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Szenenfoto mit: (v.l.n.r.) Bryan Register (Tristan) und Andreas Jäpel (Kurwenal). Sowie der Opernchor des Staatstheater Cottbus. (Foto: Marlies Kross)
Szenenfoto mit: (v.l.n.r.) Bryan Register (Tristan) und Andreas Jäpel (Kurwenal). Sowie der Opernchor des Staatstheater Cottbus. (Foto: Marlies Kross)
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Erwischt auf dem Holodeck – Richard Wagners Tristan und Isolde am Staatstheater Cottbus

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Dass man den verdeckten Graben im Bayreuther Festspielhaus gleichsam mitdirigieren kann, hat Christian Thielemann gerade an der Berliner Lindenoper – vor allem mit dem „Rheingold“ – beispielhaft demonstriert. Was gerade für Wagners Non-plus-ultra Oper „Tristan und Isolde“ eine gute Idee wäre, wenn man denn testen wollte, ob es stimmt, dass eine vollkommen gelungene Aufführung, den Zuhörern wirklich den Verstand rauben könnte, wie Wagner selbst etwas kokett von seinem Tristanopus mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein behauptete. Ein suggestiver Klangrausch mit Risiken und Nebenwirkungen ist es allemal. Auch in einem „normalen“ Stadttheater mit oben offenem Orchestergraben. 

Wobei GMD Alexander Merzyn in Cottbus mit seinem Philharmonischen Orchester nicht in Gefahr gerät, mit einem imaginären Rauschmittelverbot zu kollidieren. Sein Tristan-Dirigat setzt auf den vitalen Kern, der letztlich hinter jeder Klangzauberei steckt. Die Dimensionen des wunderschönen Cottbusser Opernhauses setzen die Grenzen, nicht die Mäßigung, die vom Pult ausgehen könnte. So müssen sich zwei enorme Energieströme den Raum hier teilen, denn was auf der Bühne an vokalen Schwergewichten aufgeboten wird, sucht seinesgleichen. 

Das Wagner-Event, das Intendant Stephan Märki selbst inszeniert hat, profitiert von seinen eigenen Verdiensten in Sachen Großkomponisten. Eine der weltbesten amtierenden Brünnhilden, Catherine Foster, hat ihm wohl nicht vergessen, dass sie vor 15 Jahren unter seiner Intendanz in Weimar als Freia starten und als Brünnhilde durchs Ziel gehen durfte. Wobei der Beitrag der sympathischen Wagnerheroine für den Weimarer Ring nur das Vorspiel für ihre grandiose Brünnhilde im Bayreuther Castdorf-Ring war. Jetzt ist sie auf dem Grünen Hügel die Isolde in der Roland Schwabs Tristan-Produktion. Dass ihre Stimme mühelos das vergleichsweise kleine Cottbusser Haus füllt, versteht sich von selbst. Zwar durch die gut lesbaren Übertitel begünstigt, aber auch von dieser „Hilfe“ abgesehen, ist in Cottbus auch ihre Diktion klar und verständlich. Das gilt ebenso für ihren Tristan Bryan Register, der gut mit seinen Kräfte haushalten kann, emphatisch gestaltend singt und auch dem vokal großformatigen Kurwenal von Andreas Jäpel standhält. Die Brangäne von Annika Schlicht und der König Marke von Dimitry Ivashchenko sind eine Klasse für sich. Nils Stäfe der reine Melot-Luxus. So diesseitig das Orchester und die Protagonisten auch den Raum beherrschen, so jenseitig versucht sich die Szene.

Märki und sein Bühnenbildner Philipp Fürhofer, der sogar schon mal im Coronasommer in Bayreuth einen konzertanten „Parsifal" bebilderte, denken ihren Raum vom Ende her. Vor allem Fürhofer nimmt Isoldes todestrunkene Lyrik im sogenannten Liebestod quasi als Wegweiser und Bauanleitung. Vom „wie er leuchtet, stern-umstrahlet, hoch sich hebt“ bis zum „wogenden Schwall“, „dem tönenden Schall“ und „des Welt-Atems wehendem All“. Isoldes rhetorische Frage in Wagners wohl verführerischster Schlussansprache, „seht Ihrs nicht“ müsste man in Cottbus mit einem deutlichen: Klar sehen wir das!“ beantworten. Es ist ja letzte, was wir überhaupt sehen. Denn die Gewänder des wiederaufstehenden toten Tristan und der gar nicht erst den Umweg über einen profanen Erdentod gehenden Isolde sind aus Sternen gewebt. Die zum Schluss eins werden mit denen der unendlichen Weiten …

Fürhhofers Kreativität hat bei diversen Blicken über die Schulter der Kommandeure des Raumschiffes Enterprise Luft geholt und atmet das jetzt für sein „Schilde hoch und runter“ in seinem Tristan-Holodeck mit Jugendstil-Tuch wieder aus. Kann gut sein, dass das ein bissel zu forsch an den physikalisch möglichen Eindrücken vorbei dichtet. Man merkt aber schon auch, wie jenseitig es gemeint ist. Hier kollidieren Gagarins „Dunkel ist der Weltraum Genossen“ mit Tristans notorischer Nachtaffinitiät. Und das in einer enterprisekompatiblen Optik. Dass man dann den Eklat im zweiten Aufzugs mit einem simplen Licht an hinbekommt und am Ende mit Metallschädel-Masken, die Toten aufrecht stehend einfügen kann, liegt auf der Hand. Die Inszenierung läuft – wie eigentlich immer, wenn ambitionierte bildenden Künstler im Bunde sind – auf ein Unentschieden mit den dramaturgischen Intentionen der Regie hinaus. Es gibt Schlimmeres, als die offenen Fragen, die bei der Gelegenheit bleiben. 

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