Festspiele:Domestizierte Einzigartigkeit

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Stimmlich sind sie top, doch sie spielen auch noch herrlich die Liebe: Irina Simmes (Sieglinde) und Clay Hilley (Siegmund). (Foto: Xiomara Bender)

Brigitte Fassbaender setzt ihren "Ring" bei den Tiroler Festspielen in Erl fort - jetzt kam die "Walküre" heraus.

Von Egbert Tholl, Erl

Es hätte gar nicht die Eröffnung der Tiroler Festspiele sein sollen. War es auch nicht, aber zuvor gab es nur zwei Konzerte, unter Anwesenheit österreichischer Politprominenz, aber halt keine Oper, denn Rossinis "Bianca e Falliero" fiel dem Virus zum Opfer, wird aber nachgeholt. Deshalb also wurde die "Walküre" zur eigentlichen Eröffnungspremiere in Erl, im Passionsspielhaus, wo Wagners Stücke meist zuhause sind, vor allem der "Ring". Diese Tradition stammt noch von Gustav Kuhn, Brigitte Fassbaender setzt sie fort, im vergangenen Jahre mit "Rheingold", jetzt mit Teil zwei des "Rings" - in zwei Jahren wird sie, die Unverwüstliche, damit fertig sein.

Man spielt in Erl den "Ring" nicht im neuen Festspielhaus, sondern eben im alten Passionstheater, weil dort die Akustik sensationell ist. Oder besser: sein soll. Nur für wen? Für die Solisten sicherlich, sie stehen vorne, das Orchester ist auf der Bühne hinter ihnen platziert, hinter einem Gaze-Vorhang. Die Lichter der Pulte leuchten geheimnisvoll, der Klang ist es nicht. Erik Nielsen dirigiert einen pastosen Wohlfühlmischklang, dem alles Theatralische abgeht. Auch gelingt es ihm nicht, irgendeine Art von Binnenspannung im Orchester zu erzeugen, die Klang ist einfach da wie eine ferne, fade Wolke. Ein Eindruck, der vielleicht bedingt wird durch die Einbauten im Passionsspielhaus: Nun gibt es nun im angehobenen Bühnenboden überflüssige Hubpodien, das Portal ist verkleinert durch schwellende Halbrunde links und rechts, der Klang wirkt wie eingesperrt, die klangliche Überwältigung, wegen derer einst die Wagner-Fans nach Erl pilgerten, ist weg.

Und mit ihr das Gefühl, einem echten Festspielerlebnis beizuwohnen. Weshalb Bernd Loebe, Intendant der Frankfurter Oper und nebenher der Tiroler Festspiele, die raue Einzigartigkeit des Passionshauses domestizieren will, wenn doch nebenan ohnehin das neue Haus steht, das bühnentechnisch alles kann, bleibt ein Rätsel. Ebenso bleibt nach dieser "Walküre" ein Rätsel, weshalb Nielsen der neue Chefdirigent in Erl ist.

Und doch bleibt die Aufführung durchaus ein Ereignis, was ausschließlich an der Besetzung liegt. Brigitte Fassbaender gestaltet den ersten Akt noch sehr genau, in einer Sofalandschaft im Stil des Gelsenkirchener Barocks, Clay Hilley und Irina Simmes spielen wundervoll detailliert das Aufkommen der Liebe zwischen Siegmund und Sieglinde. In der Folge will sie die Sängerinnen und Sänger kaum stören, vertraut ihnen zu Recht, unterstützt die Atmosphäre mit ein bisschen Video (Bibi Abel), das war's.

Reicht auch fast. Gerade Irina Simmes ist ein Traum. Sie spielt die Not der Sieglinde fabelhaft, das angsterfüllte Weibchen, das brav die Gläser abspült, aber sie vibriert von Anfang an in Sehnsucht, hat eine feine, leichte, wundervoll junge Stimme, sie bezaubert. Hilley ist ein vollkommen unangestrengter Siegmund, Claire Barnett-Jones (Fricka) und Christiane Libor (Brünnhilde) sind absolut souverän, Simon Bailey ist ein Prachtwotan. Auch er eher leicht in der Stimme, vollbringt er das Wunder, dass man jedes Wort versteht. Nur so sind die langen Monologe des Gotts spannend, Hilfe von der Musik erhält er nicht.

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