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Die Erotik der Macht

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Fiese Schwestern: Clorinda und Tisbe (v. l.: Victoria Kunze, Patrizia Häusermann) machen Cenerentola (r., Anna Werle) das Leben schwer. Foto: Manja Herrmann
Fiese Schwestern: Clorinda und Tisbe (v. l.: Victoria Kunze, Patrizia Häusermann) machen Cenerentola (r., Anna Werle) das Leben schwer. Foto: Manja Herrmann © -

Bremerhaven - Von Rolf Stein. Dass Märchen nicht nur was für Kinder sind, ist bekannt. Viele sind ohnehin zu düster, zu blutig, um als Gute-Nacht-Geschichten zu taugen. Ganz davon abgesehen, dass sich auch Erwachsene gern Geschichten vorsetzen lassen, die nicht gerade als knallharter Realismus durchgehen. Dass wiederum ein Märchen, also eine frei erfundene Begebenheit mit wundersamen Wendungen, die Grundlage für delikate Polemik bilden kann, lässt sich an der 1817 uraufgeführten Oper „La Cenerentola“ von Gioachino Rossini studieren, die am ersten Weihnachtsabend am Stadttheater Bremerhaven Premiere feierte.

Rossini und sein Librettist Jacopo Ferretti erzählen darin die Geschichte vom Aschenputtel nach der Fassung des französischen Autors Charles Perrault, wobei sie einige Details der Erzählung ändern mussten, weil sie offenbar ganz unabsichtlich zu nah an ganz konkreten gesellschaftlichen Realitäten waren. Zugleich verzichteten Rossini und Ferretti weitgehend auf fantastische Elemente der Geschichte und rückten sie so näher an die Wirklichkeit.

In der Geschichte des Prinzen, der gegen seinen eigenen Willen eine der Töchter des verarmten Adligen Don Magnifico heiraten soll, bildet sich die bürgerliche Kritik an der Verkommenheit des Feudalsystems ab: Statt die Liebe taktischen Erwägungen zu opfern, soll sie Herzenssache sein. Aschenputtel und ihre Halbschwestern Clorinda und Tisbe hat Rossini in hinreißender Komik in Töne gegossen.

Max Hoehn hat „La Cenerentola“ für das Bremerhavener Stadttheater eingerichtet, mit viel Sinn für den Witz der Vorlage und fast stets ausreichend Distanz zum allzu platten Schenkelklopfer. Darko Petrovic hat dafür eine ansprechend stilisierte Bühnenwelt inklusive zauberhaft überzeichneter Kostüme geschaffen.

Dass diese „Cenerentola“ dann auch musikalisch gelingt, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit: Dass immerhin fünf der sieben allesamt durchaus anspruchsvollen Partien aus dem hauseigenen Ensemble besetzt werden können, ist durchaus bemerkenswert. Für die koloraturgespickte Titelrolle wurde Anna Werle engagiert, den abgehalfterten Baron Don Magnifico gibt Christian Tschelebiew, der wie das gesamte Ensemble auch darstellerisch kaum etwas zu wünschen übrig lässt. Shin Yeo nimmt als weiser Strippenzieher Alidoro für sich ein. Victoria Kunze und Patrizia Häusermann als fiese Schwestern Clorinda und Tisbe bekriegen sich und die arme Halbschwester Cenerentola mit viel Esprit. Vikrant Subramanian zeichnet als Diener Dandini, der sich als Prinz Don Ramiro ausgibt, um für jenen die richtige Braut zu finden, das wirklich hinreißende Porträt eines Mannes, der endlich einmal spüren darf, wie sich Macht anfühlt.

Den echten Don Ramiro singt und spielt Christopher Busietta mit frischem Charme. Bleiben noch der präzise und spielfreudige Herrenchor unter der Leitung von Mario Orlando El Fakih Hernández und das konzentriert aufspielende Philharmonische Orchester Bremerhaven unter Davide Perniceni zu erwähnen. Das Publikum honorierte diese überzeugende Leistung begeistert.

Die nächsten Termine

Sonntag, 5. Januar, 15 Uhr, Donnerstag, 9. Januar, 19.30 Uhr, Freitag, 7. Februar, 19.30 Uhr, Stadttheater Bremerhaven.

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