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Musikfestspiele
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Tiroler Festspiele Erl Winter

26.12.2021 - 06.01.2022


L'amico Fritz

Commedia lirica in drei Akten
Libretto von Nicola Daspuro nach der Komödie L'ami Fritz (1876) von Emile Erckmann und Alexandre Chatrian, nach deren Erzählung (1864)
Musik von Pietro Mascagni

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h (eine Pause)

Premiere im Festspielhaus am 26. Dezember 2021
(rezensierte Aufführung: Derniere am 04.01.2022)

 

 

 

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Triumph der Liebe

Von Thomas Molke / Fotos: © Xiomara Bender (TFE Presse)

Pietro Mascagni zählt zu der Riege der Opernkomponisten, die mit nur einem Werk in die Musikgeschichte eingegangen sind. Bei ihm ist es sogar besonders tragisch, weil er direkt mit seinem Erstling, Cavalleria rusticana, Weltruhm erlangte, an den er mit zahlreichen Versuchen nicht mehr anknüpfen konnte. Vielleicht lag es daran, dass er mit seinen folgenden Opern nicht die Erwartungen erfüllen wollte, die das Publikum aufgrund seiner Cavalleria hatte, sondern immer wieder neue Wege einschlug, die aber nicht den erhofften Erfolg brachten. Besonders tragisch ist dies bei seiner zweiten Oper, L'amico Fritz, deren musikalische Qualitäten nicht zuletzt Gustav Mahler als deutlich höher als bei der Cavalleria einschätzte. Auch Giuseppe Verdi attestierte der am 31. Oktober 1891 in Rom uraufgeführten Commedia lirica "sehr schöne Musik", hielt aber dagegen, niemals ein unsinnigeres Libretto gelesen zu haben. So lässt sich vermuten, dass bei L'amico Fritz letztlich die Handlung schuld war und dazu führte, dass dieses Werk Mascagnis in Vergessenheit geriet. Der künstlerische Leiter und Geschäftsführer der Festspiele, Bernd Loebe, will nun mit einer Neuinszenierung bei den Winterfestspielen das Publikum von den Meriten dieser Oper überzeugen.

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Fritz (Gerard Schneider, rechts) wettet mit seinem Freund David (Domen Križaj, links), dass er niemals heiraten werde (in der Mitte von links: Caterina (Reilly Nelson), Hanezò (Giovanni Battista Parodi) und Federico (Carlos Andrés Cárdenas)).

Die Handlung, die auf eine gleichnamige französische Erzählung von Emile Erckmann und Alexandre Chatrian zurückgeht, spielt im Elsass und ist von der Grundidee nicht viel dümmer als andere seichte Komödien. Der wohlhabende Grundbesitzer Fritz wettet mit seinem Freund, dem Rabbi David, um einen Weinberg, dass er sein Leben lang ledig bleiben werde. David hingegen, der der Meinung ist, dass es zur Natur des Menschen gehöre, eine feste Bindung einzugehen, setzt alles daran, dass Fritz diese Wette verliert. Als Mittel zum Zweck dient ihm Suzel, die schüchterne und schöne Tochter eines Pächters. Fritz findet zwar durchaus Gefallen an der jungen Frau, ist aber nicht bereit, für sie sein freies Leben aufzugeben. Suzel, die sich in Fritz verliebt hat, leidet unter seiner Zurückweisung. Als sie beschließt, einen anderen Mann zu heiraten, wird Fritz klar, was er wirklich für sie empfindet. Er gesteht ihr seine Liebe und akzeptiert, dass er die Wette verloren hat. David, der über diesen Ausgang sehr glücklich ist, gibt den gewonnenen Weinberg Suzel als Mitgift mit in die Ehe. Mit einer geschickten Ausgestaltung der Figuren hätte man aus dieser Geschichte sicherlich etwas machen können, aber im Libretto von Nicola Daspuro bleiben die Figuren leider recht farblos und eindimensional.

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Suzel (Karen Vuong) liebt Fritz (Gerard Schneider).

Das Regie-Team um Ute Monika Engelhardt versucht nun, den Charakteren der Oper mehr Tiefe zu verleihen und sie mit einer eigenen Geschichte auszustatten. Den größten Eingriff nimmt Engelhardt dabei bei der Figur des Beppe vor. Im Original handelt es sich eigentlich um einen Zigeuner, der mit seinem leidenschaftlichen Spiel auf der Geige die anderen Figuren zu Tränen rührt und im dritten Akt mit seinem traurigen Lied über seine eigene Liebeserfahrung Fritz bewusst macht, wie tief dessen Gefühle für Suzel sind. Die Rolle ist als Hosenrolle angelegt, was Engelhardt veranlasst, in ihrer Inszenierung daraus eine Frau zu machen. Als Femme fatale hat Beppe hier bereits mehrere Male Fritz den Kopf verdreht und den Genuss der Liebe auch ohne feste Bindung kosten lassen. Ob das inhaltlich aufgeht, ist Ansichtssache, da beispielsweise die große Erzählung Beppes im dritten Akt nicht wirklich zu dieser Einstellung passt. Auch Fritz' Freund Federico bekommt in Engelhardts Lesart eine größere Bedeutung. Er verliebt sich ebenfalls in die schöne Suzel und macht ihr im großen Intermezzo vor dem dritten Akt einen Heiratsantrag. Leider bietet das Libretto am Schluss nur einen Satz, der eine solche Deutung zulässt und dem Happy End einen etwas schalen Beigeschmack gibt. Da sieht man Davids tröstende Worte, dass auch Federico und Hanezò eine Frau finden werden, mit gemischten Gefühlen, auch wenn vielleicht mit dem Dienstmädchen Caterina bereits eine potenzielle Kandidatin gefunden ist.

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Fritz (Gerard Schneider, 2. von rechts) und David (Domen Križaj, rechts) mit Beppe (Nina Tarandek, Mitte) und Suzel (Karen Vuong, links)

Sonja Füsti hat für das Bühnenbild einen Raum mit hohen Kassettenwänden entworfen, die zunächst recht kühl wirken. Hier scheinen Gefühle zunächst keinen Platz zu haben. Ausschlaggebend ist letztlich, was sich hinter diesen Wänden abspielt. Mal ist es eine Wand in der Mitte, die in die Höhe gezogen wird und Beppe bei ihrem Geigenspiel im ersten Akt einen spektakulären Auftritt in einem weiten ausladenden weißen Kleid ermöglicht, in dem die Geburtstagsglückwünsche wesentlich eindrucksvoller überbracht werden als in dem schlichten Auftritt Suzels. Dann findet hinter der gleichen hochgezogenen Wand der Heiratsantrag Federicos statt. Wie die Liebe bahnt sich auch die Natur im weiteren Verlauf ihren Weg durch die Wände. So brechen beispielsweise große Kirschblüten im dritten Akt durch die Wände hindurch. Im zweiten Akt scheint sich Fritz komplett in eine andere Welt zu träumen. Da verschwinden die Kassettenwände sogar ganz, und die Bühne wird von großen Kirschbäumen und einer einfachen Hütte dominiert, die Suzels Heim darstellt. Ob es der Pizzakartons bedarf, die zur Junggesellen-Party als Essen gereicht werden, um die Handlung wie die Kostüme von Henriette Hübschmann in der Gegenwart zu verorten, ist sicherlich Geschmacksache. Für Suzel und Beppe entwirft Hübschmann ähnlich schlichte blaue Kostüme, die wahrscheinlich betonen sollen, dass Fritz sich zwischen diesen beiden Frauen bewegt. Zu Beppes Charakter als Femme fatale, als die sie zu Beginn eingeführt ist, passt das allerdings nicht wirklich.

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Happy End nicht für alle: in der Mitte: Fritz (Gerard Schneider) und Suzel (Karen Vuong), links: Beppe (Nina Tarandek) und Hanezò (Giovanni Battista Parodi), rechte Seite von links: David (Domen Križai) und Federico (Carlos Andrés Cárdenas)

Musikalisch kann man Mahlers und Verdis Urteil sicherlich zustimmen und dem Stück großartige Musik bescheinigen, die vom Ensemble auch auf hohem Niveau umgesetzt wird. Francesco Lanzillotta lotet mit dem Orchester der Tiroler Festspiele Erl die Klangvielfalt der Musik differenziert aus und lässt das Publikum in lieblichen Bögen baden, die stellenweise vielleicht schon wieder ein bisschen zu zuckersüß sind. Bemerkenswert ist das große Intermezzo vor dem dritten Akt, das den Wendepunkt der Geschichte einleitet und mit Federicos Antrag auch inhaltlich motiviert, wieso Fritz nun handeln muss, um Suzel nicht für immer zu verlieren. Gerard Schneider verfügt als Fritz in der Titelpartie über einen kräftigen Tenor, der aber zumindest in der Derniere mit den hohen Tönen arg zu kämpfen hat, so dass er in Fritz' großer Bravourarie im dritten Akt, in der er sich seine Liebe zu Suzel eingesteht, nicht wirklich zu glänzen vermag. Karen Vuong begeistert als Suzel mit einem runden Sopran und verströmt in den Spitzentönen strahlenden Glanz. Darstellerisch wird sie dem schüchternen Mädchen mehr als gerecht. Ein musikalischer Höhepunkt ist ihre große Arie zu Beginn des zweiten Aktes, in der sie die Reife der Kirschen besingt. Erwähnenswert ist auch das große Duett mit Domen Križaj als David im zweiten Akt, in dem er Suzel mit Rebekka aus der Bibel vergleicht. Križaj punktet mit einem kräftigen Bariton, der in den Tiefen über enormes Volumen verfügt.

Nina Tarandek stattet die Partie des / der Beppe mit warmem Mezzo aus und lässt vor allem bei ihrer großen Erzählung im dritten Akt aufhorchen, auch wenn die Geschichte nicht zum Regie-Einfall passt, Beppe als Frau auf die Bühne zu stellen. Auch Carlos Andrés Cárdenas, Giovanni Battista Parodi und Reilly Nelson überzeugen in den kleineren Rollen als Federico, Hanezò und Caterina, so dass es für alle Beteiligten bei der Derniere verdienten Applaus gibt.

FAZIT

Musikalisch hat das Stück seine Meriten. Die inhaltlichen Schwächen kann aber auch das Regie-Team nicht wirklich umgehen und werden dem Stück wohl keine Chance bieten, ins Repertoire aufgenommen zu werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Francesco Lanzillotta

Inszenierung
Ute Monika Engelhardt

Bühne
Sonja Füsti

Kostüme
Henriette Hübschmann

Licht
Jakob Bogensperger

Chor
Olga Yanum

 

Orchester und Chor der Tiroler Festspiele Erl

Statisterie


Solisten

Fritz
Gerard Schneider

Suzel
Karen Vuong

Beppe
Nina Tarandek

David
Domen Križaj

Caterina
Reilly Nelson

Federico
Carlos Andrés Cárdenas

Hanezò
Giovanni Battista Parodi

 


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