Vielversprechend begann der Premierenabend an der Oper Graz, denn unter der Leitung von Roland Kluttig erklang das Vorspiel zu Richard Wagners Der fliegende Holländer mit flirrender Atmosphäre, eleganten Details und wuchtiger Dramatik. Als sich jedoch der Vorhang hob, folgte angesichts der Inszenierung von Sandra Leupold die Ernüchterung.

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Der fliegende Holländer
© Werner Kmetitsch

Daland und seine Mannschaft müssen vor kahlen schwarzen Wänden – dieses Einheitsbühnenbild erinnert entfernt an ein leeres Schwimmbecken – herumstolpern, während Richard Wagner (verkörpert von Stephan Offenbacher) sie von einer erhöhten Position aus beeinflusst. Herumfuchtelnd treibt er dabei die Handlung voran, lässt die Figuren interagieren und verliert sich am Ende selbst in seiner Geschichte. Dieses Konzept eines in die Handlung integrierten Komponisten, der sich in die Geschichte einmischt, ist allerdings weder neu noch bietet es spannende Interpretationsansätze für dieses Romantische Werk.

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Kyle Albertson (Der Holländer), Helena Juntunen (Senta) und Stephan Offenbacher (Richard Wagner)
© Werner Kmetitsch

Darüber hinaus sorgt die Regisseurin vor allem für szenischen Leerlauf, die in historische Kostüme gehüllten Charaktere stehen entweder herum oder strecken die Arme vermeintlich bedeutungsvoll aus; dann und wann wird manisch über die Bühne gerannt und zwischendurch hängen Bilder aus der Inszenierung der Münchner Erstaufführung von der Decke. Am Schluss opfert sich Senta dann übrigens nicht, sondern flüchtet durch die Proszeniumsloge; und sie ist ganz nebenbei bemerkt nicht die einzige Frau, die an diesem Abend an ein fluchtartiges Verlassen des Hauses gedacht hat... Denn leider war auch die Besetzung, vor allem in den beiden zentralen Partien, enttäuschend.

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Kyle Albertson (Der Holländer)
© Werner Kmetitisch

Einen unebenen Bassbariton ließ Kyle Albertson in der Rolle als Holländer hören, wobei insbesondere die schroffen Registerbrüche störten. In der Tiefe wurde die Stimme durch ein ausladendes Vibrato geprägt, wodurch jegliche Eleganz in der Stimme erstickt wurde und statt einer strömenden Gesangslinie ein abgehackter Eindruck entstand. Lediglich in seinem offensichtlichen Wohlfühlmittelregister blühte das Timbre etwas auf, jedoch blieb die Gestaltung mangels Farben in der Stimme eindimensional. Der flackernde Sopran von Helena Juntunen vermochte es nicht, den Anforderungen der Partie der Senta gerecht zu werden. In der Mittellage wirkte das Timbre fahl und der Sängerin gelang es nicht, sich über das Orchester hinweg Gehör zu verschaffen; die angeschliffenen Höhen klangen hingegen gleißend und scharf. Auch darstellerisch bot sie leider nicht mehr, als mit aufgerissenen Augen entrückt bis hektisch um sich zu blicken und so aus der eigentlich starken Frauenfigur eine hysterische Schablone zu machen. Wenig Eindruck konnte auch Mareike Jankowski als Mary hinterlassen, ihr Mezzosopran scheint sich bei Wagner nicht so recht wohlzufühlen.

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Helena Juntunen (Senta)
© Werner Kmetitisch

Positiver auffallen konnte da schon Maximilian Schmitt, der den Erik mit warm timbriertem Tenor ausstattete und es auch schaffte, mit seiner Gestaltung der Partie wahrhafte Emotionen zu vermitteln. Dass seine Stimme dabei phasenweise stilistisch eher an Mozarts wehleidigen Don Ottavio erinnerte, als an den heißblütigen Jäger, der Wagner vorschwebte, trübte allerdings den Gesamteindruck. Wie immer etwas verschroben in der Darstellung legte Wilfried Zelinka seine Rolle an und brachte den Daland als Mischung aus bieder väterlicher Figur und abenteuerlustigem Schatzsucher an. Die Partie liegt ihm außerdem gut in der Kehle, sein Bass verfügt gleichermaßen über die dunklen, autoritären Facetten wie über warme, umgarnende Farben. Eine sehr runde Leistung bot auch Mario Lerchenberger, der sich in der kleinen Rolle des Steuermanns mit seinem hellen Tenor mühelos über das Orchester aufschwang und bei elegant gestalteten Legatobögen hervorragende Technik unter Beweis stellen konnte.

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Kyle Albertson (Der Holländer) und Mario Lerchenberger (Der Steuermann)
© Werner Kmetitisch

Während das auf der Bühne Gesehene und Gehörte also nur teilweise Anlass zur Freude bot, sorgten – neben dem wie immer traumhaft klangschönen Chor! – Roland Kluttig und die Grazer Philharmoniker mit dem, was aus dem Orchestergraben zu hören war, für pure Glückseligkeit. Denn dort hatten etwa die Hörner eine echte Sternstunde, boten sowohl stürmische Attacke als auch zarteste, saubere Piani; die Streicher ließen Wagners Klangwelt ebenso düster brodeln wie sehnsuchtsvoll strahlen und die Emotionen loderten dank Kluttigs Interpretation stets auf höchster Stufe ohne allzu effekthascherisch zu wirken. So verhinderten Orchester und Dirigent zwar immerhin noch ein totales Premierendebakel, aber wäre dieses Schiff nicht an der Oper Graz vor Anker gegangen, man hätte nicht viel verpasst!

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