Reptilkanzler (Daniel Schmutzhard) und Reptiloligarchin (Wallis Giunta).

Foto: Palffy

Es ist Showtime, Folks! Im TV-Studio begrüßt Talkmaster Friedrich Quant seine Gäste, dabei auch einen wirren Typen, der die Erde für eine Scheibe hält. Quant belächelt den Schwurbler, der natürlich Quote bringt. Allerdings wird die Begegnung mit dem Flat-Earther für Quant zum Karriere-Sargnagel. Verwirrt durch seine Recherchen zur Flacherde-Theorie erlebt der TV-Star den sozialen Abstieg, da er beginnt, dahinter eine Verschwörung für wahrscheinlich zu halten.

Die Folgen sind ziemlich drastisch. Quants Ehefrau lässt sich mit dessen bestem Freund ein (Aaron Pendleton), seine Kinder erkennen ihn nicht mehr. Doch ist das alles wirklich wahr und nicht noch viel schlimmer? Schließlich entpuppt sich Flat-Eartherin Lara, in die sich Quant verliebt, als Android, den Rebecca Nelsen darstellt. Und Quant? Er ist vielleicht auch etwas völlig anderes, als er glaubt zu sein.

Regie mit Intervention

Es kommt schließlich an der Volksoper – bei Moritz Eggerts Die letzte Verschwörung – zu einer Szene, in der Hausdirektorin und Regisseurin Lotte de Beer auf die Bühne stürmt. Sie fordert Darsteller und Darstellerin auf, ihre Rollen echter und intensiver zu gestalten. Alles nur die Probe zu einem Theaterstück?

Man sieht schon: Es ist alles etwas verworren. Eggerts Sci-Fi-Operette ist eine Musiktheaterzwiebel, bei der jede freigelegte Schicht eine neue Variante kruder Welterklärung offenlegt. Menschen entpuppen sich als Reptilien, die Kanzler-Form annehmen. Das neue Telekom-Netzwerk 6H wird per Reptil-Oligarchin auf den Weg gebracht. Plötzlich landen auch gute Außerirdische auf der Erde, um uns zu retten, indem sie einen Messias mit Quants neuer Freundin Lara zeugen wollen.

Steht hinter all dem aber nicht doch der Illuminatenorden? Und was ist die Rolle des FBI in dem Wirrwarr, als dessen Mitarbeiter sich der Schwurbler aus der TV-Show entpuppt (Orhan Yildiz)? Ist andererseits alles nur Teil einer Cloud, die menschliches Bewusstsein samt Erfahrungen modelliert?

Film als Vorbild

Dafür, dass alles so überladen ist, flutscht die Uraufführungsinszenierung von Lotte de Beer eigentlich recht leichtfüßig dahin. Drehbühne (Christof Hetzer) und Videos dynamisieren eine Geschichte im munteren Dialog, die sich an filmischen Vorbildern gütlich tut. Die Hypnosekräfte von Außerirdischen kennt man u. a. aus Independence Day. Reptilien und jene Blitzvorrichtung, mit der Erinnerung ausgelöscht wird, waren in Man in Black ein Dauerhit. Und wenn Timothy Fallon als Quant passabel singend seine eigene Existenz als Fake erkennt, scheinen Elemente aus Matrix und Truman Show als Inspiration gedient zu haben.

Bunte Stilistik

Eklektisch, aber effektvoll auch die neue Musik: Schräge Elemente, die das Dramatisch-Gruselige verdichten, sind ebenso elegant eingewoben wie kleine Schlager oder unheimliche Chöre. Es ist ein bunter Mix, der einen Stil immer dem jeweils intendierten Ausdruck anpasst. Die Musik kann allerdings auch nicht verhindern, dass manch Szene extrem albern wirkt.

Kopulierende Reptilien als Kanzler und Oligarchin, denen beim verkrampften Sofakuscheln Tentakel wachsen, sind ebenso szenische Hilflosigkeit wie die Darstellung von Küchenszenen, bei denen im Restaurant aus Kinderfleisch Pizza hergestellt wird, die Quants Manager Alois Dunkler (Jakob Semotan) mundet. Da hätte etwas videolastige Abstraktion vieles an Peinlichkeit vermieden.

Und die Theorie von Hohlwelt?

Gut das Orchester unter Steven Sloane. Das klang alles sehr kultiviert (wie auch die Erzählstimme aus dem Off, die Eggert gehörte), ohne die Buntheit der Stile zu nivellieren. Viel Applaus. Wenige Buhs, die vielleicht von Anhängern der Hohlwelttheorie stammten. Diese Weltsicht wurde im Stück ignoriert. Wahrscheinlich im Auftrag des FBI. (Ljubiša Tošic, 27.3.2023)