Oper Graz:

Wimmelbilder einer „Polnischen Hochzeit“

Steiermark
09.12.2018 17:50

Gefeiert, verfemt, vergessen - und wiederentdeckt: 81 Jahre nach der Zürcher Uraufführung von 1937 feierte „Die polnische Hochzeit“ des österreichisch-jüdischen Komponisten Joseph Beer (1908-1987) ihre Premiere an der Grazer Oper. Zur Feier des Tages schmückte man die Operettenrarität mit tonnenweise Flitterdekor.

Sollten Sie derzeit im einschlägigen Weihnachtswarengeschäft vor leeren Lametta-Regalen stehen, jetzt wissen Sie, wer Schuld daran ist: Die Grazer Oper! Dort hat man, so scheint’s, kurz vor Weihnachten den Weltmarktbestand an Glitzerfirlefanz aufgekauft, um die Hochzeit des finsteren Grafen Zagorsky zu feiern. Weil aber dessen ausersehene Braut Jadja lieber als den seriell monogamen Grafen seinen aus dem Exil zurückkehrenden Neffen Boleslav ehelichen würde, ist die Operettenszene perfekt. Und das heißt in diesem Falle: Ultra-Kunter-Bunt! In der Inszenierung von Sebastian Ritschel ist „Die Polnische Hochzeit“ nämlich zuvorderst ein genialisches Ausstattungsmassaker, aus dem vor allem die einzigartig überdrehten Folklore- und Varieté-Kostüme Andy Besuchs hervorstechen, während das Bühnenbild (von Martin Miotk) als gigantischer Gemüsekorb die Szene überragt.

Wuselnde Wimmelbilder
Hinter diesem verschwindet dann das Personal gerne mal, wenn es nicht gerade in den wuselnden Wimmelbildern der Massenszenen mit tanzt - ganz gelungen ist die Figurenführung nicht immer, auch wenn die Mehrzahl der Nummern abwechslungsreich und genregemäß überschießend spaßig daher kommt. Humor, gerne auch in Form derber Zoten, ist sowieso das Herzstück der „Polnischen Hochzeit“: Während die überzeichneten Wortwechsel zwischen Jadjas Vater, Baron Oginsky (Josef Forstner) und dem auch stimmlich variantenreichen Grafen (Markus Butter) herrlich charmant sind, übertreibt es die Inszenierung aber zuweilen mit den derben Phallusmetaphern - eine stramm stehende Riesenkarotte samt zweier beigeordneter Radieschen ergibt eben noch keinen Diskurs über Geschlechterverhältnisse.

Schwülstiger Mix
Lautstark und klangmächtig sind an diesem Abend die Grazer Philharmoniker unter Marius Burkert, die Beers faszinierend schwülstigen Mix aus Dreißigerjahre-Schlager, Folklore und Jazz treibend in Klang setzen - mitunter aber zu dick auftragen: In gut der Hälfte der Nummern sind die Sänger und der selbst zuweilen stark polternde Chor in wechselnden Schweregraden vom Orchester zugedeckt. Schade, denn sowohl den heldentönenden Szabolcs Brickner als Boleslav wie auch die wechselnd vibratoreiche, dann wieder zarte Katharina Melnikova als Jadja hätte man gern besser gehört.

Am durchschlagensten erscheint unter diesen Umständen Mareike Jankowski in der Rolle der „Wildkatze Suza“, die als Amazone mit Lederstiefeln und Reitgerte an der Seite des tollpatschigen Casimir (Ivan Oreščanin) szenischen wie stimmlichen Dreißigerjahre-Varieté-Charme versprüht.

Felix Jurecek

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