Bereits seit einigen Jahren weicht die Oper Graz gerne vom Operettentriumvirat Strauß, Lehar und Kalman ab und bringt Werke aus dem reichen Repertoire an selten gespielten Operetten zur Aufführung. Und so erlebte nun die 1933 uraufgeführte Clivia aus der Feder des österreichischen Komponisten Nico Dostal ihre Premiere.

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Clivia
© Werner Kmetitsch

Erzählt wird darin die Geschichte einer Schauspielerin, Clivia Gray, die für einen vom reichen Amerikaner Potterton finanzierten Film in der fiktiven Republik Boliguay drehen soll. Der männliche Hauptdarsteller springt kurzfristig ab und da ohnehin eine Ehe mit einem Boliguayaner nötig ist, um eine Einreise- bzw. Arbeitserlaubnis zu erhalten, soll Clivia zum Schein den Gaucho Juan Damigo heiraten, der dann auch gleich den Part im Film übernehmen soll. Der Film dient Potterton allerdings ohnehin nur als Vorwand, um in Boliguay durch einen Putsch eine unfähige Regierung zu installieren, damit er ungehindert korrupte Geschäfte machen kann; Juan Damigo ist eigentlich der Revolutionsführer und legitime Präsident Oliviero, der genau das verhindern möchte. Dann gibt es in dem Potpourri aus skurrilen Irrungen und Wirrungen noch die Amazone Jola, die sich auf ein Techtelmechtel mit dem amerikanischen Reporter Lelio Down einlässt, einen verrückten Erfinder, der Potterton ein Patent für eine Schlafmaschine andrehen möchte, und zu allem Überfluss verlieben sich Clivia und Juan während ihrer Scheinehe tatsächlich ineinander.

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Matthias Koziorowski (Juan Damigo) und Sieglinde Feldhofer (Clivia Gray)
© Werner Kmetitsch

Die Handlung ist also reichlich verworren und böte genug Raum für Situationskomik und Regieideen – leider brachte Regisseur Frank Hilbrich aber vor allem semilustige Gags, szenischen Leerlauf und eine große Portion Klischees auf die Bühne. Die besten Momente hatte die Inszenierung dabei noch während der Ouvertüre, als der Trailer für den in Boliguay entstehenden Film in bester Spaghetti-Western-Manier im Hintergrund lief; danach musste das Ensemble aber vor allem völlig überdreht agieren, wodurch die Figuren zu nervenden Karikaturen ihrer selbst degradiert wurden. Ziemlich verschenkt wurde – von Regie und Darsteller –auch die (Sprech-)Rolle des Erfinders Gustav Kasulke: Gerald Pichowetz blödelte sich harmlos durch den Abend, sorgte zwar für ein paar Lacher, aber schöpfte das komödiantische Potenzial der Figur nie aus.

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Gerald Pichowetz (Gustav Kasulke)
© Werner Kmetitsch

Den unfreiwillig spannendsten Moment des Abends lieferte übrigens gar nicht die Inszenierung, sondern Matthias Koziorowski, der sich als Juan Damigo gleich bei seinem ersten Auftritt eine Verletzung der Achillessehne zuzog. Während er bis zur Pause noch wacker hinkend durchhielt, wurde ihm im zweiten und dritten Akt dann Regieassistent Florian Kutej als Schatten zur Seite gestellt, der den darstellerischen Part übernahm, während Koziorowski für den Gesang sorgte. Seine Stimme ist dabei – und das ist ausschließlich positiv gemeint! – eine ideale Operettenstimme, denn sein Tenor bietet mit leicht slawisch angehauchtem Timbre, viel Schmelz und eleganter Höhe alles, was man sich für dieses Genre wünschen kann.

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Sieglinde Feldhofer (Clivia Gray)
© Werner Kmetitsch

In die Rolle der titelgebenden Clivia schlüpfte Sieglinde Feldhofer, die stimmlich für Operetten ohnehin immer eine sichere Bank ist und auch an diesem Abend mit klaren Höhen und Textdeutlichkeit überzeugte. Lediglich etwas mehr Plüschigkeit hätte ihrem Sopran für die schmachtenden Passagen nicht geschadet. So ganz schien sie in der Rolle der Diva nicht angekommen zu sein, denn darstellerisch war sie zwar sichtlich darum bemüht, das überkandidelte und kaprizierte Gehabe der Figur überzeugend auf die Bühne zu bringen, wirkte aber dabei trotzdem immer etwas zu bodenständig.

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Markus Butter (Potterton)
© Werner Kmetitsch

Mit viel Elan und Spielfreude warfen sich Anna Brull und Ivan Oreščanin in ihre Rollen als Jola und Lelio Down, stimmlich gingen beide in Anbetracht von Choreographie und energiegeladener Darstellung allerdings ziemlich unter; etwas fehl am Platz wirkte auch Markus Butter, der den berufsjugendlichen H. W. Potterton mit Baseballkappe und Trainingsanzug mimen musste und dabei vor allem so wirkte, als ob er sich selbst sehr lächerlich fühle. Das größte Vergnügen in Boliguay schien an diesem Abend der Chor zu haben, der nicht nur stimmlich viel Schönes bot, sondern auch begeistert die Choreographie von Beate Vollack umsetzte. Eine exzellente Leistung kam an diesem Premierenabend aus dem Orchestergraben, denn in Dostals Musik treffen klassisch schmachtender Operettensound und jazzige Passagen aufeinander, für spanisches bzw. südamerikanisches Flair sorgen Tango und Paso Doble und die Kombination von Walzer und Kastagnetten ist ein gekonnter Stilmix. Unter der Leitung von Marius Burkert hatten die Grazer Philharmoniker hörbar Spaß an der Partitur, in den Momenten des süßlichen Kitschs schmachtete das Orchester was das Zeug hielt, nur um kurz darauf wieder leichtfüßig durch Swingelemente zu tanzen.

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