Spärlich gegen Alexander Fritze ankamen – Fritzes Kombination von sonorem Bass zu kokett wippenden Beinen im sexy Badeanzug war einfach umwerfend und machte ihm zum Star unter Annas Verehrern, auch wenn letztere nur Augen für Fenton hat. Als Annas Vater Reich machte Aaron Pendleton beste Figur, und seinen angenehmen Bass-Bariton hört man immer gern.

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Lauren Urquhart (Anna Reich) und Statisterie
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Martin Winkler war zwar nach einer Stimmband-Entzündung angesagt, doch erlebte man ihn als Falstaff überzeugend wie erwartet: schmierig, sich das schüttere Haar mit abgeleckten Fingern glättend, schwadronierend, insistierend… an Mut zur Hässlichkeit bei musikalischer Raffinesse hat es ihm noch nie gefehlt. Daniel Schmutzhard hatte als eifersüchtiger und grober Fluth eine fast noch unsympathischere Rolle, war aber wie Winkler gesanglich wie darstellerisch grandios – ein Highlight war das erste Aufeinandertreffen der beiden, mit dem sie den titelgebenden „Weibern“ fast die Show stahlen.

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Lauren Urquhart (Anna Reich) und Statisterie
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Als diese warfen sich Anett Fritsch als Frau Fluth und Stephanie Maitland als Frau Reich gehörig ins Zeug. Fritsch beeindruckte mit Koloraturen und der mutig-witzigen Art, wie sie gegen ihren Bühnen-Ehemann aufbegehrte. Die Altistin Stephanie Maitland war ihr eine ausgezeichnete Partnerin, zumal die beiden Stimmen hervorragend zueinanderpassen. Auch darstellerisch sind sie ein absolutes Powerfrauenduo. Lauren Urquhart als Anna darf stückbedingt zwar erst spät zeigen, wie gefühlvoll-strahlend sie singen kann, war aber trotzdem sehr präsent. Zum Schluss radelte sie im weißen Anzug Hand in Hand mit Fenton ins Glück.

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Martin Winkler (Sir John Falstaff) und Daniel Schmutzhard (Herr Fluth)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Das Komödienpublikum, sonst eher auf der Seite der Gefoppten, würdigte den weiblichen Einsatz gebührend. Jubel und Applaus für alle, ganz ausdrücklich auch für das Orchester unter Ben Glassberg. Neben dem Turbo-Klamauk wird von diesem Abend besonders die zauberhafte Mondaufgangsmusik im dritten Akt in Erinnerung bleiben.

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