Bejubelte Premiere: Madame Butterfly

Lübeck: Archiv - 29.01.2022, 12.39 Uhr: Die Kunst siegt über Corona: Bei der Premiere von Giacomo Puccinis Oper „Madame Butterfly“ am Freitagabend ein nahezu ausverkauftes Großes Haus wie schon lange nicht mehr. Und das Publikum, voll geimpft und halb maskiert, jubelte am Ende minutenlang den Protagonisten zu. Denn die Tragik, dass westliche Borniertheit ein junges Menschenleben in Fernost vernichtet, kommt ebenso optisch über die Rampe wie akustisch aus dem Orchestergraben.

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Ezio Toffolutti, Regisseur und Ausstatter in einem, hat diesem nun von vier Generationen favorisierten Opernrenner nicht noch aktuell Kritisches draufgesetzt. Es ist ja ersichtlich, dass hier ein US-Mariner eine junge Geisha mit Kind sitzen lässt – und dass sie endlich daran verzweifelt. Mit seiner rückwärtigen Vorhang-Ansicht eines Bilderrahmens zeigt Toffolutti gleich die Kehrseite der Medaille – und die sparsame Ansicht eines Geisha-Heims, das am Ende wie ein Kartenhaus einstürzt. Ansonsten hat er es bei der alten Zeit und ihren gutsitzenden Kostümen belassen: Wir erkennen uns realistisch im Gestern, fokussiert auf die Menschen bei ansonsten sparsam gestalteter Bühne.

Das bringt gelegentlich ein bisschen Leerlauf, zumal im Übergang zum letzten Akt, wo Toffolutti ausser einem sich verfärbenden Mond nichts eingefallen ist und GMD Stefan Vladar um die Seelenlage akustisch bemüht ist. Doch das Schicksal der Geisha Cio-Cio-San alias Butterfly rührt an, besonders durch Puccinis Schwelgen im Belcanto. Das ist sentimental, doch nie trivial. Vor allem lässt der Komponist die Interpreten immer wieder auf Linie singen, was sie ihm auch in Lübeck danken.

Es ist der Abend von Maria Fernanda Castillo als Cio-Cio-San, berührend im Spiel, mitreißend in ihren Sopran-Höhenflügen, immer wieder von einer enormen Kraft und Stärke: Wie sie die berühmte Arie „Un bel di vedremo“ („Eines Tages sehen wir“) anhebt und gestaltet, riss das Premierenpublikum zu einem Begeisterungssturm hin. Auf demselben stimmlichen Niveau begegnet ihr Yoonki Baek als Pinkerton, einen so sauberen und geflegten Tenor ohne jede Schwierigkeit hatte Lübeck selten im Ensemble. Und es ist ja ein weiterer Vorzug dieser Inszenierung, dass alle Partien aus dem Haus besetzt werden können – und alle überzeugen.

Zum großen Erfolg tragen bei: Gerard Quinn als Konsul Sharpless mit der warmen Mittellage seines Baritons; Violetta Hebrowska als stets präsente Dienerin Suzuki, die nur im 3. Akt einmal ihren schönen Mezzo zeigen darf; Noah Schaul lässt als windiger Heiratsvermittler Goro tenoral aufhorchen; weiter Rúni Brattaberg (Onkel Bonze), Owen Metsileng (Fürst Yamadori), Beomseok Choi, Iris Meyer, Tomasz Myslewiec, Birgit Macziey, Simone Tschöke, Seung-Yeon Stella Ryu und der Chor (sicher einstudiert von Jan-Michael Krüger).

Stefan Vladar lässt die Melodien schwelgen, aber so ganz waren er und die Lübecker Philharmoniker bei der Premiere noch nicht eingestimmt. Nach den Pandemie-Durststrecken mangelte es am gewohnten Selbstverständnis ihres Zusammenspiels und hatte der GMD gelegentlich Mühe mit dem Kontakt zur Bühne genehmem Mezzoforte: Puccini hört sich wunderbar an, hat für die Interpreten aber seine Tücken. Dem Premierenpublikum machte all das nichts aus. Es gab seiner Begeisterung lautstark Ausdruck.

Die Premiere am Freitagabend wurde vom Publikum bejubelt. Fotos: Jochen Quast

Die Premiere am Freitagabend wurde vom Publikum bejubelt. Fotos: Jochen Quast


Text-Nummer: 149682   Autor: Güz.   vom 29.01.2022 um 12.39 Uhr

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