"Manon" an der Staatsoper Hamburg: Ein musikalisches Fest
Im Video-Livestream und live auf NDR Kultur hat an der Hamburgischen Staatsoper Jules Massenets Oper "Manon" Premiere gefeiert. Die Regie hatte David Bösch.
Mit Tastaturgetippe beginnt eine Opernpremiere normalerweise nicht. Aber eine der spannendsten, verrücktesten und dramatischsten Opern-"Geschichten" im Livestream über die Webseite des NDR zu erleben, ist jedenfalls besser als gar nicht.
Um 17:56 Uhr und 40 Sekunden ist der Stream freigeschaltet und um Punkt 18 Uhr startet auch die Live-Übertragung auf NDR Kultur. Tenor Daniel Kluge und Bariton Alexey Bogdanchikov als Lebemänner Guillot und Brétigny singen exzellent, Dirigent Sébastien Rouland kristallisiert im Philharmonischen Staatsorchester die feine französische Eleganz heraus.
Psychodrama ins Hier und Heute verlegt
"Es ist toll, dass die Titelfigur eine moderne junge Frau von heute ist, auf ihrem Weg durch ein unkontrolliertes, leidenschaftliches, sich verbrennendes, aber voll ausgekostetes Leben", verrät Regisseur David Bösch. Ein kleines Fragezeichen, ob Manons Lebensphilosophie wirklich so "prima" ist, hätte man sich in der Regie schon gewünscht. David Bösch versetzt "Manon" vom 18. Jahrhundert in ein zeitloses Hier und Jetzt. Ob es sich bei der Besessenheit des Studenten Des Grieux für die ebenso gerissene wie schöne Manon wirklich um Liebe handelt, bleibt eine offene Frage. Die Gier nach Leben schließt Straftaten und Selbstaufgabe nicht aus. Das Psychodrama endet mit dem Tod Manons. Der Skandalroman von Abbé Prévost aus dem 18. Jahrhundert hat auch heute nichts von seiner Faszination verloren.
Düstere Farben dominieren Patrick Bannwarts Bühne, nur beim Volksfest und im Spielcasino wird es auch mal bunt. Am Ende stirbt Manon eigentlich aus Erschöpfung von all ihren durchgedrehten Aktionen. Der ihr hörige Des Grieux überlebt. David Bösch dichtet ihm aber einen Liebestod an, nachdem Manon ein Gift getrunken hat.
Musikalisch war diese Manon wirklich ein Fest. Zu allererst ist da die Französin Elsa Dreisig als Manon mit verführerisch geschmeidigem Sopran, aber auch Ioan Hotea als Des Grieux verzauberte mit kernig-erotischem Tenor.
Musikalisch brillante Premiere
Natürlich kann ein Stream keine Live-Aufführung ersetzen, aber die Bildregie von Jan Peter Gehrkens war klug und weit besser als manches, das man in diesen Corona-Zeiten schon als Stream sehen konnte. Fazit: eine Regie, die ihr Profil noch schärfen sollte, musikalisch eine brillante Premiere.
Der Mitschnitt des Video-Livestreams ist ab 27. Januar 2021 abrufbar auf der Homepage der Staatsoper Hamburg.